Raumfahrttechnik ist meistens große Technik, richtig große Technik. Große Raketen heben mit gewaltigen Triebwerken vom Boden ab und erreichen extreme Geschwindigkeiten um in den Orbit zu kommen. Aber die Rakete einmal angekommen ist, sieht es oft anders aus. Plötzlich sind die leisen Töne gefragt, wenn Satelliten präzise gesteuert werden müssen.

Ganz ohne festen Punkt und ganz ohne Reibung ist stillstehen plötzlich eine echte Herausforderung. Winzige Kräfte ziehen an Satelliten, die zu einer Rotation führen oder zu Abweichungen von der geplanten Flugbahn. In vielen Fällen ist das nicht so schlimm. Aber einige Experimente erfordern äußerste Präzision. Ein Extremfall ist sicherlich die LISA Pathfinder Mission, die einige Systeme für den Nachweis von Gravitationswellen mit einem späteren Experiment testen soll.

Um so einen Satelliten in einer möglichst exakten Lage zu halten, braucht man besonders schwache Triebwerke – nur zur Abwechlung. Sie müssen nicht nur besonders schwach sein, sondern auch gut regelbar um eine Drehung oder ein Driften möglichst exakt ausgleichen zu können. Das macht man dort mit FEEP Triebwerken – “Field-emission electric propulsion”.

Das Prinzip ist recht einfach. Als Treibstoff nimmt man ein leicht zu verflüssigendes Metall, meistens Caesium, Gallium, Indium oder Rubidium. Dann formt man aus einem anderen Stoff eine Nadel und sorgt dafür, dass der Treibstoff zur Spitze dieser Nadel gelangen kann, zum Beispiel durch einen porösen Stoff. Der Treibstoff dringt durch die Poren zur Spitze der Nadel vor und überzieht sie mit einem dünnen Film des Treibstoffs. Das ist auch schon der komplizierte Teil des Triebwerks. Über die Nadel kommt eine Elektrode mit einem ausgeschnittenen Loch, durch das der Treibstoff hindurch beschleunigt werden soll.

Im Betrieb legt man an die Elektrode und die Spitze eine Spannung von etwa 10000 Volt an. An der Spitze selbst entstehen dabei besonders große Feldstärken. Die Feldlinien des elektrischen Feldes laufen dort zusammen, genau wie an der Spitze eines Blitzableiters. Das sorgt dafür, dass einige Atome an der Oberfläche der Spitze ionisiert werden und sich kleine Tröpfchen aus teilweise ionisierten Atomen von ihr ablösen. Durch den großen Spannungsunterschied werden die Ionen in Richtung der ringförmigen Elektrode beschleunigt und die allermeisten fliegen auch durch das Loch hindurch nach draußen. Natürlich muss der Verlust von positiv geladenen Ionen dann noch durch eine Kathode ausgeglichen werden, die deren Ladung durch  Elektronen ausgleicht. Aber im Prinzip war es das schon.

Diese Spitzen müssen sehr klein sein, die Mengen an Treibstoff sind auch notwendigerweise sehr klein. Das Ergebnis ist ein elektrisches Triebwerk, mit sehr kleinem Schub. Er ist charakteristischerweise so klein, dass die Entwicklung eines FEEP-Triebwerks mit einem ganze Millinewton Schub ein eigenes Paper wert war. Ernsthaft weiterentwickelt wurden FEEP Triebwerke erst in den 90er Jahren und inzwischen wurden sie auch bis zur Einsatzreife gebracht.

Die Triebwerke haben zusätzlich auch einen sehr hohen spezifischen Impuls. Sie erreichen Austrittsgeschwindigkeiten von bis zu 100km/s. Das wird zwar bei höherem Schub weniger (die abgelösten  Tröpfchen werden etwas größer), aber trotzdem kann man eine sehr gute Treibstoffeffizienz erreichen. Die ist allerdings auch notwendig, weil der Aufbau so aufwändig ist, dass die Treibstoffmengen meistes sehr klein sind. Für den geplanten Einsatz in der Lageregelung und Feinkorrektur ist das aber kein Hindernis. Genau dort sind sie auch ganz hervorragend geeignet, vor allem weil der Schub solcher Triebwerke bis in den Bereich von einigen zig Nanonewton genau gesteuert werden kann.

Inzwischen wurden in Deutschland auch schon erste Testexemplare für den Einsatz in Cubesats entwickelt. (Es lohnt sich, das Paper anzuschauen. Allein schon wegen der Mikroskopischen Aufnahme der verwendeten Nadelspitzen aus porösem Tantal.) Sie zeigen aber auch sehr deutlich die (derzeitigen) Grenzen dieser Technik. Der Antrieb allein wiegt etwa 300 Gramm, was eine Menge ist, bei Satelliten die nur 2,3kg wiegen dürfen. Die Treibstoffmenge darin ist mit 0,25g verschwindend klein. Sie würde nur zu einer Geschwindigkeitsänderung von 30m/s reichen. Aber auch bei den Cubesats ist das nicht der Sinn der Sache. Denn gerade dort ist die Lageregelung eine schwierige Sache. Viele Cubesats taumeln mehr oder weniger unkontrolliert im Orbit, weil sie durch ihre Größe keine ausgefeilten Mechanismen zur Lageregelung haben. Das reicht für viele einfache Anwendungen aus, aber mit steigender Beliebtheit steigen auch die Ansprüche an die Satelliten und die Experimente, die man mit ihnen durchführen will. Mit den kleinen FEEPs könnte man Cubesats wohl fast genauso gut steuern wie “die Großen” – ein kleiner Schritt nach vorn für kleine Satelliten.

Kommentare (5)

  1. #1 PDDOW
    16. November 2015

    Cool, danke!
    Immer wieder schön, was neues zu entdecken!
    Schönen Abend noch

  2. #2 Turi
    16. November 2015

    Wie sieht das denn bei Ionentriebwerken im generellem mit dem Ladehaushalt aus? Wenn ich aus einem Triebwerk konstant positive Ionen ausstoße, dann lädt sich das Triebwerk negativ auf. Ist die Lademenge unwesentlich oder wird das anderweitig ausgeglichen?

    • #3 wasgeht
      16. November 2015

      Die wird auch dort mit einer Kathode ausgeglichen. Nur reine Plasmatriebwerke brauchen das nicht, eben weil es echtes Plasma ist – Ionen und Elektronen gemischt.

  3. #4 Turi
    17. November 2015

    Mit einer Kathode ausgeglichen bedeutet in dem Fall dann, dass die Ionen bevor sie das Treibwerk verlassen, aber nach dem sie Beschleunigt wurde, neutralisiert werden?

    • #5 wasgeht
      17. November 2015

      Ja.