Die Medien haben eine Reihe von Marotten. Dazu gehört es, Dinge auszuschließen, die nie wirklich ausgeschlossen werden mussten. Ein gutes Beispiel dafür liefert heute der Guardian ab.
Japanese volcano Mount Aso on island of Kyushu erupts
Volcano sends plume of ash and smoke 2km into the air as Japanese power company says the recently restarted Sendai nuclear plant would be unaffected
Der Guardian ist natürlich eine englische Zeitung, aber in den deutschen Medien sieht man das gleiche Prinizip. “Japanischer Vulkan Aso bricht auf der Insel Kyushu aus. Der Vulkan stieß Asche und Rauch 2km in die Luft, während der japanische Betreiber sagt, das wieder in Betrieb genommene Kernkraftwerk Sendai wäre nicht betroffen.”
Die Faktenlage sieht so aus, dass das Kraftwerk nicht betroffen ist. Völlig egal ob es der Betreiber des Kernkraftwerks oder der Dalai Lama sagt. Das sieht man schon auf der Karte die dem Artikel beiliegt. Der Vulkan ist 160km von dem Kraftwerk entfernt. Das ist in der Skala praktisch aller Vulkanausbrüche lächerlich weit weg. Wer möchte, kann sich dazu nochmal meinen Artikel zum Sakurajima durchlesen. Ein anderer Vulkan auf der gleichen Insel, der nur 50km entfernt ist.
Aber man kann sich der Sache auch ganz anders nähern.
Ist es sinnvoll, sich bei einem solchen Vulkanausbruch zuerst Sorgen um die Sicherheit des Kernkraftwerks zu machen? Nehmen wir das Szenario einmal ernst.
An dem Punkt, an dem die Sicherheit eines Druckwasserreaktors ernsthaft gefährdet ist, wären sämtliche Wohngebäude der Umgebung zerstört – kollabiert unter der Last der Asche. Eine Eruption die in dieser Entfernung eine Bedrohung für ein Kernkraftwerk darstellt, würde eine ganze Reihe von Präfekturen auf der Insel Kyushu komplett vernichten. Schließlich fällt die Asche nicht nur auf das Kernkraftwerk, sondern auf die gesamte Umgebung des Vulkans. Noch dazu steht der Vulkan Aso ziemlich zentral auf der Insel. Die Insel ist nur etwas kleiner als die Niederlande, aber fast genauso dicht besiedelt.
Sollte in dieser Situation ausgerechnet dem Kernkraftwerk die erste Sorge gelten? Was ist mit den 13 Millionen Einwohnern der Insel?
Bei einem ausreichend großen Ausbruch wären hunderttausende, vielleicht einige Millionen, in einer Gegend in der man von einer vollständigen Tötung aller verbliebenen Einwohner ausgehen müsste. Nur durch Zufall würden einzelne Bewohner von mehreren Metern Vulkanasche nicht getötet werden. Ironischerweise hätte die Provinz Kagoshima, ganz im Süden mit dem Vulkan Sakurajima, noch die besten Chancen davon zu kommen.
Anstatt zu fragen ob das Kernkraftwerk betroffen ist oder ob Notfallpläne für einen solchen Fall bestehen, drängt sich eine ganz andere Frage auf. Wie sieht es mit den Notfallplänen für die Bevölkerung aus? Es gibt sie nicht, zumindest nicht auf dieser Größenordnung. Man lässt es darauf ankommen, dass so ein Ausbruch niemals passiert.
Diese Herangehensweise erinnert an den Tsunami von 2011 und die Berichterstattung darüber. Die Verantwortung für die große Zahl der Toten dieser Katastrophe lag bei der schlechten Stadtplanung, fehlenden Notfallplänen und der Tatsache, dass die Gefahr von der Bevölkerung nicht ernst genommen wurde. Ernsthafte Sicherheitsmaßnahmen gab es noch nicht einmal in Städten, die schon 1896, 1933 und 1960 von Tsunamis stark betroffen und teilweise zerstört wurden, wie Kesenuma, Kamaiichi, Otsutchi oder Rikuzentakata. (Namen die längst vergessen sind, während Fukushima nie ernsthaft betroffen war.) Aber Menschenleben wurden in dieser Katastrophe schnell aus den Augen verloren, weil es dort ein Kernkraftwerk gab.
Wen interessieren schon knapp zwanzig tausend Tote, wenn der längst herbeigesehnte GAU passiert? Entsprechende Äußerungen nach dem Muster “Es muss nur mal wieder etwas passieren” waren in den Jahren vor 2011 immer wieder zu lesen. Dementsprechend wirkten die Berichte dann auch wie eine geplante Kampagne, bei der die Toten durch den Tsunami als störende Elemente an den Rand gedrängt wurden.
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