Wenn man von Großer Wissenschaft redet, dann kommen einem leicht Bilder in den Kopf (und auch vor die Linse) von monumentalen Geräten, komplexen Aufbauten und dem mehr oder weniger verständlichen Jargon der Wissenschaftler. Aber wenn man reichlich übermüdet und mit Bauchschmerzen durch so ein Forschungszentrum stolpert, dann fällt auch gerne mal der Blick auf die Details. (Der Rest kommt auch noch. Es gibt ja genug Möglichkeiten die Erinnerungsbruchstücke mit Literatur wieder zusammen zu basteln. Diesen Artikel hier schreibe ich bewusst ohne nochmal nachzulesen.)
Zum Forschungszentrum selbst kamen wir mit einem Shuttleservice. Entgegen aller Erwartungen war das kein Minibus Großraumtaxi oder ähnliches, sondern drei blank polierte, schwarze Mercedes Benz. Den Fahrern fehlten nur noch schwarze Sonnenbrillen und ein Knopf im Ohr um das Bild komplett zu machen. Jedenfalls kamen wir sehr komfortabel am Forschungszentrum an.
Der Grund für unseren Besuch war ein freier-elektronen Laser und was man mit ihm anstellen kann. Anders als in herkömmlichen Lasern wird hier nicht in einem festen Stoff eine besetzungsinversion der Elektronen herbeigeführt, die dann bei Eintreffen einer Lichtwelle kollektiv in ihren Ausgangszustand zurück fallen. Stattdessen benutzt man frei herum fliegende Elektronen in Magnetfeldern. Heraus kommt dann HZDR ein 11m langer Infrarotlaser. Er bringt für den Bruchteil des Splitters einer Sekunde genug Leistung um richtig böse Dinge mit aller Materie zu veranstalten, die sich in seinem Weg befindet, nachdem man den Strahl auf ein paar Mikrometer Durchmesser gebündelt hat.
Einige dieser richtig bösen Dinge sind auch der Grund, weshalb wir nicht einfach so in das Gebäude hinein gegangen sind. Der Laser war zwar gerade im Shutdown, aber Ordnung muss sein. Also wurden digtale Dosimeter an alle ausgegeben, keines davon zeigte irgendeine Regung. Was aber auch nicht zu erwarten war. Was hat Infrarotes Licht aus einem Laser mit Dosimetern zu tun? Dazu kommen wir noch.
Die Halle in der alles aufgebaut ist, hat außen nur eine einfache, dünne Verkleidung. Wenn man herein kommt, steht man überall vor Wänden aus Betonklötzen. Diese Wände sind 1,5-3m dick. Teilweise ist es einfacher Beton, teilweise hat er eine rötliche Farbe – dort hat er einen hohen Eisen-Anteil, mit dem er Röntgen- und Gammastrahlung besser absorbieren kann. Es ist nichts, mit dem man einen alten Ägypter beeindruckt hätte. Aber er hätte sich wohl erkundigt, woher der feine Stein kommt. Er hätte wohl auch gefragt, woraus die Räder und die Schienen sind, auf denen die 90t schweren Klötze bewegt werden, die man nach einigem Nachdenken als Tür identifizieren kann. (Es ist simpler Stahl.)
Aber auch der Laser ist in den meisten Details nicht beeindruckend. Er ist auf einer Reihe von Stahlplatten und Schienen montiert, die alle noch die Bearbeitungsspuren der Fräse zeigen, mit der sie geglättet wurden. Der Laser an sich muss gut ausgerichtet sein. Es finden sich an diversen Stellen kleine Schildchen auf denen steht, wann das zuletzt der Fall war. Teilweise liegt es einige Jahre zurück – es ist solide Arbeit. Auch die Verkabelung ist an jeder einzelnen Stelle nichts, das ein erfahrener Computerbastler nicht so auch vom Innenleben seines eigenen PCs kennen würde. An der Decke findet man kleine Kräne auf Schienen, zum Transport der schwereren Komponenten.
Es gibt nur wenige Teile an der ganzen Anlage, die nicht zumindest den Eindruck machen würden, als könnte man sie direkt aus dem Physiklabor in der Schule holen. Eine Magnetspule ist eine Magnetspule ist eine Magnetspule und der Eisenkern macht sie auch nicht spektakulär. Zugegeben. Supraleiter aus Niob (beim Elektronenbeschleuniger ELBE), die auf 1,8K gekühlt werden, dürften in einer Schule schwer aufzutreiben sein. Aber die Anlagen dafür verschwinden komplett in einer unscheinbaren schwarzen Kiste (nein, keine raumfüllende Anlage) – eine absolute Notwendigkeit, schließlich muss alles gut isoliert sein.
An einigen Stellen muss mit dem Laser im Vakuum experimentiert werden, gerade wenn es um die bösen Sachen geht, die der Laser mit der Materie so anstellen kann. Er kann Folien in Plasma verwandeln und mit ein paar Tricks dabei auch Teilchen beschleunigen. Die Vakuumkammern sind eckige Kästen aus Stahl mit Glasfenstern. (Ob es wirklich Glas war, habe ich nicht gefragt. Es könnte auch Quarz oder sonstetwas gewesen sein. Es war jedenfalls dick, klar und durchsichtig, was die Zahl möglicher Materialien sehr einschränkt.) Bei Star Trek hätte man es wohl als Borg-Technologie verkauft, vor allem weil man für Besuchergruppen das innere der Kammer in violettes Licht taucht. Man kam darauf, weil man in der Vakuumkammer LEDs verbaut hatte. Ohne kühlende Luft wird denen aber recht heiß, so dass sie irgendwann ausfallen. Um weißes Licht zu haben, hatte man rote, grüne und blaue LEDs verbaut, die dann in zufälliger Reihenfolge ausfielen und einige der übriggebliebenen Farbkominationen sahen wohl recht ansprechend aus.
In der Vakuumkammer sollte auch kein Staub sein. Jedes Staubkorn auf der Optik brennt sich sofort ein und hinterlässt eine Spur die das Licht nicht reflektiert und sich beim nächsten Schuss noch weiter einbrennt. Offenbar ist man recht gut darin, die Vakuumkammern staubfrei zu halten, aber nicht perfekt. Die Räume darum herum sind deswegen Reinräume, wenn auch nicht mit dem Grad von Paranoia wie man es aus der Halbleitertechnik kennt. Es gibt Kittel, Haarnetze und Plastikfolien für die Schuhe. Am Eingang tritt man auf Klebefolien, die den Staub von Schuhüberziehern nehmen. Es reicht zweifellos um die Staubbelastung um ein oder zwei Größenordnungen zu reduzieren. Soetwas reicht um anstatt alle paar Wochen ein Problem zu haben, nur noch alle paar Jahre eins zu haben.
Teure Dinge stecken meistens in unsichtbaren Details. Dazu gehören die Beschichtungen der Optiken, die auf keinen Fall zu viel Licht absorbieren dürfen und deswegen auf die Wellenlänge des Lasers genau abgestimmt werden muss. Die Genauigkeit der Optiken ist dagegen nicht wirklich beeindruckend. Egal ob Laser oder Sternenlicht, Optiken sind immer gleich. Die Lichtbeugung begrenzt ohnehin die erreichbare Genauigkeit und so kann man sich darauf beschränken, die Oberfläche auf ein Zehntel der Wellenlänge genau zu bearbeiten. Jedes Amateurteleskop braucht genauere Optiken als so ein Laser, um kein verwaschenes Bild zu zeigen. Die Wellenlängen im sichtbaren Licht sind einfach viel kürzer als im Infraroten. Das heißt aber nicht, dass die Optiken billig wären – Einzelanfertigungen ist immer kostspielig, und wohl vor allem die Beschichtung. Solche Laseranlagen werden nicht gerade zu Tausenden hergestellt und so geht der Preis in den niedrigen zweistelligen Millionenbereich – die restlichen Anlagen in denen der Laser benutzt natürlich nicht mit eingerechnet.
Mit dem Laser können gleich eine ganze Reihe von Anlagen betrieben werden, man muss nur mit einem Spiegel den Laser in die richtige Anlage leiten – eine Sache von Minuten. Ein sehr wichtiger Teil ist der kompakte Elektronenbeschleuniger namens ELBE, der ohne den ausschweifenden Ring der meisten Beschleuniger auskommt – auch wenn er noch nicht die gleiche Konstanz und Kontrollierbarkeit der alten Technik bringt.
Der Elektronenbeschleuniger ist auch ein Grund für den Strahlenschutz. Wenn die Elektronen auf Materie treffen, werden sie abgebremst und es kommt zu Bremsstrahlung. Je nach Lieblingsdefinition sind das Röntgen- oder Gammastrahlen. Es kann auch zu Paarbildung kommen – also dem Entstehen von Elektronen und Positronen. Die Positronen sind Antimaterie, die zusammen mit Elektronen wieder zu reiner Energie werden, in Form von zwei Gammastrahlen die genau entgegengesetzt voneinander weg fliegen. Das macht sie gut detektierbar, was äußerst praktisch für Materialuntersuchungen ist.
Mit einem Beschleuniger kann man auch zu einem genau definierten Zeitpunkt Gammastrahlen mit Energien von über 10MeV erzeugen. Die kommen in der Natur, etwa durch Radioaktivität, praktisch nicht vor. Mit solchen Energien kann man auch Atomkerne beeinflussen und freundlich dazu überreden, ein paar Neutronen abzugeben. Diese Neutronen enden dann in “Dumbs” also Blöcken aus einem Material (erst Aluminium, dann Stahl) das die Neutronen absorbieren soll. Es wird dadurch schwach radioaktiv und muss am Ende des Forschungsbetriebs entsprechend entsorgt werden. Ein größeres Problem ist die Radioaktivität nur im Betrieb des Beschleunigers, wenn die entstandenen kurzlebigen Isotope zerfallen und in der kurzen Zeit die gesamte Strahlung abgeben. Daher auch die Dosimeter vom Anfang, auch wenn die Anlage nicht in Betrieb war.
Beeindruckend ist die Arbeit, alle Details zusammen zu bringen und miteinander abzustimmen. Da muss ich mich nur daran erinnern, wie lange es dauerte, bis ich mein erstes Spiegelteleskop richtig justiert hatte und bis ich verstanden habe, wie ich das eigentlich getan hatte. Ein Witz im Vergleich zu der Friemelarbeit hier. Es ist eben die Schwierigkeit das zu tun, was in der Theorie gehen sollte und zu schauen, was man in der Praxis dafür tun muss.
Wie genau die einzelnen Teile der Anlage funktionieren, beschreibe ich dann ein anderes mal.
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