Einer meiner Artikel wurde mal wieder bei Golem.de veröffentlicht. Und jetzt könnt ihr ihn auch hier lesen:
Eine Raumsonde wie die New Horizons ist im Sonnensystem Bedingungen ausgesetzt, die es auf der Erde so nicht gibt. Ohne die Atmosphäre und das Magnetfeld der Erde wirkt auf die Sonde eine ständige Strahlung aus geladenen Teilchen ein. Dazu gehören der Sonnenwind genauso wie die Strahlungsgürtel der Planeten und die Teilchen aus dem galaktischen Hintergrund. Wie in einem Teilchenbeschleuniger entstehen daraus bei Kollisionen weitere Teilchen und Röntgenstrahlung.
Computerchips können empfindlich auf solche Strahlung reagieren. Die Halbleiter in Computerchips basieren auf einem Gleichgewicht aus freien und gebundenen Ladungsträgern, das normalerweise nur durch elektrische Spannung beeinflusst wird. Die dafür nötige Energie kann aber auch unkontrolliert durch die Strahlung von außen kommen. Zum einen kann die Strahlung auf Dauer strukturelle Schäden im Kristallgitter von Chips anrichten, zum anderen können manchmal auch einzelne Teilchen einen Transistor beeinflussen und ein Bit umkippen lassen. Das machte sich spätestens bemerkbar, als die ersten elektronischen Systeme in der Nähe von Atombombenexplosionen installiert wurden. Da Abschirmung nicht immer praktikabel ist, begann die Entwicklung strahlungsresistenter Hardware wie bei so vielem in der Raumfahrt im Militär.
Neue Tricks für alte Chips
Solche Computerchips müssen anders gebaut werden. Die Strukturen normaler Chips sitzen direkt auf dem Siliziumsubstrat, aus dem sie erzeugt werden. Die Seitenwände werden weggeätzt, aber die Verbindung zum Siliziumwafer darunter bleibt bestehen. Das ist meistens kein Problem, denn Silizium ist ein Halbleiter. Der bleibt so lange ein Isolator, wie er nicht verunreinigt wird oder Ladungsträger aus dem Atomgitter frei werden. Wenn das passiert, kann Strom zwischen Strukturen fließen, die eigentlich getrennt sein sollten. Chips auf echten Isolatoren, wie Aluminiumoxid, sind viel strahlungsresistenter. Die Bandlücke ist um ein Vielfaches größer, also die Energie, die benötigt wird, um Elektronen in einen leitfähigen Zustand in dem Material zu versetzen.
Zur Herstellung von solchen Chips können keine herkömmlichen Produktionsanlagen genutzt werden. Stattdessen gibt es hochspezialisierte Firmen, die solche Chips in kleinen Stückmengen herstellen. Die Technik bei der Herstellung kann natürlich nicht mit der aktuellen Halbleitertechnik in der Massenproduktion mithalten, also werden Chips mit größeren Strukturbreiten gebaut. Auch die Entwicklungszyklen sind mit etwa 10 Jahren viel länger als bei kommerziellen Chips. Um die Entwicklungskosten möglichst niedrig zu halten, wird dabei oft auf alte Chipdesigns zurückgegriffen. Solche Chips werden dann zu 5-stelligen Preisen bei Herstellern wie BAE Systems oder Synova bestellt.
Mit der Playstation zum Pluto?
Die Planung einer Raummission nimmt viele Jahre in Anspruch. Sie kann aber nur mit der Technik geplant werden, die am Anfang zur Verfügung steht. Wenn die Mission dann noch fast ein Jahrzehnt unterwegs ist, kommen aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit fast schon antiker Computertechnik zu uns.
Die Pluto-Sonde New Horizons verwendet so zum Beispiel einen 12 MHz Mongoose V Chip (PDF).
Dieser Chip basiert auf dem MIPS R3000, der mit einer Taktung von knapp 40 MHz auch in der ersten Sony Playstation zum Einsatz kam.
Inzwischen ist die Entwicklung weiter fortgeschritten, so dass PowerPC-basierte Systeme wie der Rad750 zum Einsatz kommen, die bis 200 MHz getaktet sind. Die neueste Generation sind Multicore-Prozessoren wie der Rad5500 vom Hersteller BAE.
Redundante Systeme zur Erhöhung der Redundanz
New Horizons hat zwei vollständige, redundante Computersysteme mit je zwei solchen CPUs. Eine ist für Kommando- und Datenverarbeitung zuständig, die andere für die Navigation und Steuerung, die auch die zur Orientierung nötigen Daten von den Startrackern verarbeitet.
Zwischen beiden Systemen und den Instrumenten an Bord gibt es zahlreiche Querverbindungen. Der Kommando- und Steuerprozessor kann zum Beispiel auch auf die Instrumente zur Navigation zugreifen, und es können auch zwei Prozessoren der beiden Computersysteme zusammenarbeiten, wenn in beiden Systemen je ein Prozessor ausgefallen ist.
Diese Querverbindungen erlauben es den Ingenieuren, später auf Fehler in einzelnen Komponenten so flexibel zu reagieren, dass ihre Lösungen denen eines Geordi La Forge oder Scotty in nichts nachstehen. Abgesehen von robuster und redundanter Hardware sollte natürlich auch sichergestellt sein, dass Fehler auf der Systemebene erkannt und abgefangen werden. Neben diversen Prüfbits zur Fehlererkennung und -korrektur gehört dazu auch ein Watchdog Timer. Das ist eine Art digitaler Totmannknopf. Es ist ein Gerät, das über eine Schnittstelle mit dem Computer verbunden oder direkt in den Chip integriert wird. Das Betriebssystem des Computers muss in regelmäßigen Abständen ein Signal an den Watchdog schicken.
Passiert das nicht, schaltet der Watchdog das System ab und lässt es neu starten. Watchdog geht davon aus, dass etwas Ernsthaftes schiefgegangen sein muss, wenn das System das Signal nicht mehr pünktlich schicken kann.
Die genauen Anforderungen an die Hardware variieren dabei auch je nach Zweck. Für den Hauptprozessor und dessen Arbeitsspeicher gelten viel höhere Anforderungen an Fehlerfreiheit als beispielsweise für einen reinen Datenspeicher. Dementsprechend findet man in den Katalogen der Hersteller auch verschiedene Abstufungen von Strahlungsresistenz.
Natürlich sind die Daten von wissenschaftlichen Instrumenten wichtig, aber ein falsches Bit kann zumindest nicht dazu führen, dass die ganze Sonde verloren geht. Trotzdem ist der Datenspeicher von New Horizons doppelt ausgelegt (je 64 Gigabit), denn es gab nie mehr als eine Chance die Daten aufzunehmen, so dass ein Verlust der Daten dem Scheitern der Mission gleichkommen würde. Wie man an den Bildern und den wissenschaftlichen Daten vom Pluto-Flyby sieht, hat das alles aber bisher ganz hervorragend funktioniert.
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