Kurz nachdem im Februar 2003 das SpaceShuttle Columbia beim Wiedereintritt zerbrach, kündigte die Bush-Administration der USA an, dass man zum Mond zurückkehren und später zum Mars fliegen würde. Man nannte es das Constellation Programm. Im Zentrum standen zuerst die “Ares” Raketen. Sie sollten aus vorhandener Technik neu aufgebaut werden. Das heißt, dass man die Technik aus den SpaceShuttles verwenden würde um neue Raketen zu bauen und alte Technik der Saturn V wiederbeleben.

Das Constellation Programm wurde nach der Wahl von Barack Obama beendet. Was aber blieb, war die Ares V Rakete. Die bekam einen neuen Namen, das “Space Launch System” oder SLS. Spötter nennen es auch Senate Launch System, weil die Entwicklung der Rakete vom Senat der USA als Gesetz verabschiedet wurde. Aber es gibt erst zwei Missionen die damit tatsächlich fliegen sollen. Ein unbemannter und ein bemannter Testflug mit dem Orion Raumschiff, mehr nicht. Man ist derzeit auf der ständigen Suche nach konkreten und finanzierten Missionen. Man hat also eine Rakete. Nun gut, irgendetwas wird den Amerikanern schon einfallen. Schauen wir uns also einmal die Rakete an.

Per Gesetz soll sie in drei Ausbaustufen (“Blöcken”) entwickelt werden, mit Nutzlasten von mindestens 70t, 105t und 130t. (Wobei die 70t getrickst sind. Mehr dazu weiter unten.) Die Ares V sollte noch 188t in den Orbit bringen können.

Die Rakete benutzt Feststoffbooster wie das SpaceShuttle, wenn auch mit 5 statt nur 4 Segmenten. Sie wiegen jeweils etwa 750t. Diese Booster waren ursprünglich für Verbesserungen des SpaceShuttle geplant, aber nie konkret entwickelt. Sie sollten auch schon bei der Ares I und Ares V eingesetzt werden. Beim Testflug der Ares-I (Ares-Ix) hatte man aber nur 4-Segment Booster zur Verfügung und das war auch das einzige, das an dieser Rakete kein bloßes Simulationsgewicht war.

Die erste Stufe des SLS wird vier RS-25 Wasserstofftriebwerke haben, von denen das SpaceShuttle nur drei benutzt hat. Die Stufe wiegt knapp 1000t. Zusammen haben die vier Triebwerke etwa den siebenfachen Schub des Vulcain II Triebwerks der Ariane 5.

Die Unterschiede zwischen den ersten beiden Blöcken macht die oberste Stufe aus. Diese Stufe ist verantwortlich für die furchtbar schlechte Nutzlast der ersten Version. Man will nämlich die hoffnungslos unterdimensionierte Oberstufe der Delta IV Rakete benutzen. Die wiegt 31t, hat gerade einmal 27t Treibstoff und ein einziges RL-10 Triebwerk mit 11t Schub. Dabei werden die 31t der Oberstufe mal eben mit zur Nutzlast gerechnet, damit das alles wenigstens auf dem Papier nicht ganz so desaströs aussieht, wie es eigentlich ist. Wenn eine Oberstufe nur 1/30stel der Treibstoffmasse der Stufe darunter mit sich führt, dann ist etwas schief gelaufen. So ziemlich jede andere Stufe hätte mehr leisten können. Tatsächlich fliegt die erste Stufe in dieser Version mit Ballast. Denn die erste Stufe darf nicht ganz in einen Orbit gelangen, damit die nicht verglühten Raketenreste kontrolliert in den Ozean stürzen können. Ohne den Ballast würde die 85t schwere Stufe in einen Orbit gelangen und irgendwann recht unkontrolliert irgendwo abstürzen. Die Stufe ist schwerer als die amerikanische Raumstation Skylab, deren Trümmer in Australien herab fielen.

Im zweiten Block, der zur Verwirrung aller den Namen Block 1B trägt, soll die Oberstufe ersetzt werden durch die “Exploration Upper Stage“. Wenn sich an der nichts mehr ändert, wird sie 4 RL-10 Triebwerke und 130t Treibstoff haben. Früher war stattdessen der Einsatz von J-2 Triebwerken vorgesehen, die verbesserte Versionen dieser Triebwerke der Saturn V gewesen wären. Über deren Entwicklung habe ich schon im August geschrieben und die hat schlappe $1,5 Milliarden gekostet. Es würde mich kein Stück wundern, wenn sich dort noch etwas ändert.

Für den Block 2, der eigentlich der dritte Block ist, will man noch leistungsstärkere Booster verwenden. Im Gespräch ist unter anderem die Verwendung der alten F-1 Triebwerke der Saturn V Rakete, die einen wesentlich höheren spezifischen Impuls liefern würden als die Feststoffbooster. Möglicherweise könnte auch das AR-1 Triebwerk von Aerojet mit noch größerem spezifischen Impuls benutzt werden, sofern es denn entwicklet wird. Aber eigentlich ist diese Diskussion noch immer völlig überflüssig.

Denn derzeit hat man noch nicht einmal Geld für die Entwicklung der Exploration Upper Stage freigegeben, von Geld für die Entwicklung neuer Booster will man gar nicht reden und was man mit der Rakete machen will, weiß man auch noch nicht – und finanziert sind die Missionen erst recht nicht. Für die Entwicklung der Rakete zusammen mit den zwei Flügen des ersten Blocks hat man insgesamt $23 Milliarden veranschlagt und glaubt, man wäre auf dem Weg dieses Budget einzuhalten. – Es könnte aber knapp werden.

Zum Vergleich: Für die Commercial Crew Verträge hat man Boeing und SpaceX insgesamt $6,8 Milliarden zugesprochen. $4,2 Milliarden an Boeing und $2,6 Milliarden an SpaceX. Dafür erwartet man die Entwicklung der gesamten nötigen Hardware von beiden Firmen, jeweils einen unbemanten und bemannten Testflug und dann jeweils 6 reguläre bemannte Flüge zur ISS.

Kommentare (9)

  1. #1 dgbrt
    29. September 2015

    Die NASA macht tolle unbemannte Raumfahrt. Sonden haben seit Mitte der 1960er alle Planeten und sogar Pluto erforscht. Das war und ist echte Wissenschaft.

    Was aber seit den 1970ern bei der bemannten Raumfahrt passiert ist Murks, verursacht durch die Politik, die keine Ahnung von Wissenschaft oder Raumfahrt hat.

    Die erste (unbemannte) SLS-Mission (EM-1) wurde schon auf 2018 verschoben, die zweite (dann bemannte) Mission (EM-2) gar auf 2023 und wird einige Umrundungen des Mondes wie Apollo 8 im Jahre 1968 machen.

    Für EM-1 baut Europa das Service-Modul, selbst für EM-2 gibt es da noch kein Konzept, geschweige denn Verträge. Und ob die geplanten Termine gehalten werden ist stark anzuzweifeln.

    Als US-Präsident Obama Anfang 2009 das Ende des Constellation-Programm verkündete, wollte er genau diese Misswirtschaft beenden. Hat leider überhaupt nicht funktioniert.

    Die NASA hatte damals drei Zielrichtungen:
    -> Weiterführung der erfolgreichen unbemannten Erforschung unseres Sonnensystems.
    -> Entwicklung neuer Technologien für zukünftige Bemannte Missionen.
    -> Verlagerung der LEO-Missionen in die private Wirtschaft.

    Leider sieht es heute aber so aus, dass die NASA für SLS noch mehr Geld verpulvern muss, als vorher für das Constellation-Programm. Den Unternehmen, die diese Gelder bekommen, ist eine Landung auf dem Mars egal. Aber das Geld natürlich nicht. Das ist gut versteckte Korruption.

    • #2 wasgeht
      29. September 2015

      Naja, gut versteckt ist etwas anderes. Aber ja, volle Zustimmung.

  2. #3 BreitSide
    Beim Deich
    29. September 2015

    Faszinierend, dass 50 Jahre alte Technik (Saturn) heute immer noch sehr aktuell ist.

    Waren die deutschen Raketenbauer dermaßen gut?

    Immerhin hat Wernher von Braun dazu keine Zwangsarbeiter opfern “müssen”…

    • #4 wasgeht
      29. September 2015

      Nein. Es ist nur seit den 70er Jahren aus mangelndem politischen Interesse praktisch nichts mehr an der Technik getan worden.

  3. #5 dgbrt
    29. September 2015

    Dass die deutschen Raketenbauer die Mondrakete Saturn V gebaut haben ist natürlich ein Mythos. Wernher von Brau war zwar Leiter des Marshall Space Flight Center, gebaut und entwickelt wurde die Technik der Rakete aber von US-Amerikanern. Das gilt erst recht für das Apollo-Raumschiff und den Mond-Lander.

    Die Ende der 1950er Jahre um das deutsche Team von W. von Braun entwickelte Redstone-Rakete war die erste Mittelstreckenrakete der USA. Sie wurde z.B. in der Türkei stationiert, wo sie nach der Kubakrise wieder abgezogen wurde. Und die bemannte Mercury-Redstone schaffte nur einen Hüpfer in den Atlantik; nachdem Gagarin bereits die Erde umrundet hatte.

    Die amerikanische Mercury-Atlas brachte Glenn dann in den Orbit. Das anschließende kostengünstige und sehr erfolgreiche Gemini-Programm verwendete eine Titan-Rakete. Auch eine US-Entwicklung.

    Die deutschen Raketentechniker waren nicht besser, sie hatten während des Zweiten Weltkriegs einfach nur viel mehr Geld als die Anderen. Nach dem Krieg änderte sich das dann völlig. Die erbeuteten A4-Raketen wurden kopiert und verbessert. Und in der Sowjetunion hat man die Deutschen in den 1950er Jahren dann auch wieder nach Hause geschickt.

    Die einzige herausragende deutsche Person war Wernher von Braun. Das aber nicht, weil er so gut Raketen bauen konnte, sondern weil er wie ein Politiker sehr medienwirksam arbeiten konnte. Ob zusammen mit Walt Disney oder John F. Kennedy war ihm dabei egal.

    • #6 BreitSide
      Beim Deich
      29. September 2015

      Nun ja, ich hatte mal gehört, die NASA (bzw. ihr Vorläufer) hätte 13 Abteilungen gehabt, von deren Leitern 13 Deutsche waren…

      Die Sowjets hatten anscheinend nur noch die Deutschen, die übrig geblieben waren, nachdem die Spitzencrew abgewandert war und sich den Amis an den Hals geschmissen hatten.

      Über deutsche Raketenforscher in der UdssR hatte ich bisher nie viel gehört/gelesen/gesehen.

  4. #7 Zenit
    30. September 2015

    Kleine Anmerkung: Es sind nicht 23 Milliarden nur für das SLS für die ersten beiden Flüge. In der Berechnung kommen noch die Kosten von Orion und GSDO dazu.
    Commercial Crew und das SLS sind imo recht schwer zu vergleichen. Es ist etwas anderes, ob du ein Raumschiff zur ISS fliegen willst oder zum Mond. Was bei der Kostenbetrachtung wichtig ist, ist dass 23 Milliarden natürlich eine Menge Geld sind, die NASA aber mit dem derzeitigen Etat diese Kosten stemmen kann. Das Budget ist seit Jahren stabil, das Geld reicht zumindest für die ersten zwei Flüge.
    Was außerdem wichtig ist: Wenn SLS/Orion eingestellt wird, heißt das nicht, dass das Geld für ein günstigeres Nachfolgeprogramm zur Verfügung steht. Ein Raumfahrtprogramm, das nicht hundertprozentig effizient ist, bei dem wir vielleicht in den 2030ern zum Mars fliegen, ist mir immer noch lieber als gar kein derartiges Programm. Meiner Meinung nach sind SLS/Orion sicherlich nicht das Beste, was man theoretisch haben könnte, aber das Beste, was bezahlbar und politisch durchsetzbar ist. Jedenfalls weiß ich nicht so recht, was denn die günstigere, schnellere, sichere Alternative zu SLS/Orion ist.

    Gruß
    Martin

    • #8 wasgeht
      30. September 2015

      Die günstigere Alternative bestünde darin Antrieb und Raumschiff zu trennen und getrennt mit kleineren Trägerraketen zu starten.

      Das hat den Vorteil kleinerer Entwicklungskosten, kleinerer Infrastruktur und viel höherer Startfrequenz. Vor allem die Startfrequenz ist ein wesentlicher Teil der Frage nach den Startkosten. Wenn eine Startrampe oder ganze Produktionanlagen für Triebwerken unbenutzt 1-2 Jahre zwischen den Starts herum stehen, von den nötigen Technikern und ihren Gehältern nicht zu sprechen, dann ist das ein riesiges Kostenproblem.

  5. #9 dgbrt
    30. September 2015

    Die NASA wollte die SLS nicht, sie wurde vom Senat und Kongress dazu gezwungen. Und das, was da derzeit mit dem ganzen Geld umgesetzt wird, ist nichts anderes als ein Skandal.

    ZWEI geplante Starts in den nächsten ZEHN Jahren. In dieser Zeit wurde das Apollo-Programm geplant, durchgeführt und beendet (1961-1972).

    Damals gab es aber auch deutlich mehr Mittel für die NASA, Apollo hat nach heutigen Preisen ca. 100 Milliarden Dollar gekostet. Mit dem Geld wurde aber nicht nur eine Rakete gebaut, sondern z.B. auch ein Gerät mit dem man auf dem Mond landen konnte. Aber auch auf der Erde wurde viel investiert und mit dem Deep Space Network (DSN) eine ununterbrochende Kommunikation sichergestellt.

    Wenn die NASA mit der SLS bis zum Ende der 2030er zum Mars möchte, dann muss die Startrate deutlich gesteigert werden. Eine einzige Mars-Mission liegt bei ca. zehn Starts und die Hardware, die da dann gestartet werden muss, existiert noch nicht einmal auf Papier (von Power-Point-Präsentationen mal abgesehen).

    Ich denke nicht, dass die Kosten für eine solche Marsmission jemals finanziert werden. Das wäre eine Größenordnung von 200 Milliarden Dollar, die in wenige als zehn Jahren aufgewendet werden müssten.

    Meine Prognose ist, dass die NASA in den 2020er Jahren noch zwei weitere Flüge zum Mond machen wird, OHNE jedoch zu landen. Die erste bemannte Marslandung wird dann für 2059 anvisiert.