Der Bau möglichst hoher Gebäude hatte schon immer eine gewisse Faszination. Man kennt sie schon von der alten Geschichte des Turmbaus zu Babel. Dabei kommt es in halbregelmäßigen Abständen zu dem Wettlauf um das jeweils höchste Gebäude oder die höchste Struktur der Welt.
Die letzte Runde hat der Burj Khalifa mit über 800m Höhe für sich entschieden. Dabei ist der schon fast langweilig. Ein reicher Staat legt $1,5 Milliarden auf den Tisch und bekommt dafür das höchste Gebäude der Welt. (Spekulationen um … Ursachen … verbitte ich mir!)
Interessanter sind da schon Radiomasten, bei denen eine größere Höhe vor allem eine größere Reichweite des Senders mit sich bringt. Vor allem in den dünn besiedelten Gebieten der USA gibt es einige der größten Masten der Welt. Deren Höhe wird heute allerdings von der amerikanischen Flugaufsichtsbehörde auf 2000 Fuß begrenzt, also etwas mehr als 600 Meter. Bevor die Regel in Kraft trat wurden die Masten einiger Fernsehsender knapp höher als diese Größe gebaut. Namentlich KVLY (628,8m), KRDK (627,8m) und KXTV/KOVR (624,5m). In den 60er Jahren kosteten solche Türme noch etwa eine halbe Million Dollar, aber wegen der Inflation sind es heute etwa 4 Millionen. Beim Bau des KVLY Masts waren 11 Leute beteiligt, die den Mast in 33 Tagen gebaut haben.
Wie so etwas gebaut wird, sieht man hier sehr gut am Beispiel eines 450m hohen Masts in Florida (wenn auch mit scheußlicher Musikuntermalung):
Man befestigt einen Kran an dem unfertigen Mast, mit dem man die einzelnen Elemente Stück für Stück an den obersten Punkt bringt und dort jeweils verschraubt. Damit der Mast aufrecht bleibt werden Stahlseile an den Seiten befestigt, die den Mast auch bei Wind aufrecht halten müssen.
Man sollte sich übrigens nicht über die winzige Standfläche wundern, auf der der Mast ruht. Selbst die 600m Masten wiegen weniger als 400 Tonnen und dieser hier ist noch leichter. Stahl hält aber Kompressionen von einigen hundert bis deutlich über 1000 MPa stand. Als Beispiel: 400 MPa entsprechen der Gewichtskraft von 40.000 Tonnen auf einem Quadratmeter.
Es ist übrigens erst einmal ziemlich schwer konkrete Angaben zur Kompressionsfestigkeit von Stoffen zu finden, die kein Holz, Beton, Ziegelsteine oder Gestein sind. Schon eine Aufstellung von verschiedenen Metallen oder gar verschiedener Stahlarten konnte ich trotz einiger Stunden Suche nicht finden. Bis ich hier auf den sehr hilfreichen Hinweis gestoßen bin, dass die Kompressionsfestigkeit der meisten Metalle ungefähr genauso groß wie deren Reißfestigkeit ist.
Die maximale Höhe eines Turms hängt damit nur davon ab, wieviel Material übereinander stehen kann, bevor der Druck unten zu groß wird. Man kann es naiv angehen. Die Dichte von Stahl beträgt etwa 8 Tonnen pro Kubikmeter. Wenn man jetzt einen einfachen langen Zylinder immer nach oben baut, dann steigt der Druck auf der Grundfläche mit jedem Meter um 8 Tonnen. Wenn man einfachen Stahl mit 250MPa Festigkeit benutzt, dann erreicht man so die Grenze bei etwa 3km Höhe. Wenn man im unteren Bereich sehr festen Stahl mit 1000MPa benutzt, dann kommt man schon auf 12km Höhe, ohne dass der Stahl unten nachgeben würde.
Natürlich wird man solche Höhen nicht erreichen, wenn man nicht nur vor hat, den Turm an sich zu bauen. Dann muss die Stahlstruktur zusätzlich noch Büros, Swimmingpools oder Marmorpaläste tragen und kann nicht mehr so groß sein.
Was viel eher nachgibt als der Stahl, ist der Boden. Deswegen müsste man die Kraft auf eine größere Fläche verteilen. Das geht. Man muss nur allmählich die Fläche verbreitern. Aber wenn man die Kraft am Boden auf eine größere Fläche verteilen kann, dann kann man auch die Kraft des Turms auf eine größere Fläche verteilen. Man macht den Turm unten breiter als an der Spitze. Dann wiegt der Turm oben weniger und übt weniger Druck auf die unteren Teile aus.
Auf diese Weise kann man eine Turm beliebig groß bauen, wenn man ihn unten nur beliebig breit baut. Wen das jetzt an die Raketengleichung erinnert, der liegt richtig. Auch dort kann man beliebig große Geschwindigkeiten erreichen, wenn man nur die Rakete groß genug baut. Was dort der spezifische Impuls ist, ist hier die spezifische Festigkeit des Stoffs. Denn eigentlich geht es ja gar nicht darum, wieviel Druck der Stoff standhalten kann. Denn der Druck dem der Stoff standhalten muss, hängt hauptsächlich davon ab, wieviel der Stoff selbst wiegt. Deswegen hilft uns hier auch Aluminium nicht weiter. Das ist zwar leichter, hält aber etwa im gleichen Maß auch weniger Druck stand.
Wie hoch geht es?
Die genauen Formeln kann man hier auf Arxiv unter “Optimal Solid Space Tower” von Alexander Bolonkin durchlesen, der sich auf solche Konzepte spezialisiert hat. Auf Konzepte des gleichen Autors wird übrigens auch in dem Patent zum 20km Turm verwiesen.
Die Querschnittsfläche des Turms muss exponentiell mit der Höhe abnehmen. Alle x Kilometer muss sich die Fläche halbieren. Bei ihm liegt das x für reinen Stahl erstaunlicherweise bei etwa 35km.
Den Fehler sieht man, wenn man seine Angaben zur Kompressionsfestigkeit von Stahl überprüft. Er nimmt an, dass die Kompressionsfestigkeit der meisten Stoffe das dreifache der Reißfestigkeit beträgt. Scheinbar hatte er die gleichen Probleme wie ich, an vernünftige Werte heran zu kommen und nahm dann irgendetwas. Jedenfalls kommt er so auf eine Kompressionsfestigkeit von nicht weniger als 4000MPa. (Er geht dabei von einem sehr optimistischen Wert für die Reißfestigkeit von Cr40 Stahl aus.)
Das ist um einen Faktor 4 zu groß. Es gibt immerhin noch ein paar hochfeste Maraging-Stähle die auch auf etwa 2000MPa kommen und zum Beispiel in Zentrifugen zur Urananreicherung verwendet werden. Ihre Herstellung und Ausfuhr ist deswegen 2009 beschränkt wurden.
Zum Glück skaliert x linear mit der Druckfestigkeit. Anstatt alle 35km würde sich die Fläche etwa alle 8km halbieren. Realistischer sind aber 4km, denn man braucht Sicherheitsmargen und nicht das gesamte Material dient nur dazu das Gewicht von Oben abzustützen.
Vom Wind verweht
Um einen so dünnen Turm aufrecht zu halten, muss man ihn mit Seilen abspannen. Auch die haben eine gewisse Masse und erhöhen somit den Druck auf die Basis des Turms. Hier bietet sich immerhin eine Einsparmöglichkeit. Bei den heute üblichen Türmen werden dafür Stahlseile verwendet, man könnte aber auch Kevlar benutzen, das im Vergleich zu seinem Gewicht sehr viel stärker ist. Allerdings kommen diese Seile in der Berechnung von Herrn Bolonkin nicht vor. Man braucht die Seile hauptsächlich um den Turm vor Windlasten zu schützen und auch Wind spielt bei ihm keine Rolle. Allerdings werden die Windlasten auf einem großen Turm auch im Verhältnis zur Masse des Turms kleiner sein, als bei den Antennentürmen.
Denn die Windlast ist abhängig von der Windangriffsfläche. Die Fläche ist linear abhängig vom Radius des Turms. Die Masse und die Tragfähigkeit eines Turms steigt aber mit dem Quadrat des Radius. Während man doppelt so starke Seile braucht um die doppelte Windlast abzufangen, hat der Turm insgesamt die vierfache Masse. Das Gewichtsverhältnis halbiert sich also. Um so massiver der Turm ist, um so weniger spielt der Wind eine Rolle.
Hier liegt auch der große Schwachpunkt des Plans mit dem aufblasbaren Turm. Aus Sicht der Statik dürfte der viel besser funktionieren als der massive Turm den ich hier beschrieben habe. Der Gasdruck verwandelt die Druckkräfte in Zugkräfte an der Außenwand der Druckblasen. Diese Zugkräfte könnte man dann mit dem viel stärkeren und leichteren Kevlar aufnehmen. Dazu käme noch die Auftriebskraft, wenn man die Behälter mit Helium oder Wasserstoff füllt. Allerdings ist ein gasgefüllter Sack mit hauchdünner Außenhaut auch dem Wind schutzlos ausgeliefert. Die Kräfte wären im Vergleich zum Gewicht immens groß. Trotzdem erwähnt er den Wind in seinem Paper zum aufblasbaren Turm mit keinem Wort.
Wie hoch genau man so einen Turm bauen kann, ob aufblasbar oder nicht, traue ich mich nicht zu sagen, ohne mit einem Bauingenieur gesprochen zu haben. Fest steht jedenfalls, dass die Antennenmasten in den USA mit etwas über 600m nicht im Ansatz die absoluten Grenzen der physikalischen Möglichkeiten austesten und im wesentlichen den Grenzen der Flugaufsichtsbehörde gehorchen. Es geht also noch deutlich höher. Fest steht auch, dass man mehrere Tonnen Gewicht auf diese Masten bringen kann. Allein die Antenne auf der Spitze des Masts von KVLY wiegt 4 Tonnen.
Bei garantierter Windstille ginge sicher noch viel mehr, es darf dann nur keine unerwartet starke Böe aufkommen. Wenn es darum geht Raketen zu starten, könnte man sich das Wetter immerhin aussuchen. Aber das wird wohl nicht passieren. Denn an der Stelle wird es Zeit, sich an die Konstruktionskosten des 600m Masts zu erinnern. 4 Millionen Dollar. Um in einigermaßen diskutable Höhen zu kommen, müsste der Turm aber zehn mal so hoch sein. Außerdem sollte der Turm doch wenigstens die zehnfache Tragfähigkeit haben. Auch wenn die Elektron, eine der kleinsten Raketen der Welt, nur 10t wiegt. Besser noch die hundertfache Tragfähigkeit um auch große Raketen von dort starten zu lassen.
Selbst wenn wir ganz naiv sagen, dass die zehnfache Höhe zu den zehnfachen Kosten führt und die hundertfache Nutzlast auch nur die Kosten verhundertfacht, hätten wir es mit einem 4 Milliarden Dollar Projekt zu tun. Realistisch wären es wohl noch viel größere Summen. Denn man muss viel mehr tun als einfach nur die tausendfache Menge Stahl zehnmal so hoch zu stapeln. Von 20km Höhe wäre man immer noch weit entfernt.
Die Grenze ist hier nicht das Material oder Physik, sondern die reine Vernunft.
Aber was, wenn ein reicher Mensch fragt, ob man einen 5km oder 10km hohen Antennenmast bauen sollte, einfach weil es geht? Dann vergesst die Vernunft und sagt: Ja! Den will ich unbedingt sehen!
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