Noch vor einem Jahr kündigte die ESA an, man hätte sich auf den lang geplanten Entwurf der Ariane 6 entgültig geeinigt. Sie sollte nur noch aus Feststoffraketen bestehen und das neue Wasserstofftriebwerk der Ariane 5 in der Oberstufe verwenden. Doch dann kam alles ganz anders.
Der alte Entwurf hat mit mehreren Problemen zu kämpfen. Das Konzept der Rakete war unflexibel. Sie sollte immer in einer Konfiguration mit drei Feststoffboostern in der ersten Stufe und einem weiteren in der zweiten Stufe fliegen. Nur bei der Oberstufe gab es eine gewisse Flexibilität. Die ist aber im allgemeinen noch der billigste Teil einer Rakete. Wenn man weniger Nutzlast transportieren will, dann würde man vorzugsweise bei den großen unteren Raketenstufen einsparen. Gleichzeitig hatte man keine Möglichkeiten vorgesehen, wie man die Leistung der Rakete bei Bedarf noch steigern kann.
Es gab eine Vorgabe für die Ariane 6 nach der sie 6,5t in den GTO bringen sollte, für den Transfer zum Geostationären Orbit. Dieses Gewicht basierte auf dem üblichen Gewicht kommerzieller Nachrichtensatelliten. Die Betreiber von Nachrichtensatelliten ziehen es vor, wenn es mehrere Raketen gibt die ihre Satelliten zu bezahlbaren Preisen starten können. Deswegen hat sich ein Quasi-Standard herausgebildet für Satelliten mit etwa 6 Tonnen Masse, die wahlweise mit der Proton, der Ariane 5 und der Zenit 3SL von SeaLaunch gestartet werden konnten.
Aber niemand sagt, dass das immer so bleiben wird. Mit dem alten Ariane 6 Konzept hätte man auf solche Änderungen nicht reagieren können. Nicht nur die ESA, sondern auch die ULA arbeitet an billigeren Raketen und für dieses Jahr war die Einführung der Falcon Heavy geplant. Es könnte sich also das bevorzugte Gewicht ändern und dann ist ein flexibles Konzept von Vorteil.
Dazu kam noch, dass man lange an einer Verbesserung der Oberstufe der Ariane 5 gearbeitet hat. Beim Umstieg auf eine kleinere Ariane 6 hätte man zwar das Triebwerk beibehalten können, aber eine völlig neue Stufe konstruieren müssen, zumal beim Flug der neuen Konstruktion auch andere Kräfte gewirkt hätten. Zu guter letzt wird das Vulcain Haupttriebwerk der Ariane 5 derzeit in Deutschland hergestellt und auch das half nicht bei der Zustimmung.
Also einigte man sich im letzten Jahr auf eine neue Variante, die jetzt beschlossen wurde. Im Prinzip ist es eine Neuauflage der Ariane 5, aber mit einer rationaleren Konstruktion. Die neue Rakete soll im liegen zusammengebaut werden, was schneller und billiger geht. Die Wasserstoff- und Sauerstofftanks sollen getrennt werden, bisher war es eine kompliziertere Konstruktion mit einem Tank mit einer Trennwand. Die beiden großen, 3-teiligen Feststoffbooster sollen jetzt zwei oder vier Feststoffbooster ersetzt werden. Die neuen P120 sind nur halb so groß wie die alten P241 Booster. Aber sie werden an einem Stück und in größerer Zahl hergestellt, was den Stückpreis reduzieren sollte. Dazu kommt noch, dass die Planung und Herstellung erstmals vollständig privatisiert werden soll.
Die Ariane 6 wird mit vier Feststoffboostern genauso leistungsfähig sein, wie es die verbesserte Ariane 5 sein sollte. Gleichzeitig hat man die Flexibilität für Starts in ungewöhnliche Orbits auch kleinere Nutzlasten zu starten, indem man auf zwei Booster (und die Kosten dafür) verzichtet. Es wird auch die Option diskutiert, später sechs Booster an der Ariane 6 zu befestigen und damit die Nutzlast noch zu erhöhen. Aber das würde eine andere Befestigung der Feststoffbooster erfordern und wahrscheinlich eine Verstärkung der Konstruktion.
Die neue Ariane 6 soll bis 2020 fertig sein und pro Flug nur 85 Millionen Euro kosten – halb so viel wie die Ariane 5, bei der gleichen Leistung. In der kleineren Variante soll auf 65 Millionen Euro kommen. Die Reduktion der Kosten ist so groß, dass sie mit einiger Skepsis betrachtet werden. Gleichzeitig gibt es nicht genug Informationen um sie seriös zu beurteilen. Das ist kein Problem der ESA, sondern eines der gesamten Raumfahrtbranche, in der Komponentenpreise und Kostenstrukturen praktisch nie öffentlich diskutiert werden.
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