Letzte Woche stand ich vor einer Museumsvitrine und sprach in ein Mikrofon. Zumindest das letztere ist in letzter Zeit nichts ganz so ungewöhnliches mehr. Aber bei dem was ich dort sagte, lag ich halb falsch.

Es ging um die Herstellung von Eisen. Mein Glück war, dass sich die Ausstellung dort komplett um Europa drehte. Nur deshalb war das folgende dann doch nicht so verkehrt. Ich sagte nämlich, dass man damals nicht in der Lage war, das Eisen zu schmelzen. Der Prozess dazu wurde in Europa tatsächlich erst im Hochmittelalter im 12. Jahrhundert bekannt.

Deshalb machte auch der Rest der Geschichte Sinn, denn ich erzählte unablässig davon, wie viel Arbeit die Herstellung von Eisen machte. Auch wenn man Eisen nicht schmelzen kann, kann man Eisenerze verhütten. Es reicht aus, eine heiße kohlenmonoxidreiche Umgebung zu schaffen und schon wird das Eisenoxid im Erz zu Eisenmetall reduziert. Wenn man es aber nicht schmelzen kann, dann bleibt in dem entstehenden Eisenklumpen viel Schlacke und restliches Eisenoxid zurück. Genau das kommt die viele Arbeit ins Spiel. Denn um die Verunreinigungen aus dem Eisen heraus zu bekommen, muss man es aufheizen und unablässig hämmern. Früher oder später kommen die Verunreinigungen an den Rand des nicht-so-ganz-wirklich-weichen Eisens und werden dabei heraus gehämmert.

Das Eisen das man dann hat, ist noch dazu ziemlich weich, es ist kein Stahl. Um Stahl zu bekommen braucht das Eisen einen höhere Kohlenstoffgehalt. Tatsächlich kann man mit Hitze und viel Zeit dafür sorgen, dass Kohlenstoff von außen in das Eisen hinein diffundiert und so das Eisen zu Stahl härtet. Dazu muss Kohlenstoff vorhanden sein und nicht zu viel Sauerstoff. Aber das ist eine andere Geschichte.

Denn mit mehr Hitze kann man Eisen schmelzen. Bei etwa 1300 Grad verbindet sich das Eisen recht schnell und bereitwillig mit Kohlenstoff. Kohlenstoff ist in einem Hochofen reichlich vorhanden, in Form von (Holz-)Kohle. Eine Mischung von Eisen und etwa 4% Kohlenstoff hat den niedrigst möglichen Schmelzpunkt und stellt sich damit fast von allein ein, wenn die Temperatur erreicht wird.

Diese Temperaturen wurden bei der Eisenherstellung im 12. Jahrhundert unserer Zeit zum ersten Mal in Europa erreicht. Ein ganz klein wenig früher schon in China. Und zwar im 5. Jahrhundert – vor unserer Zeitrechnung. Insofern lag ich dann doch um knapp zwei Jahrtausende daneben. Upps.

Warum ist Gusseisen so eine tolle Sache? In geschmolzenem Eisen setzt sich die Schlacke (durch diverse Zuschlagstoffe) von allein ab und das Eisen aus dem Ofen ist damit ziemlich rein. Man muss es nur noch in die passende Form gießen und fertig. Kein endloses Hämmern mehr bis das Eisen rein ist und kein fast genauso endloses Hämmern mehr, bis das Eisen in die richtige Form gebracht wurde. Einfach Gussform in den Sand bringen, Eisen rein, warten, Sand raus, fertig.

Das Resultat ist freilich ein Eisen mit hohem Kohlenstoffgehalt. Man könnte es nicht mehr in Form hämmern. Denn beim Abkühlen bildet sich eine Eisenkarbidverbindung, die das Gusseisen sehr hart, aber auch spröde macht. Einmal in der Form, kann es nicht mehr verändert werden. Anstatt es in Form zu hämmern, könnte man es nur zerbrechen. Für viele Aufgaben, von Pflügen bis Kochgeschirr, ist es aber gut geeignet.

Außerdem kann man den Kohlenstoffgehalt dann doch noch manipulieren. Aus dem kohlenstoffreichen Gusseisen kann man einen weniger kohlenstoffreichen Stahl oder sogar reines Eisen machen. Das funktioniert genau umgekehrt wie die Herstellung von Stahl aus Eisen. Auch hier braucht man wieder viel Zeit und hohe Temperaturen, allerdings auch viel Sauerstoff aus der Luft. Der Sauerstoff oxidiert den Kohlenstoff im Gusseisen. Der Kohlenstoff verschwindet und zurück bleibt ein etwas weicherer und viel zäherer Stahl mit weniger Kohlenstoff.

In Japan wurde der Prozess benutzt um mit viel Aufwand (und viel zusätzlich verbrauchter Kohle) auch gusseiserne Gefäße mit feinen Verzierungen versehen zu können und wird hier sehr gut beschrieben. Die gut gebettete Oberschicht der Samurai, die hierzulande so verehrt wird, musste sich schließlich irgendwie von der einfachen Bevölkerung absetzen, deren besche..eidenes Leben im ach so zivilisierten Japan (bevor die Europäer kamen und diese Utopie zerstörten) in Europa vorzugsweise verschwiegen wird.

Bilder und mehr Details zur historischen Herstellung von Gusseisen gibt es hier, in einem Manuskript zu einem Vortrag “Cast Iron in China and Europe” von Donald B. Wagner.

Kommentare (9)

  1. #1 Turi
    5. September 2015

    Gusseisen ist nicht umbedingt Härter als Stahl. Es hat nur einen E-Modul von 75 – 140 GPa, wohingegen Stahl einen E-Modul von ~210 GPa hat. Härte und E-Modul gehen meist Hand in Hand.
    Es gibt zwar sehr weiche Stähle, die weicher sind als die härtesten Gusseisen, aber im Schnitt ist ein Stahl härter

    Es stimmt das Gusseisen aus Austenit (gamma Eisen) und Zementit (FeC3) besteht, das gilt aber in gleichen Maße für austenitische Stähle. Anders als im Stahl gibt es im Gusseisen aber Kohlenstoffausscheidungen. Nur weißes Gusseisen enthält stattdessen FeC3 Ausscheidungen. Bei weißem Gusseisen
    handelt es sich auch um die besonders harten Gusseisen.
    Durch Wärmebehandlung kann dann das Gusseisen noch besser bearbeitbar und fester gemacht werden, wobei dafür Härte geopfert wird. Dabei verschwinden aber auch die FeC3 Ausscheidungen.

    Austenitische Stähle (Kohlenstoffgehalt 0,8 % bis 2,11 %) besitzen ein viel feineres Gefüge als Gusseisen, welches wesentlich besser als das grobe Gefüge des Gusseisens in der Lage ist, Versetzungen zu behindern. Die Kohlenstoff- oder FeC3-ausscheidungen sind nicht ausreichend um diesen Nachteil wett zu machen.
    Nach richtiger Wärmebehandlung wandeln sich austenitsche in martensitische Stähle um, welche zu den härtesten Stählen überhaupt gehören, da dort das Gefüge nochmal feiner wird.
    Bei den weichen Stählen handelt es sich um ferritische Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt von unter 0,8 %. Diese bestehen aus einem Gefüge von Ferrit (alpha Eisen) und Zementit.

    Das ganze wird sehr viel komplizierter, wenn man jetzt noch Legierungen in Augenschein nimmt. Dann lassen sich auch Mischformen herstellen. Allerdings ist die präzise Legierung von Metallen und die dafür meistens notwendige Wärmebehandlung jung im Vergleich zur Entdeckung von Eisen.

    Quellen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Elastizit%C3%A4tsmodul
    https://de.wikipedia.org/wiki/Eisen-Kohlenstoff-Diagramm
    Donald R. Askeland: Materialwissenschaften, Spektrum Verlag.

  2. #2 Turi
    5. September 2015

    Mir ist gerade klar geworden, dass ich einen Wall of Text über einen Nebensatz geschrieben habe, den ich auch noch überinterpretiert habe. Dieser besagt gar nicht, das alle Stähle weicher sind als Gusseisen, nur die Stähle, die aus dem Gusseisen durch Entkohlung entstehen.
    Entschuldigung dafür.

    • #3 wasgeht
      5. September 2015

      Ist in Ordnung. Zumal ich mich in der Beziehung absichtlich zurückgehalten habe, eben weil ich weiß, dass ich davon nicht genug Ahnung habe.

      Also Danke für die Erklärung.

      P.S.: Ganz abgesehen davon, der ganze ARTIKEL ist eine Wall of Text über einen Satz, der mir rausgerutscht ist. Insofern bist du also voll beim Thema!

  3. #4 Lavach
    5. September 2015

    War aber interessant zu lesen, Turi – so wie der Artikel. Dank an euch beide.

  4. #5 MartinB
    5. September 2015

    @Turi
    Wenn wir jetzt schobn über nebensätze in einem Artikel über einen nebensatz reden, dann greife ich jetzt noch einen Nebensatz aus deinem text raus (Yay, meta²):
    “martensitische Stähle um, welche zu den härtesten Stählen überhaupt gehören, da dort das Gefüge nochmal feiner wird.”
    Hinzu kommt, dass der zwangsgelöste Kohlenstoff in der ferritischen Phase (wo die Löslichkeit für C wesentlich kleiner ist als im Austenit) die kubische Kristallzelle tetragonal verzerrt – diese innere Verspannung des Gitters trägt massiv zur extremen Festigkeit (aber auch Sprödigkeit) bei.
    Und als Literatur empfehle ich natürlich nicht den Askeland, sondern das Buch “Mechanisches Verhalten der Werkstoffe”, das ist viiiieeeeel toller ;-)

  5. #6 Turi
    5. September 2015

    @MartinB
    Als Übersichtsbuch ist der Askeland sehr angenehm (und ich habe ihn hier bei mir zu Hause). Aber ich hatte auch schon Mechanisches Verhalten von Werkstoffen in der Hand, ein sehr gutes Buch :D

  6. #7 MartinB
    5. September 2015

    @Turi
    Freut mich. Du darfst auch gern einen entsprechenden Kommentar bei Amazon hinterlassen ;-)
    Mir war der Askeland immer ein bisschen zu oberflächlich.

  7. #8 demolog
    5. September 2015

    Als ich neulich nach der ersten Erzeugung fragte, war ja Stahl gemeint. Geschmiedeter Stahl, nicht Gusseisen.

  8. #9 BreitSide
    Beim Deich
    5. September 2015

    Hach, der Professor Martensit :-D – nee, der hieß Macherauch…

    Der hatte in einer Doppelstunde 6 Tafeln eng beschrieben. Oder war das der Vöhringer?

    Das mit der späten Erfindung des Gusseisens hatte ich nicht gewusst. Im Nachhinein ist das natürlich logisch… again what learned, danke!