In der Nacht begann ein neues Kapitel für die chinesische Raumfahrt. Der Start der ersten Chang Zheng-6 Rakete (auch bekannt als “Langer Marsch” oder 长征) war erfolgreich.
【长征六号/CZ-6】起飞 pic.twitter.com/IYAhON2jHu
— ChinaSpaceflight (@cnspaceflight) September 20, 2015
Anders als die Vorgängerraketen benutzt die CZ-6 nun Kerosin und Sauerstoff im Hauptstromverfahren, wie man es von den äußerst effizienten russischen Triebwerken kennt. Aus den veröffentlichten Leistungsdaten der verwendten YF-100 und YF-115 Triebwerke kann man allerdings erkennen, dass sie noch nicht den gleichen Stand wie die RD-180 oder RD-191 Triebwerke der Atlas V oder Angara Rakete erreicht haben.
Von den beiden Triebwerken abgesehen, ist die CZ-6 keine revolutionäre Rakete. Sie wiegt beim Start 103 Tonnen und gehört damit zu den kleinen Raketen und die dritte Stufe benutzt eine ineffiziente (aber lagerbare) Treibstoffkombination aus Kerosin und Wasserstoffperoxid. Leider sind von der letzten Stufe keine genauen Daten bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass man die Nutzlast mit flüssigem Sauerstoff als Oxidator oder Wasserstoff als Treibstoff um 50-100% steigern könnte.
Die Rakete ist die kleinste Variante einer ganze Familie von Raketen, die durch die größeren CZ-5 und CZ-7 komplettiert werden wird. (Fragt mich nur nicht, wie es zu der Nummerierung kommt. Die CZ-5 ist die größte der drei Raketen, die CZ-7 liegt dazwischen.) Die Rakete soll Satelliten mit kurzer Reaktionszeit in den Orbit bringen. Offensichtlich war man dafür bereit Kompromisse einzugehen. Lagerbare Treibstoffe ermöglichen ohne großen Aufwand eine viel größere Flexibilität in den Startfenstern und möglichen Missionen für die dritte Stufe.
Das YF-100 hat beim Start einen spezifischen Impuls 290s und bleibt damit sogar noch etwas hinter dem alten NK-33 Triebwerk der 70er Jahre zurück. Trotzdem ist es effizienter als jedes Kerosintriebwerk, das jemals in Westeuropa oder Amerika gebaut wurde. Die YF-100 sollen auch bei der großen CZ-5 und der CZ-7 in den Boostern und in der ersten Stufe zum Einsatz kommen. Das steht im Gegensatz zu den Raketen in Europa, Japan und den USA, wo man für fast jede Rakete eine Triebwerke und Technologien zum Einsatz bringt.
Es ist damit absehbar, dass das YF-100 in Massenproduktion gefertigt werden wird. Das bringt im allgemeinen große Zuverlässigkeit bei niedrigen Stückkosten mit sich. Auch das kennt man. Nicht nur von den Merlin Triebwerken der Falcon 9 Rakete, sondern auch aus der Geschichte der ESA. Das Viking Triebwerk der Ariane 1-4 Raketen war das Arbeitspferd schlechthin und galt immer als äußerst verlässlich.
Man muss abwarten, wie erfolgreich die neuen CZ-5, CZ-6 und CZ-7 Raketen sein werden. Denn ein Triebwerk allein macht keine Rakete erfolgreich. Aber es verdeutlicht wie weit abgehängt die westliche Technik in manchen Bereichen inzwischen ist. Selbst in Indien erwartet man die Fertigstellung eines eigenen Triebwerks, das SCE-200, mit ähnlicher Technik in den nächsten 2 Jahren.
Es wird wenigstens noch 4 Jahre dauern, bis in den USA vergleichbare Triebwerke wie das AR-1 oder das BE-4 in den USA zur Verfügung stehen werden. (Für die Entwicklung des Raptor Triebwerks von SpaceX gibt es keinen offiziellen Zeitrahmen, soweit mir bekannt ist.) In Europa gibt es solche Entwicklungen hingegen überhaupt nicht. Stattdessen setzt man auf die ineffizienten und unflexiblen Feststoffbooster auf der einen Seite und die aufwändigen Wasserstofftriebwerke auf der anderen. Diese Kombination hat seit dem SpaceShuttle Tradition, allerdings hat sie auch bisher noch nie zu kostengünstigen Raketen geführt. Die Ariane 6 müsste dafür schon ein kleineres Wunder bewerkstelligen.
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