Trotzdem ist die Herangehensweise in einer Computerspielwelt eine andere, als sie Philosophen, Soziologen oder Volkswirtschaftler zeigen. Das ist normal. Denn die Welt in der sie agieren ist eine andere. In der “echten” Welt hat niemand die Wahl zu existieren oder nicht. In einer virtuellen Welt besteht diese Wahl jederzeit. Man schließt das Programm, startet es nie wieder neu und schon ist man draußen. Die Welt und Regeln in der Welt müssen die Bedürftnisse der Menschen erfüllen, oder sie hören schlicht auf zu existieren.
Die nicht-virtuelle Welt ist da geduldiger. Egal wie schlimm die Bedingungen, die Spieler(*) haben nicht die Wahl zu existieren oder nicht. Trotz aller apokalyptischen Kults und Ankündigungen des Gegenteils hört die echte Welt nicht auf zu existieren, wenn sie für die Menschen zu schlecht geworden ist. Virtuelle Welten tun das. Dutzendweise.
Insofern stehen die Entwickler von Computerspielen vielleicht sogar vor der schwierigeren Aufgabe. Sie müssen eine Welt aufbauen, die sich für Menschen interessiert, in der Menschen ihren Platz finde können – Eudaimonie für alle. Und wer weiß, vielleicht kann diese neue Dimension menschlicher Erfahrung auch Auswirkungen auf das Denken und Handeln von Sozialwissenschaftlern und Politikern haben. Wenn man sich allein die Liste wissenschaftlicher Publikationen zu “World of Warcraft” oder “Eve Online” anschaut, kann man sich da bei der ersten Gruppe fast schon sicher sein.
Damit soll nicht gesagt sein, dass alles was man tut um virtuelle Welten für Spieler attraktiver zu machen genauso auch in der nicht-virtuellen Welt angewendet werden sollte. Einige der verwendeten Techniken sind nichts weniger als hochmanipulativ. Aber andere weisen überdeutlich auf klaffende Lücken hin. Das letzte der vier Videos oben ist so ein Beispiel.
In einer virtuellen Welt wird man versuchen Spieler dafür zu belohnen oder es wenigstens anzuerkennen, wenn sie schwer zu erreichende Orte erreicht oder besondere Dinge getan haben – und zwar völlig unabhängig davon, ob das von ihnen verlangt wurde oder nicht. Die Anstrengungen allein bauen eine gewisse Erwartungshaltung nach Anerkennung auf, die kein guter Spielentwickler freiwillig völlig enttäuschen wird.
Aus dieser Perspektive gesehen ist die echte Welt eine furchtbare Spielerfahrung, besonders in der Schulzeit, aber auch darüber hinaus. Ohne besondere Umstände ist Anerkennung für besondere Leistungen kaum zu erwarten, wenn sie nicht in vorgefasste Schemata passen. Das wäre an sich nicht so schlimm, aber diese Schemata werden nicht nach den Prinzipien der Spielentwickler entworfen, sondern nach Lehrplänen und Minimalanforderungen. Das genaue Gegenteil dessen, was ein bereicherndes und ermutigendes Ermöglichen würde. Die Enttäuschung der Erwartung ist der Regelfall, während eine ernsthafte Anerkennung oder Belohnung zu Ausnahme wird.
(*) wenn man Shakespeare glaubt. Wie ihr wollt:
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