Von der ARD gibt es eine Doku mit dem Namen “Das Märchen von der Elektromobilität”. Es ist ein so schlechtes Stück Fernsehen, dass man es leider als typisch bezeichnen muss.
Nach einer einminütigen Einleitung kommt ein über 3 Minuten hingezogenes Stück das dramaturgisch die Aussage darstellen soll, dass der E-Smart derzeit nicht mehr hergestellt wird und neue Lieferungen erst 2016 kommen sollen. Und das obwohl sich Daimler Benz als “weltweit führender Hersteller” von Elektroautos sieht. Das wird dann unterlegt von dunkler Musik.
Nächste Szene. Eine Berlinerin bekommt ein E-Auto (BMW i3). Was kommt ist eine 08/15 Szene der glücklichen Besitzerin, absolut ohne Informationsgehalt. Dann wird wieder dunkle Musik eingespielt und gesagt, dass E-Autos sie niemand kaufen will. Von über 8000 Autos wurden etwa 4000 auf Hersteller selbst zugelassen und nur 4800 gekauft.
Weil es noch niemand wusste, sagt man nun, es gibt über 20 Modelle von E-Autos, darunter auch Plug-in Hybride. Daraufhin kommt ein Werbeblock mit dem Typenschild eines Porsche Cayenne in Großaufnahme im Sonnenuntergang. Aber es war ganz bestimmt gerade kein anderer Plugin Hybrid greifbar und der Vorwurf der Schleichwerbung absolut nicht angebracht.
Kurz darauf eine Einstellung die Politiker und Konzernvorstände zusammen zeigt, unterlegt von James Bond Musik. Dazu ein paar Nullaussagen um auch ein paar Zitate zu haben. Kurz darauf natürlich der Experte. Ein Professor der sagt, dass das Ziel der Regierung von 1mio E-Autos bis 2020 (z.Z. 32000) unmöglich zu erreichen sei.
Da die Redaktion die Experten für die Interviews ohnehin danach aussucht, welche Aussagen sie schon getätigt haben, fragt man sich, welchen Zweck das haben soll. Wie immer im deutschen Fernsehen dient der Experte nur als Marionette. Der Experte sagt das, was die Redaktion ohnehin sagen wollte. Es gibt ganze Bücher von Interviewtechniken die nur darauf abzielen in einem Interview genau die Aussage zu bekommen, die man haben will.
Genauso klischeehaft geht es weiter. Eine Einstellung von Archivbildern, wie Angela Merkel irgendwo ankommt. Dazu der gesprochene Text “die Kanzlerin kommt”. Und sie trifft “die Bosse” und die Konzerne haben “nur eines im Sinn: Geld vom Staat”. Dann heißt es “Hinter verschlossenen Türen machen die Konzerne Druck” und die Kanzlerin bekäme das zu spüren. Schließlich sagt man noch, Konzerne behaupteten, dass die Politik an der schlechten Lage der Elektroautos schuld sei.
Daraufhin fragt man “Stimmt das?” Gefolgt von einem “Wir recherchieren” (Ob die deutschen Konzerne wirklich führend bei Elektroautos sind.) Liebe Redaktionen. Wenn Recherche etwas so besonderes ist, dass man es dramatisch in Szene setzen muss, dann läuft bei euch etwas falsch. Zumal bei der Recherche nur ein Vergleich der Weltmarktanteile der USA, Japans und Deutschlands in dem Sektor heraus kommt.
“Wir recherchieren” heißt also auf Deutsch übersetzt nur noch “wir googlen mal kurz”.
Umschnitt zurück zur neuen E-Autobesitzerin in Berlin. Die ist Drehbuchgerecht nicht mehr so glücklich. Anstatt der versprochenen bis zu 190km Reichweite, zeigt das Auto der Berlinerin nur 122km Reichweite an. Das wird wohl daran liegen, dass sie hauptsächlich in der Stadt und nicht im drei-drittel Mix fährt.
Darauf deutet auch das nächste hin. Man stellt den Ecomodus vor, der ohne Klimaanlage auskommt und das Auto auf 90km/h begrenzt. Aber Wetter ist augenscheinlich mild, die Klimaanlage wird ohnehin nicht gebraucht und in der Stadt werden keine 90km/h erreicht. Die Sparmaßnahmen des Ecomodus können also gar nicht greifen, weshalb er auch nur 2km mehr bringt. Was soll das?
Genauso schlecht geht es weiter. Denn der Preis des Autos ist zu hoch. In Frankreich seien die Autos viel billiger. Um “herauszufinden wieso” kommt dann die nächste Einstellung. Man “fährt nach Leipzig” um zu “recherchieren”. Man zeigt PR Aufnahmen aus der Produktion von BMW, für die man augenscheinlich nicht nach Leipzig gefahren ist. Wieso man diesen Textbaustein dann verwendet, ist mir ein Rätsel.
Während im PR-Video Roboter Autos zusammenkleben, sagt man, dass die Elektroautos aus teurem Karbon bestehen. Dafür könne man leichtere Batterien einbauen, was Geld spart. Das ist Unsinn. Selbst wenn man 20% Gewicht einspart, bringt das keine 20% Energieeinsparung mit sich. Ein Auto ist keine Rakete. Selbst im Stadtverkehr geht ein wesentlicher Teil der Energie durch Luftwiderstand verloren, auf den das Gewicht keinen Einfluss hat und gerade bei Fahrten auf langen Strecken ist das Gewicht fast egal. Eine 10% größere Batterie wäre mit Sicherheit billiger gewesen, als die teuren Karbonteile.
Dann behauptet man, die Fabrik wäre “billig” gewesen, mit Kosten von 400mio Euro. Das ist Bullshit. Ich habe “recherchiert” und gleich im ersten Treffer im Wikipediaeintrag vom BMW Werk Leipzig herausgefunden, dass das Hauptwerk dort 1200mio Euro gekostet hat. Gerade einmal die dreifache Menge. Dabei stellte das Werk schon im zweiten Jahr nach Eröffnung über 150.000 Autos her, während das angeblich billige Werk nur 16.000 BMW i3 herstellt. Pro Auto ist es über drei mal so teuer.
Damit ist schon geklärt warum der Preis so teuer ist. Die Herstellung ist so teuer. Ein großes Mysterium aufgeklärt, durch einen kurzen Besuch in der Wikipedia. Ach ja. Warum sind die Autos in Frankreich billiger? Weil man dort die Batterie nicht zusammen mit dem Auto kauft. Man mietet sie für einige Tausend Euro pro Jahr.
Nach BMW bekommt nun VW die gleiche Behandlung. Man stellt eine neue Testfahrerin vor, die einen eGolf fährt. Man beklagt sich darüber, dass das Auto genauso aussieht, wie ein normaler Golf. Man kann damit gar nicht angeben! WELCH SKANDAL! (Vielleicht nimmt man dafür doch lieber den Porsche Cayenne vom Anfang?)
Daraufhin dreht man mal wieder auf dunkle Musik und sagt die verheerenden Worte “wir recherchieren”. Es stellt sich heraus, dass alle Golfs – egal ob Verbrenner, Elektro- oder Hybrid in der gleichen Fabrik hergestellt werden. Man sagt auch, dass es so viel billiger ist. Aber die Hintergrundmusik spricht eine völlig andere Sprache. Die ist dunkel und böse.
Dabei macht VW alles richtig. Sie haben gar keine neue Fabrik nötig!
Als nächstes beklagt man sich, das Auto sei “nicht optimal”. Es wiegt 350kg mehr als ein normaler Golf. Aber: Alle E-Autos sind schwerer als Verbrenner, wegen der Batterien. Wieviel von dem zusätzlichen Gewicht auf die Batterie entfällt sagt man nicht. Aber als nächstes schneidet man wieder um zur Golfbesitzerin, die Probelme mit der Reichweite ihres Autos hat. Man verlangt, dass die Batterien wesentlich besser sein müssten.
Es folgen unendliche Litaneien über den Standort Deutschland, Kooperationen deutscher Hersteller mit Tesla und staatliche Subventionen, ohne jemals auf die Technik von Elektroautos konkret einzugehen. Man beklagt sich über eine Batteriefabrik die geschlossen wird. Über fehlende Schnellladestationen in Deutschland und über eine Schnelladestation, die 1,5 Stunden braucht um eine Batterie aufzuladen. (Dass die Lebensdauer der Batterien unter solchen Schnelladungen stark leidet, sagt man natürlich nicht.)
Insgesamt wird nun alles untermalt von depressiv dunkler Musik. So viel, dass ich mir das nicht noch einmal angetan habe um es hier detaillierter aufzuschreiben. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Aber zwischendurch kommt man zu so bahnbrechenden Erkenntnissen wie “Insgesamt zeigt sich, die Konzerne kassieren deutlich mehr, seit es staatliche Gelder für E-Autos gibt.”
Dann wird noch eine Verschwörung aufgedeckt, nach der die Autohersteller die EU-Richtlinien zur Bestimmung des CO2 Ausstoßes bestimmen würden. Von all den Beispielen die der Redaktion angeblich in “zahlreichen Dokumenten” vorlägen, wird aber nur eines gezeigt: Es wird für den maximalen CO2 Ausstoß eines Autos nicht eine Geschwindigkeit von 160km/h angenommen, sondern nur eine Geschwindigkeit von 145km/h. Dabei ist das für die EU absolut sinnvoll, denn außerhalb Deutschlands befindet man sich mit 145km/h überall jenseits aller Geschwindigkeitslimits. Wenn das der krasseste Fall war, dann können wir alle beruhigt sein.
Ganz zum Schluss, in den letzten 3 Minuten, wechselt die Musik plötzlich zu einem optimistischen Ton. Daimler und BMW – die bisher gescholtenen – haben angeblich ein optimales E-Auto entwickelt. Das hat eine Reichweite von 160km. (Der i3 vom Anfang hatte eine angegebene Reichweite von 190km.) Damit wäre es aber im Stadtverkehr nicht besser als der i3 oder der eGolf, bei denen man sich Anfangs noch über die zu geringe Reichweite beklagte. Nur gut, dass diese Angaben eine halbe Stunde zurück liegen und sich niemand mehr daran erinnert.
Dann nennt man noch einen Preis. Man sagt, er käme zu stande, wenn die Autos in Massenproduktion kämen. Das würde aber alle Autos billiger machen, auch die heutigen. Die geringen Stückzahlen sind das größte Problem. Man nimmt auch an, dass die Batterien noch billiger werden, wieviel fragt man aber nicht. Das würde dann aber auch für die heutigen Autos gelten und auch sie billiger machen. Irgendwie soll dann ein Preis von 16000 Euro heraus kommen.
Hier wäre ein guter Anfang für eine gute Dokumentation gewesen. Wirklich herauszufinden, welche Probleme es in der Technik, der Herstellung, der Wirtschaftlichkeit und so weiter gibt. Aber stattdessen kommt ein plattes “die Hersteller wollen nicht”. Von möglichen technischen und wirtschaftlichen Problemen bei der Umsetzung spricht man in der ganzen Dokumentation nicht. Sie ist ein rein politisches Stück.
Insgesamt ist der Film ein unsägliches Stück Propaganda. Es ist völlig egal welche Aussagen davon korrekt sind oder nicht, welchen ich zustimme und welchen nicht. Keine substantielle Aussage in dem Film wurde vernünftig recherchiert. Es wurde scheinbar bei der Recherche niemand, der sich mit der Technik von Elektroautos und ihrer Herstellung auskennt, OFFEN befragt. Damit ist gemeint, dass man keine Zielgerichteten Interviews führt, um die eine oder andere Aussage auf Video zu haben. Man hätte sich mit dem Ziel unterhalten müssen zu verstehen, was ein Elektroauto ist, wie es funktioniert, welche Grenzen es warum hat, wie es hergestellt wird, welchen Grenzen es warum in der Herstellung gibt und so weiter.
Stattdessen hat man das ständige Gefühl, dass man mit einer politischen Botschaft gestopft wird und das sorgt bei mir für einen intellektuellen Brechreiz.
Man verwendet Experten, Vorstände und Politiker als pure Video-Marionetten um Aussagen zu bringen, die der eigenen Überzeugung entsprechen. Man besitzt selten den Mut, selbst substantielle Aussagen zu bringen. Wenn man es tut, meist mit dem vorangesetzten Satz “wir recherchieren”, dann kommt man zu Resultaten die oberflächlich richtig erscheinen, aber tatsächlich falsch sind.
Das wäre leicht mit der Annahme zu erklären, dass sich die Redakteure mit dem Thema nicht auskennen und sich in kurzer Zeit darin einlesen mussten. Menschlich gesehen ist es keine Schande unter solchen Umständen schwere Fehler zu machen, Dinge falsch zu verstehen und falsche Schlüsse zu ziehen. Das ist normal und passiert mir auch.
Aber wenn man eine Dokumentation für die ARD dreht, dann muss man genau deswegen so konsequent sein zu sagen: “Tut mir leid, mit Elektroautos kenne ich mich nicht aus. Lasst das einen anderen machen, oder stellt mir jemanden zur Seite, der sich auskennt.” Auf keinen Fall sollte man ohne sachliche Kenntnis von irgendeiner Materie wertende oder gar politische Aussagen treffen – schon gar nicht, wenn man dabei auf der gesamten Klaviatur der filmischen Überzeugungskunst spielt.
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