In den letzten Tagen geisterte eine Meldung durch die Medien, dass es einen neuen Rekord bei der Herstellung von Wasserstoff mit Solarzellen gegeben hätte. Radio Eriwan hätte wohl gesagt, im Prinzip schon. Aber es war kein Rekord und praktisch anwendbar ist es auch nicht.
Man jubelt hier über einen Gesamtwirkungsgrad von 9,5%. Das macht stutzig. Denn schon die reichlich gequälte Überschrift der Pressemeldung aus dem Forschungszentrum Jülich sagt: “Neuer Wirkungsgrad-Rekord für die Wasserstoff-Herstellung mit Solarzellen aus Silizium”
Zum Glück sind weder Solarzellen noch Elektrolysatoren so furchtbar schlecht, dass man 9,5% als Rekord feiern und bejubeln müsste. Man kann monokristalline Solarzellen mit Wirkungsgraden über 20% von der Stange kaufen, ebenso wie Elektrolysatoren mit einem Wirkungsgrad um die 70%. Tadaaa! Gebt mir das Geld dafür und ich erhöhe die Effizienz auf das anderthalbfache, über 14%, mit nichts als kommerziell erhältlichen Komponenten. (Und mit noch viel mhr Geld und der Art von Multi-Junction Solarzellen schafft man auch mehr als 20%.)
Bekomme ich für die Idee jetzt einen Nobelpreis? Wohl kaum. Das ist eine gedankliche Fingerübung, die auch die Forscher selbst kennen und hätten durchführen können.
Es ging hier überhaupt nicht um einen neuen Effizienzrekord in der Wasserstoffherstellung mit Siliziumzellen. Es ging darum, die Solarzelle zusammen mit der Elektrolyse in einem Paket zu verpacken, anstatt einfach eine Stromleitung von der Solarzelle zum Elektrolysator zu legen. Wenn man beide trennt und getrennt optimiert, kann man viel bessere Ergebnisse mit weniger Aufwand erreichen. Hier haben wir es mit einem typischen Fall von einer Pressestelle zu tun, die versuchen eine Überschriften in Zeitungen und Publikationen zu provozieren – und das ist ihnen auch gelungen. Aber ehrlich war sie dabei nicht. Es ist auch praktisch unmöglich, alle diese Einschränkungen in einer Überschrift zu packen, um noch von einem Rekord sprechen zu können. Aber genau da liegt auch das Problem, es ist eben kein wirklich ernst zu nehmender Rekord.
Keine Frage, ein Stück Technik zu haben, bei dem auf der einen Seite Licht drauf scheint und auf der anderen Seite Wasserstoff raus kommt, hat ihren Reiz. Es ist eine sehr elegante Angelegenheit und ich würde jederzeit auch an so einer Bastelei mit arbeiten. Vor allem, wenn es verschiedene Gruppen gibt, die es davor schon getan haben und man es selbst noch besser machen kann. Wir sind alle Menschen. Die Faszination mit eleganten Lösungen und Wettbewerb gehört zu unserer Natur. Der Wettbewerb um neue Rekorde in spezifischen Systemen ist oft genug auch sehr produktiv. Es gibt neue Ideen, Ansätze und Lösungen.
Dem Paper kann man entnehmen, das noch die Rekordzelle eine Triple-Junktion Zelle war. Es wurden also drei Solarzellen die auf Licht verschiedener Spektralbereiche reagieren übereinander gestapelt. Das erhöht nicht nur die Effizienz, sondern auch die resultierende elektrische Spannung. Freilich ist es aufwändig so viele Zellen übereinander zu stapeln. Jede Zelle besteht aus 3 Schichten und es kommen noch zwei Schichten für die Verbindung zum Katalysator dazu. Wegen der höheren Spannung (2,8V) hat man schließlich auch eine Quadruple-Junction Zelle mit nicht weniger als 15 Schichten gebaut, die dann auch mit einem einfacheren Nickelkatalysator auskommt (aber damit Effizienz einbüßt). Kommerziell interessant sind solche Spielereien nicht, dafür ist der Aufwand der Herstellung viel zu groß. Als Demonstration der Fähigkeiten in der Rivalität unterschiedlicher Forschergruppen ist es aber durchaus ganz nett.
In dem Kontext hätte auch eine ehrliche Pressemeldung geschrieben werden können. Wenn etwas mit einfacher, vorhandener, Technik deutlich besser geht, dann kann man nicht ernsthaft von einem Rekord sprechen. Wenn man denn überhaupt eine Meldung daraus machen will, dann doch bitte über den impliziten Wettbewerbscharakter solcher Versuchsaufbauten. Frei nach dem Motto “Tor für Team Jülich im Wettbewerb um kompakte Wasserstoffherstellung aus Sonnenlicht. Die tapferen Recken des jülicher Forschungszentrums ließen das Team von Universität X im Staub zurück.”
Hier wurde ein völlig schiefes Bild von der Wissenschaft und dem Stand der Technik vermittelt. Die Technik ist schon viel weiter fortgeschritten (wenn man nur auf die Effizienz der Wasserstofferzeugung schaut) und wurde insgesamt durch diese konkreten Experiment viel weniger vorangebraucht, als es die Pressemeldungen vermuten lassen würden.
Und so hat man es auch hier wieder mit einem jener “Durchbrüche in der Technik” zu tun, von denen man nie wieder etwas hören wird.
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