Der Satz “Haben die denn keine anderen Probleme?” gehört nicht gerade zu meinem Standardrepertoire. Aber besondere Umstände erforden besondere Maßnahmen, in diesem Fall gefolgt von einem deftigen “Ja haben die denn jetzt endgültig den Verstand verloren?”. Bevor das Phrasenschwein platzt sollte ich wohl erklären worum es geht.

Ein in Großbritannien ansässiges Architekturbüro hat letzte Woche Pläne veröffentlicht, die sie bisher “aus Sicherheitsgründen” verschlossen hielten. Es geht um den Entwurf einer vertikalen Stadt. Das ist keine neue Idee, ähnlich gab es auch schon in China wo sie unter dem Namen “Sky City” in Changsha (Hunan) gebaut werden sollte. Auch wenn die Idee noch immer nicht umgesetzt wurde. Es spricht einiges dafür, vor allem der geringe Flächenverbrauch.

Aber es ist das eine, wenn in China in einer der vielen boomenden Städte neue Rekordbauten errichtet werden sollen. Es ist eine andere Sache, wenn das gleiche in Basra, im Irak, passiert. Während das Land im absoluten Chaos versinkt, versucht das Gouvernement von Basra an der Golfküste ein reines Prestigeprojekt mit Öleinnahmen aus dem Boden zu stampfen. Das sieht im Imagevideo des Architekturbüros dann so aus:

(The Bride – Basra's Vertical City Video von AMBS_MEDIA on Vimeo.)

Zur Orientierung: Zu osmanischen Zeiten gehörte Basra noch zum angrenzenden Kuwait und ist genauso reich an Öl – die Geologie pflegt nicht, sich an geographische Grenzen zu halten. Es fällt in Anbetracht solcher Entwicklungen äußerst schwer zu glauben, dass es beim Irakkrieg tatsächlich doch nicht um Öl gegangen wäre.

Die ganze Angelegenheit ist wie ein bizarrer Blick in eine Parallelwelt, in der das 19. Jahrhundert nie zuende ging, als Rohstoffe in Kolonien völlig unabhängig vom Schicksal der lokalen Bevölkerung ausgebeutet wurden und ihre Städte im höchsten Glanz einer fremden Macht erstrahlten. Es macht doch einigermaßen sprachlos.

Kommentare (4)

  1. #1 Tim
    27. November 2015

    Es fällt in Anbetracht solcher Entwicklungen äußerst schwer zu glauben, dass es beim Irakkrieg tatsächlich doch nicht um Öl gegangen wäre.

    Nicht wirklich. Wenn die USA am Öl eines anderen Landes interessiert sind, kooperieren sie mit ihm in der Regel auch noch über die krassesten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Grenzen hinweg, siehe etwa die Fälle Saudi-Arabien und Venezuela.

    Die größten wirtschaftlichen Interessen und entsprechende Förderlizenzen am Irak-Öl hatte damals Frankreich, wenn ich mich richtig erinnere. Darum waren sie ja auch die stärksten Kriegsgegner.

  2. #2 BreitSide
    Beim Deich
    28. November 2015

    Klar, die Franzosen HATTEN sie, die Amis WOLLTEN sie…

    PS: Ist Flächenverbrauch im Irak wirklich ein Problem? Ich hatte mal gelesen, dass ein Hochhaus von mehr als 50(?) Stockwerken nicht mehr wirtschaftlich betreibbar ist.

  3. #3 fherb
    29. November 2015

    Es ist wirklich tragisch: Nicht die Idee des Architekten. Sondern dass die Amerikaner nicht nur einfach ihr Kuweit befreit haben, sondern sich Bush hat vor den Karren der Waffenhersteller spannen ließ und deren Wunschtraum hat wahr werden lassen: Ein destabilisiertes Gebiet, das für Jahrzehnte zum Absatz der Waffensystemindustrie der USA bei trägt!

    Es ging also nicht nur ums Öl, sondern sehr wesentlich um den VERBRAUCH von Waffen und Munition!

    Und nicht zuvergessen: deutsche Kriegsinputlieferanten!

  4. #4 DasKleineTeilchen
    terra
    2. Dezember 2015

    ja, hab ich gestern gelesen; meine reaktionen waren deiner nicht unähnlich…”wait WHAT?!? im IRAK?!?”

    pretty sick, that.