Als die ersten Europäer nach Australien fuhren, brachten sie auch etwas zurück. Ein Stück Holz, das man werfen konte und wieder zurück kam. Es war so ziemlich das einzige Stück Technik, das von dem Kontinent in den Rest der Welt gelangte.
Würden die Bumerangs nicht zurückkehren, hätte man sie wohl als primitive Technik abgetan und weitgehend ignoriert – so wie es praktisch jeder anderen Technik der australischen Ureinwohner ergangen ist. Die bei weitem meisten Bumerangs waren Jagdwaffen, die nicht zurückkehren können. Man hat sie in gerader Linie auf 100m geworfen und natürlich hat man darauf geachtet, dass sie möglichst keine Kurve beschreiben. Für die meisten Jagdwaffen wäre es schlecht, wenn sie im Flug ihre Flugrichtung ändern. Es ist also nur natürlich, dass man die Form im allgemeinen genau darauf abgestimmt hat.
Es waren flache, lange Holzstäbe, teilweise auch praktisch ohne jede Krümmung. Um die Wirkung beim Aufprall zu verstärken wurden sie auch mit Gewichten versehen. Anders als beim Speer geht es nicht darum, die Beute oder den Gegner mit einer scharfen Spitze zu verletzen, sondern durch die stumpfe Gewalt aus der Rotation heraus. Je nach Gegend hatten die unterschiedliche Größe und Form. Das Dokument ist dabei schon 80 Jahre alt, aber die grundlegende Beschreibung ist wohl immernoch gültig. Ob es sich bei der geographischen Verteilung der unterschiedilchen Formen wirklich um Entwicklungsschritte handelt, wie es Davidson hier vermutet, kann man durchaus hinterfragen. Schließlich geht mit jeder geographischen Verteilung auch eine klimatische Verteilung einher. Je nach Ökosystem, Beutetieren und sonstigen lokalen Gegebenheiten können sich auch die Anforderungen an die Jagdwaffen ändern.
Die Grundlegende Form ist dabei bei weitem keine australische Spezialität. Man kennt sie unter der Bezeichnung “Wurfhölzer” auch aus Museumsausstellungen mit Funden aus Babylonien und Ägypten, aber auch aus Europa. Man spricht nur nicht mehr davon, weil aufhörte sie zu verwenden. Wahrscheinlich wurden sie durch Pfeil und Bogen abgelöst, der sich in Australien nie verbreitet hat.
Es gab aber Speere und Speerschleudern, wie es sie auf der ganzen Welt gab. Bei den Azteken waren sie als Atlatl bekannt. Das sind im einfachsten Fall Stäbe mit einem Haken am Ende, die den Wurfarm verlängern und damit höhere Wurfgeschwindigkeiten ermöglichen, als von Hand geworfene Speere. Die Australier sahen aber keinen Grund, beides nicht in einem Stück Holz zu vereinigen. Wenn man Werkzeuge tagtäglich herumtragen muss, dann sollten sie möglichst viele Aufgaben auf einmal erfüllen können. So gibt es dann Stöcke, die zum Graben, zum Feuer machen, als Speerschleuder und als Wurfholz dienten – und natürlich auch als ganz normale Schlagwaffe.
Damit waren die Australier nicht mehr und nicht weniger erfindungsreich wie Menschen überall auf der Welt. Natürlich gab es zur gleichen Zeit schon weiter entwickelte Technik. Aber die Geschichte der Menschheit geht weit zurück. Nicht nur Jahrhunderte oder Jahrtausende, sondern zehntausende Jahre. Die Entwicklung neuer Technologie und Kulturen verlief überall, praktisch während der gesamten Geschichte, äußerst langsam. Zumindest in den archeologischen Funden gab es über tausende Jahre gab es kaum merkliche Veränderungen.
Erst in den letzten Jahrhunderten beschleunigte sich dieser Prozess. Man hat nun oft den Fehler gemacht, aus dieser Beschleunigung eine irgendwie geartete Überlegenheit einzelner Völker oder Kulturen erkennen zu wollen. Dabei zeigt es eher das Gegenteil. Denn man kann auch zu der nicht weniger gewagten Annahme kommen, dass diese Form der Entwicklung der “natürliche Lauf der Dinge” ist – eine sehr langsame Entwicklung, bis “der Knoten platzt” und sich die Entwicklung beschleunigt.
Wenn das so wäre, dann würden schon minimale Unterschiede in der Entwicklungsgeschwindigkeit am Anfang ausreichen, um die einen Menschen auf einem Stand zurück zu lassen, der von anderen Menschen ein paar Jahrtausende früher erreicht wurde. Die Menschheitsgeschichte geht zehntausende oder hunderttausende Jahre zurück. Noch vor 4000 Jahren waren Menschen nicht in der Lage, Eisen aus Eisenerz zu erzeugen. Für uns sind 4000 Jahre ein großer Unterschied und tatsächlich hat es in dieser Zeit große Entwicklungssprünge gegeben.
Aber wenn Archeologen Artefakte auf ein Alter von 20.000-24.000 Jahren datieren, dann wird man sie wohl mit einem leichten Schulterzucken in die gleiche Zeit einordnen. Was sind schon ein paar Jahrtausende unter Archeologen? Kaum jemand wird sich beklagen und das obwohl der Zeitunterschied so groß ist, wie zwischen heute und den alten Ägyptern. Mit einem ähnlichen Schulterzucken sollte man letztlich auch die Unterschiede zwischen der Entwicklung Europas und Australiens hinnehmen. Was sind in der langen Menschheitsgeschichte schon ein paar Jahrtausende Entwicklung unter Freunden?
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