Dazu gehört zum Beispiel die Frage der Korrosion von Kupfer. Woher wissen wir, dass Kupfer nicht noch schneller korrodiert als man es von archäologischen Artefakten kennt? Erstens, weil die Korrosionsprodukte äußerst auffällig sind. Selbst vollständig korrodierte Artefakte wurden schon gefunden (extrem dünne Kupferringe, die wohl als Ohrringe dienten). Zweitens müsste man auch massive, fast vollständig verschwundene korrodierte Artefakte finden, also eine Zwischenstufe, wie man sie von zahllosen Eisenartefakten kennt. Im übrigen ist Kupfer, neben Gold und Silber, eines der wenigen Metalle die man in der Natur auch als Metall und nicht nur als Erz antrifft.
Das heißt nicht, dass es keine epistemologischen Probleme gäbe. Aber es wäre schön, wenn man über epistemologische Probleme diskutieren würde, die existieren und nicht über Probleme, die längst gelöst sind. Vor allem werden sie meistens als rein rhetorisches Element ohne eine ernsthafte Fragestellung verwendet.
Bei Atommüll und Kernkraft allgemein sind Fragen der Ethik und Moral enger verknüpft mit Fragen der Logik, als man in der Diskussion vermuten würde. Natürlich gibt es ethische Grundsätze zum Schutz von Leben und wie ganz genau diese Grundsätze zu lauten haben, das ist durchaus Verhandlungssache. Aber die Logik gebietet uns, dass wir die gleichen ethischen und moralischen Grundsätze für radioaktive Stoffe anlegen sollte, wie wir es auch mit anderen giftige Stoffen tun würden. Ein toter Mensch ist ein toter Mensch, unabhängig ob sein Tod durch radioaktive oder andere Stoffe verursacht wurde.
Es ist dabei eine große Dummheit, die Halbwertszeiten radioaktiver Stoffe als Beleg für die Unbeherrschbarkeit des Problems heran zu ziehen. Andere giftige Stoffe, wie Quecksilber, Blei oder Arsen haben keine Halbwertszeit. Sie sind immer giftig und dort spricht man nicht von einer Unbeherrschbarkeit der Stoffe und sieht keinerlei Problem in der Lagerung. Es ist nur so, dass man bei den einen über zehntausende Jahre spricht und bei anderen über die Ewigkeit schweigt. Aber das ist nur ein Symptom der politisch motivierten Unredlichkeit der Debatte.
Von der Sachfrage zur Machtfrage
Womit wir wieder bei der Politik wären. Dort dient die gesamte Debatte heute nur noch dazu, damit Lobbyisten Geld und Macht gewinnen können. Die Politik folgt keinerlei ethischer Maßstäbe mehr. Das sieht man nicht nur an dem Problem der Lagerzeiten. Man sieht es auch an der Politik der Leute, die den Atommüll zum menschheitsbedrohenden Problem erklärt haben.
Würden sie ihre eigene Rhetorik ernst nehmen, so würden sie alles tun zumindest eine schnellstmögilche Verbesserung der Situation herzustellen. Immerhin bedroht der Atommüll angeblich die gesamte Menschheit, oder zumindest die gesamte deutsche Bevölkerung. Sollte man nicht von diesen Menschen erwarten, dass sie konstruktive Beiträge zur Verbesserung der Situation bringen? Kritik an der angeblichen Unsicherheit des Zwischenlagers Gorleben gab es genug. Wo bleiben die Vorschläge, die Sicherheit zu verbessern? Immerhin würde sich damit die Gefahr verringern. Ich habe das übrigens schon einmal selbst getan. Ich frage mich nur immer, warum sie nicht von der anderen Seite kommen.
Man kritisiert auch die Unterbringung von Kastorbehältern an Kernkraftwerken und sagt, sie wäre noch unsicherer als das Zwischenlager Gorleben. Aber wieso blockieren dann die selben Menschen den Transport der Kastorbehälter dorthin?
Ach ja richtig, der Transport ist zu gefährlich. Die größte Gefährdung bestand aber zuletzt in Demonstranten, die den Schotter aus den Gleisbetten entfernten. Die Demonstranten führten eine noch größere Gefahr herbei als die Gefahr, gegen die sie demonstrierten. Das ist nichts anderes als die totale Instrumentalisierung der Angst zur Gewinnung von Macht. Die Macht wurde in den letzten Jahrzehnten aber ausschließlich dazu genutzt, jede Verringerung der Gefahren von denen man spricht zu verhindern.
Und darum geht es in der Debatte. Nicht um Sicherheit, sondern um Macht. Jede Verbesserung der Situation unterminiert die eigene Argumentation, dass alles unsicher ist. Jedes Eingeständnis, dass minimale Risiken überall existieren und akzeptiert werden und auch bei Atommüll akzeptiert werden können, unterminiert die eigene Position. Also fordert man das unmögliche: Die Abwesentheit jeder Unsicherheit und verhindert alles, was die eigenen (unmöglichen) Forderungen nicht erfüllt. Also alles.
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