Manche Probleme tauchen in der gleichen Form immer wieder auf. Darunter auch die Frage, ob uns nicht irgendwann irgendein wichtiger Stoff für irgendetwas ausgeht. Die Frage habe ich schon einmal hier im Blog besprochen, jetzt möchte ich das gleiche einmal hier für Uran tun.
Die Befürchtung, dass eines Tages das Uran ausgehen wird, ist so alt wie die Kernkraft selbst. Tatsächlich waren diese Befürchtungen am Anfang sehr viel stärker, als man in den USA der 50er und 60er Jahren noch von einem exponentiellen Anstieg des Energiebedarfs in allen Formen ausging. Seit den 70er Jahren gibt es diesen Anstieg nicht mehr. Damit änderte sich natürlich auch die Einschätzung der Lage. Die bekannten Vorkommen würden nach der neuen Einschätzung über 100 Jahre reichen. Mit dem Ende des kalten Krieges in den 90er Jahren kam noch dazu sehr viel ehemals sowjetisches Uran aus der Waffenproduktion auf den Markt. Parallel dazu wurden auch die Forschungsgelder für die Entwicklung neuer Kernreaktoren zusammengestrichen, die eine viel effizientere Nutzung des Urans ermöglicht hätten.
Konservativen Abschätzungen gehen davon aus, dass Kernreaktoren nur etwa 0,5% der gesamten Uranmasse für die Energieerzeugung nutzen. Das gilt aber nur, wenn man keinerlei Anstrengungen unternimmt das Uran möglichst gut auszunutzen. Durch die Benutzung besserer Reaktoren wie dem EPR und Aufarbeitung der Brennstäbe kann man die 4-5 fache Menge Energie erzeugen. (Der EPR ist ein Druckwasserreaktor, aber mit einigen Optimierungen hat man die Brutquote von 50-60% auf 80% steigern können. Das heißt, dass dort nur noch 20% des gespaltenen Materials U-235 sind, statt der üblichen 40-50%.)
Die bekannten Vorkommen werden von den Berichten der OECD beim Uran unterteilt in Gruppen, je nach Kosten für den Abbau. Die höchste Gruppe hat Kosten von $50-100 pro Pfund, oder $130-260 pro kg. Je nach Wechselkurs sind das im langjährigen Schnitt etwa 200 Euro/kg. Das ist aber schon weit über dem Marktpreis, der mit wenigen Ausreißern weit unter $100/kg schwankt. Entsprechend wenig enthusiastisch geht man bei der Suche nach weiteren Vorkommen der hohen Preiskategorie vor.
Aus Sicht der Energieerzeugung ist der Preis für das Uran damit völlig unerheblich. Mit der Spaltung von 1kg Uran kann man etwa 8 Millionen kWh Strom erzeugen. (Bei einer Effizienz von ~38%, je nach konkretem Kraftwerk ist es etwas mehr oder weniger.) Selbst wenn man nur 0,5% des Urans benutzt, reicht das immer noch für 40.000 kWh pro kg. Mit aktuellen Druckwasserreaktoren und Aufarbeitung der Brennstäbe könnte man den Wert bis auf 200.000kWh steigern, mit optimierter Anreicherung auch noch mehr.
Je nach Marktpreis wird das Uran heute von 0,7% bis auf 0,2% oder 0,3% abgereichert. Bei höherem Preis könnte man auch noch weiter abreichern. Inzwischen werden teilweise auch die übriggebliebenen “Tailings” aus den 90er Jahren wieder angereichert, als der Uranpreis wegen Uran aus dem russischen Kernwaffenprogramm extrem niedrig und die Kosten für die Anreicherung in den veralteten amerikanischen Anlagen sehr hoch war. Bei höheren Preisen würde man die Ausbeute wohl weiter optimieren.
Aber auch ohne all das würde das Uran am oberen Ende der $260/kg Kategorie nur Kosten von einem halben Cent pro kWh verursachen. Mit Aufarbeitung der Brennstäbe wären es nur noch 0,1 ct/kWh. Bevor der Uranpreis mehrere Cent zum Strompreis eines konventionellen Kernkraftwerken beitragen würde, müsste er auf weit über $1000/kg steigen. Dann würde man aber anfangen schnelle Brüter zu bauen oder verstärkt auf Thorium zu setzen.
Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man den OECD Bericht liest. Der gibt die aktuellen Reserven für Preise bis $260/kg mit über 7,5mio Tonnen an (S.22 des pdf, die Seitenzahl auf der Seite ignoriere ich). Aber wenn man sich die Aufstellung der Mengen nach Preisen auf S. 28 anschaut, dann findet man der oberen Preiskategorie erstaunlich wenige Vorkommen.
Das liegt nicht daran, dass Uran nur billig oder gar nicht vorkommt. Es liegt daran, dass man Uran nur dort sucht, wo man auf billig abbaubare Vorkommen hofft. Nach teuren Vorkommen sucht man hauptsächlich in Ländern, die danach aus strategischen Gründen suchen. Indien ist so ein Fall. Dort gibt es nur kleine, teuer abzubauende Vorkommen von Uran. Dafür hat Indien große Vorkommen an Thorium, das dort heute schon in den Kernreaktoren benutzt wird. (Angereichertes Uran wird dort benutzt um die Kettenreaktion in Gang zu bringen, das aus Thorium erbrütete Uran trägt aber einen großen Teil dazu bei, sie länger in Gang zu halten.)
Die 7,5mio Tonnen Uran reichen beim derzeitigen Verbrauch für weit mehr als 100 Jahre. Aber selbst diese Zahlen sind nicht fix. Beim Report davor waren es noch über 10mio Tonnen, weil beim aktuellen Report keine Zahlen von den USA gemeldet wurden. Die betrugen zuletzt etwa 3mio Tonnen, werden aber gerade neu eingeschätzt und damit fielen die Vorkommen ganz heraus. Sie hätte auf die aktuelle Situation ohnehin keinen Einfluss.
Der niedrige Marktpreis und die großen Reserven relativ billig zu förderndes Uran führen dazu, dass weder nach teuren Vorkommen noch nach billigeren Abbaumethoden gesucht wird. Es ist wie beim Erdöl. Über Jahrzehnte waren dort Vorkommen von Ölsanden und Schieferöl bekannt, aber sie wurden nicht gesucht, nicht zu den Reserven gezählt und auch kaum Anstrengungen für den Abbau unternommen. Wegen der großen Vorkommen anderswo und den niedrigen Preisen gab es dafür sehr lange Zeit keinen Grund. Inzwischen hat man die Technik so weit entwickelt, dass man Schieferöl teilweise profitabel für unter $30/Barrel fördern kann.
Allein die im Bericht genannten Vorkommen von Uran in phosphorhaltigem Gestein und Schiefer liegen im Bereich einiger zig Millionen Tonnen. Die gesamte Menge von Uran in solchen und ähnlichen Vorkommen sind nach Schätzungen von Geologen (S.10) etwa 100-1000 mal so groß wie die zur Zeit für den Abbau untersuchten Vorkommen. Dazu kommen noch etwa 4,5 Milliarden Tonnen Uran im Meerwasser. Für die Gewinnungskosten gibt es verschiedene Abschätzungen. Die niedrigen liegen bei etwa $300/kg, die höheren bei etwas über $1000/kg. Bei aktuellen Marktpreisen ist das nicht im Ansatz profitabel. Es wird entsprechend in den einschlägigen Abschätzungen der Vorkommen kaum angesprochen. Aber die Kosten sind nur zu hoch für den Uran-Weltmarkt, nicht für die Energieerzeugung. Selbst bei relativ pessimistischen 100.000kWh/kg würde Uran aus Meerwasser für 1000 Euro/kg nur ein Cent pro kWh zum Preis beitragen.
Wenn heute gesagt wird, dass die Vorkommen eine Reichweite von 120 Jahren haben (oder was auch immer), dann heißt das nicht, dass es dann kein Uran mehr in der Erde gibt. Ganz abgesehen davon ist das heute verschwenderisch “verbrauchte” Uran nicht weg. Es ist immer noch in den gebrauchten Brennstäben und abgereichertem Uran, dem sogenannten Atommüll, enthalten. Mit passenden Reaktoren könnte man es jederzeit wieder verwenden und das 200fache der Energiemenge erzeugen, die man bereits erzeugt hat, ohne auch nur eine Tonne Erz fördern zu müssen.
Mit einer Tonne Uran kann man etwa ein Jahr lang ein GW Strom erzeugen. Die ganze Welt verbraucht derzeit knapp 2500GW Strom. Die vorhandene Menge von Uran geht in die zig Milliarden von Tonnen, entsprechend wird uns das Uran auch in hunderttausenden Jahren nicht ausgehen, selbst wenn man Strom aus nichts anderem erzeugt (was ich nicht empfehlen würde).
Damit sollte diese Frage entgültig beantwortet sein.
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