Wenn man sich unsere Welt anschaut, dann wird unser heutiges Leben durch einige Dinge möglich gemacht, die man gerne als selbstverständlich hinnimmt. Dazu gehört auch Youtube, aber darum soll es nicht gehen. Beinahe so wichtig wie Youtube sind Brücken und andere Infrastruktur. Dazu hat Henry Petroski einen Vortrag gehalten, den man auf Youtube findet (der eigentliche Vortrag beginnt nach 10 Minuten):

In dem Vortrag geht es um Konstruktionen allgemein und wie sie entstehen. Woher kommen erfolgreiche Konstruktionen und wie entstehen sie? Ein ganz wesentlicher Grund ist, dass die letzte Konstruktion nicht funktioniert hat oder in irgendeinem Punkt nicht so wie man es gern hätte.

Da sich Petroski als Ingenieur beruflich viel mit Brücken auseinander gesetzt hat, schlägt er immer wieder eine Brücke zu diesem Thema – und warum auch nicht? Sie geben ein hervorragendes Beispiel ab. Manchmal gibt es da auch heute noch Probleme, wie man in London festgestellt hat:

Das Ergebnis ist nicht unerwartet. Die Fußgängerbrücke sollte von Anfang an von einem Designer, einem Architekten und einem Ingenieur entworfen werden. Man kann sich nun vorstellen, wessen Entscheidungen in diesem Team am ehesten überstimmt wurden.

Solche Probleme sind zum Glück recht selten und gerade bei größeren Brücken sind die Probleme heute im allgemeinen deutlich verhaltener. Das war auch nicht immer so. Eines der berühmtesten Probleme war da sicher die Tacoma Narrows Brücke:

Der Einsturz dieser Brücke kam ziemlich genau 100 Jahre nach der ersten erfolgreichen Hängebrücke aus Eisen. Es fragt sich also, wie es dazu kam, dass diese Brücke so gescheitert ist. Petroski meint, dass der Erfolg der früheren Brücken eine wichtige Rolle spielte.

Hängebrücken gab es seit dem 19. Jahrhundert. Aber am Anfang waren sie nicht erfolgreich. Viele Brücken wurden zerstört, hauptsächlich durch Wind. Die ersten erfolgreichen Hängebrücken wurden um 1840 gebaut. Der zuständige Ingenieur gab zu Protokoll, dass die Brücken schwer, steif und an den Seiten mit weiteren Seilen stabilisiert sein müssen um Wind widerstehen zu können.

Diese Seile zur Stabiliierung waren die ersten Teile, die verschwanden. Das war auch gerechtfertigt. Die Brücken waren schwer und steif genug, um dennoch stabil zu sein. Über Jahrzehnte wurden so erfolgreich Brücken gebaut. Irgendwann, 1931, kam die George Washington Bridge. Die wurde erst in den 60er Jahren zur Doppeldeckerbrücke. Davor hatte sie nur eine Fahrbahn und keinerlei Verstrebungen an der Seite. Die Breite der Fahrbahn gab der Brücke noch eine gewisse Steifigkeit, aber sie löste eine Mode aus.

Diese Mode wurde zu Problem, als man anfing solche Brücken in dünn besiedelten Gebieten mit wenig Verkehr zu bauen. Man brauchte nur zwei Fahrspuren und die Brücken wurden schmaler. Gleichzeitig rückte man nicht von der Mode ab, dass eine Brücke möglichst flach sein und keine Verstrebungen an der Seite haben sollte. Das Problem ist jetzt, dass die schmaleren Brücken gleichzeitig an Steifigkeit und Gewicht verlieren. Sie werden sehr viel anfälliger für Wind.

Das Resultat waren dann Brücken wie die Tacoma Narrows Brücke, die drittlängste der Welt – gleich nach der Golden Gate und der George Washington Bridge. Die Brücken waren oft so nötig und praktisch, dass sie von den Leuten benutzt wurden, obwohl sie stark schwankten. Selbst die Golden Gate Bridge schwankt teilweise um mehrere Meter nach rechts und links. Das Phänomen war bekannt. Aber erst mit dem Einsturz der Tacoma Narrows Brücke begann man, das Problem wirklich ernst zu nehmen. Es ist nicht so, dass man nicht versucht hätte, die Konstruktion zu verändern um das Schwanken zu reduzieren. Aber erst nach dem Einsturz dieser Brücke gab man endgültig die Mode der möglichst flachen und schmalen Brücken auf. Die Brücken wurden wieder mit Verstrebungen versehen. Sie wurden massiver und schwerer. Etwas, das gewissen Architekten und Designern wohl entgangen ist.

Kommentare (11)

  1. #1 haarigertroll
    6. November 2015

    Naja, außer “steif und schwer” gibt es ja auch noch die etwas modernere Methode, mit Dämpfern und Tilgern zu arbeiten.
    Damit lassen sich so elegante und filigrane Brücken auch wieder sicher bekommen

    • #2 wasgeht
      6. November 2015

      Es ging im Vortrag hauptsächlich um die zweite Hälfte des 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhundert.

  2. #3 Gregor
    denkpass.de
    6. November 2015

    Die filigrane Bauweise beeinflusst die Eigenfrequenz. Die stimmte dann in Tacoma mit der durch den Seitenwind erzeugten Schwingfrequenz überein und führte zu Resonanz. Das war das Problem.

    Also: auf Seitenwind und Luftströmung achten. Eigenfrequenz so verändern, dass keine Resonanz auftritt, z.B. durch aktive Dämpfung.

    Das ist die Lösung, bei der man trotzdem filigran bauen kann.

    • #4 wasgeht
      6. November 2015

      Aktive Systeme in einem Baumwerk, um sicher zu stellen, dass es nicht einstürzt … also, ich möchte da Bedenken anmelden.

  3. #5 haarigertroll
    6. November 2015

    Nix Bedenken, Stand der Technik :)
    siehe zum Beispiel https://www.empa.ch/plugin/template/empa/*/130965

    • #6 wasgeht
      6. November 2015

      Ich wollte damit nicht sagen, dass es das nicht gibt. Nur, dass man damit ein echtes Problem bekommen kann, wenn die Belastung mit einem Stromausfall o.ä. einher geht.

  4. #7 haarigertroll
    6. November 2015

    Man kann die Auslegung schon so machen, dass der passive Anteil der Dämpfer das Bauwerk vor Schaden bewahrt und der aktive Anteil den Benutzungskomfort sicherstellt.
    Meistens ist es ja so dass so eine Brücke noch einiges aushält, wenn es für Fußgänger oder Autofahrer bereits unangenehm wird.

  5. #8 BreitSide
    Beim Deich
    7. November 2015

    @Gregor: Soviel ich weiß, war das keine Resonanz, sondern eine selbsterregte Schwingung. https://de.wikipedia.org/wiki/Schwingung#Selbsterregte_Schwingungen

    Man kann das bei mäßigem Wind gut beobachten, dass manchmal von den vielen Blättern eines Baumes ein einziges, dann aber wie verrückt, schwingt.

  6. #9 BreitSide
    Beim Deich
    7. November 2015

    @haarigertroll: Man sieht ja auf dem berühmten Videozusammenschnitt der Takoma Narrows Bridge, dass da noch Autos fahren (zumindestens eins), wenn die Fahrbahn schon gefühlte 45 Grad oder 100% Schräglage hat.

    Ich weiß ja nicht, was in dem Kopf dieses Autofahrers vor sich gegangen ist…

    • #10 wasgeht
      7. November 2015

      Der eine ist zurückgegangen um seinen Hund aus dem Auto zu retten – und hat es auch geschafft.

  7. #11 BreitSide
    Beim Deich
    7. November 2015

    @wasgeht: wenn das Milli-Video durchgelaufen ist, kommt ein sehr schönes Video über eine offensichtlich zum Resonieren gebaute Hängebrücke: https://www.youtube.com/watch?v=uWoiMMLIvco

    Die Kommentare sind herrlich, die Meisten regen sich auf über den angeblichen Vandalismus. Wo doch schon in der Beschreibung auf die Absicht hingewiesen wird.

    Oder können die alle nicht lesen, aber schreiben… :lol: