Heute gab es ein Erdbeben in Afghanistan, mit der Stärke 7,5. Es war also ziemlich heftig. Die letztendliche Zahl der Toten lässt sich noch nicht absehen. Dabei kann man die ernsthafte Frage stellen, ob die Angabe der Stärke mit 7,5 wirklich günstig gewählt ist.
Hinter der 7,5 steht eine logarithmische Magnitudenskala. Solche Skalen benutzt man immer dann, wenn man es mit großen Unterschieden zu tun bekommt. die Unterschiede bei Erdbeben sind riesig. In der freigesetzten Energie machen zwei Punkte auf der Skala einen Faktor 1000 aus.
Das Resultat ist eine kompakte Skala, die einem kleinen Bereich auskommt. Der Nachteil ist, dass die Größe der eigentlichen Unterschiede damit zu kurz kommen. In diesen Tagen ist zum Beispiel der 5. Jahrestag des Erdbebens von Haiti 2010, als mehrere 100.000 Menschen starben. Es hatte eine Stärke von 7,0. Es setzte damit etwa eineinhalb mal so viel Energie frei, wie das Erdbeben von Kobe 1994 – mit einer Stärke von 6,9.
Für das Erdbeben in Afghanistan, mit seiner Stärke von 7,5, brauchte es etwa acht mal so viel Energie wie für das Erdbeben von Kobe. Es brauchte aber 1400 mal so viel Energie um ein Erbeben der Stärke 9, wie das Tokoku-Erdbeben in Japan 2011, zu erzeugen.
Man könnte also eine neue Skala definieren und einfach proportional zur Energie ist, die bei dem Erdbeben freigesetzt wird. Zum Beispiel eine Skala, bei der man ein Erdbeben der (heutigen) Stärke 6 als Standard nimmt und gleich 1 setzt. Das ist meistens die Grenze, ab der ein Erdbeben ernsthafte Schäden anrichtet. Das sähe dann so aus:
Kobe - 23 (statt 6,9) Haiti - 32 (statt 7,0) Afghanistan - 180 (statt 7,5) Tohoku Erdbeben - 32.000 (statt 9,0) Chile 1960 - 180.000 (statt 9,5)
Das Erdbeben der Stärke 3,2, das es 2010 in der Nähe von Leipzig gab, käme in dieser Skala dagegen nur auf eine Stärke von 0,00006.
Die erste dieser Skalen war die bekannte Richterskala, deren Name einfach nicht tot zu kriegen ist. Dabei wurde sie schon in den 70er Jahren von der Moment-Magnitudenskala abgelöst. Aber ohne einen griffigen Namen wird es wohl noch länger dauern, bis der Name entgültig verschwunden ist. Schlimm ist das nicht, denn für die meisten größeren Erdbeben sind die Ergebnisse fast gleich. Vor allem bei sehr großen Erdbeben lieferte die Richter Skala zu niedrige Werte.
Die Richterskala wurde dabei direkt von den Messungen eines Seismometers in 100km Entfernung abgeleitet. Ein Erdbeben der Stärke 0 sollte bei einer Messfrequenz von 0,8 Hz zu einer Auslenkung von einem Mikrometer führen. Messbar waren damals Erdbeben der Stärke 3, was einer Auslenkung von 1mm entspricht. Daraus hat man dann die Energie abgeleitet, was aber nur leidlich gut gelingt. Besonders die sehr starken Erdbeben geben mehr Energie in Form von sehr niederfrequenten Schwingungen ab, als “normalstarke” Erdbeben. Dadurch hat de Richterskala die Auswirkungen einiger besonders schwerer Erdbeben in den 50er und 60er Jahren stark unterschätzt.
Also suchte man nach besserene Methoden, die dem Rechnung tragen würden. Die kamen dann vor allem mit der Einführung modernerer Geräte und vor allem von Computertechnik. Damit konnte man aufgezeichnete Schwingungen numerisch integrieren und verschiedene Messstationen automatisch korrelieren. Daraus berechnet man dann direkt die Energie oder die Momentmagnitude, die letztlich auch nur eine Energie ist.
Aber auch daraus hat man letztendlich eine logarithmische Skala gebaut, anstatt die freigesetzte Energie in Joule auszudrücken. Dabei hat man darauf geachtet, dass die neue Skala wenigstens im mittleren Bereich mit der alten Skala übereinstimmt, um die Verwendung möglichst einfach zu machen. Das hat gut geklappt, auch wenn es zu Folge hatte, das die Werte trotzdem noch über Jahrzehnte als Werte auf der Richter-Skala bezeichnet wurden.
Aber ein Problem gibt es noch. Was keine dieser Skalen wirklich sagt, ist, wie stark die Erde am Epizentrum des Erdbebens bebt. Dafür gibt es eine eigene Skala, die Mercalli Skala. Die sagt aber im Grunde nichts anderes als “ja, war schlimm in der Gegend” oder “das Beben war gerade so spürbar”. Das hat aber nicht immer etwas mit der Stärke des Erdbebens auf der Momentskala zu tun. Denn die Erschütterung hängt noch von anderen Faktoren ab. Zum Beispiel die Tiefe des Erdbebenherdes. Man spricht ja nicht umsonst vom Epizentrum. Das ist die Stelle, oben an der Erdoberfläche, über dem Punkt an dem das Erdbeben ausgelöst wurde. Sie ist immer am nächsten dran. Aber wenn ein Beben in über 100km Tiefe stattfindet, dann kann auch ein Beben der Stärke 7 nicht viel an der Oberfläche ausrichten. Sehr flache Erdbeben in wenigen Kilometern tiefe können dagegen auch mit einer Stärke von 6 oder weniger noch Häuser stark beschädigen.
Das Erdbeben von Christchurch in Neuseeland 2011 war so ein Fall. Dieses Erdbeben war eigentlich “nur” ein Nachbeben eines Bebens der Stärke 7,1 aus dem letzten Jahr (eine “55” nach der Skala oben), bei dem es zwei Schwerverletzte, aber keine Toten gab. Das Nachbeben hatte eine Stärke von 6,3 (was eine 8 wäre, im Vergleich zur 55 des Hauptbebens). Das geschah aber viel näher an bewohntem Gebiet und auch näher an der Oberfläche. Und so kam es zu starken Zerstörungen und fast 200 Toten.
Am Ende bleibt nur die Erkenntnis, dass man ein Erdbeben nicht in einer Zahl zusammenfassen kann. Egal wie sehr man sich anstrengt.
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