Es gibt wenig, das man über den ersten Weltkrieg selbst noch sagen müsste. Millionen wurden ungeschützt in den sicheren Tod getrieben, von kommandierenden Offizieren die nicht verstanden, was ihnen gegenüber stand. Das waren moderne Artillerie und Maschinengewehre.
Dabei waren Maschinengewehre keine neue Erfindung. Die ersten Exemplare wurden schon im amerikanischen Bürgerkrieg von Gatling entwickelt und später von Maxim verbessert. Anstatt einer Kurbel benutzten die Maxim Maschinengewehre die Energie des Schießpulvers um die nächste Patrone zu laden und abzuschießen. Sehr viel detaillierter wird das in (meistens amerikanischen) Videos wie diesem hier erklärt, auch wenn man sich hier auf um Hintergründe bemüht:
Hier will ich aber keine technischen Details diskutieren, sondern die Hintergründe. Zum Begin den ersten Weltkriegs war die Technik schon ein halbes Jahrhundert alt und hatte einen hohen Grad an Perfektion erreicht. Alle Regierungen Europas kauften sie oder bauten eigene Varianten. Besonders in bei Militäreinsätzen in den Kolonien der diversen Weltmächte. Verewigt wurde das 1898 von Joseph Hilaire Pierre René Belloc in der (viel längeren) Dichtung “The modern Traveller“. (Über “Henry Sin” und “William Blood”)
Blood understood the Native mind.
He said : ” We must be firm but kind.”
A Mutiny resulted.
I never shall forget the way
That Blood upon this awful day
Preserved us all from death.
He stood upon a little mound,
Cast his lethargic eyes around,
And said beneath his breath :
Whatever happens we have got
The Maxim Gun, and they have not.”
He marked them in their rude advance,
He hushed their rebel cheers ;
With one extremely vulgar glance
He broke the Mutineers.
(I have a picture in my book
Of how he quelled them with a look.)
We shot and hanged a few, and then
The rest became devoted men.
And here I wish to say a word
Upon the way my heart was stirred
By those pathetic faces.
Surely our simple duty here
Is both imperative and clear ;
While they support us, we should lend
Our every effort to defend,
And from a higher point of view
To give the full direction due
To all the native races.
And I, throughout the expedition,
Insisted upon this position.
Vor allem die beiden Zeilen “Whatever happens we have got/ The Maxim Gun and they have not” sind recht weit bekannt. (Egal was passiert. Wir haben das Maschinengewehr und die nicht.) Das Gedicht zeigt die Situation. Maschinengewehre wurden ausschließlich zur Unterdrückung kaum oder gar nicht bewaffneter Bevölkerung in Kolonien benutzt, mit denen sie massenhaft getötet werden konnten. Ihr Einsatz in der Kriegsführung war dagegen zumindest für die meisten Kommandeure außerhalb der Kolonialarmeen wortwörtlich undenkbar. Ihr Einsatz wäre unmoralisch und würde gegen die militärische Ehre verstoßen, wie es auch im Video erklärt wird.
Im Einsatz gegen die weit unterlegenen Bewohner von Afrika und Asien stellten sich solche Fragen hingegen nie. Der Grund dafür war die schlichte Unfähigkeit sie als vollständig menschliche Wesen wahrzunehmen. Das galt zu dieser Zeit nicht nur für die Amerikaner, sondern auch für alle regierungsverantwortlichen europäischer Länder – und selbstverständlich auch für das imperialistische Japan, das die europäische Ideologie übernahm.
Arthur Conan Doyle (Autor von “Sherlock Holmes”) schrieb zu dieser Zeit “The Crime of the Congo“. Der Kongo (das Land!) war damals Privatbesitz von König Leopold II von Belgien, der die Bevölkerung zu seiner Bereicherung ausnutzen ließ. Die Zahl der Todesopfer wird auf 10 Millionen geschätzt, hinzu kommen unzählige Verstümmelte, deren Hände wegen ungenügender Arbeitsleistung abgeschlagen wurden.
Es gab schlicht kein imperialistisches Land, das von solchen und ähnlichen Monstrositäten frei gewesen wäre. Als Rechtfertigung wurde das Bemühen vorgebracht, den Menschen helfen zu wollen, das durchaus ernst gemeint war und auch nur so verständlich ist. Die wenigsten Menschen denken von sich selbst als böse Menschen.
Gleichzeitig herrschte unter den imperialen Mächten gegenseitiger Respekt und volle Anerkennung, was sich dann auch in den etablierte Regeln der Kriegsführung ausdrückte. Die waren natürlich fast bedeutungslos, denn die imperialen Mächte führten zu dieser Zeit praktisch keine Kriege gegeneinander. Zumindest so lange die Welt noch nicht vollständig untereinander aufgeteilt war.
Der einzige moderne Krieg vor dem ersten Weltkrieg war der russisch-japanische Krieg von 1905, aus dem aber praktisch keine Lehren gezogen wurden. Schließlich war Russland nur eine zweitrangige Macht und Japan weit weg.
Es war der erste Weltkrieg, bei dem sich die europäischen Mächte zum ersten Mal mit modernen Waffen auf dem Schlachtfeld gegenüber standen und die Kommandeure nicht verstanden womit sie es zu tun hatten. Maschinengewehre töten nicht nur jene halbbarbarischen Wesen in fernen Ländern, sondern auch echte Menschen in Europa.
Die Konsequenzen waren schockierend für viele Europäer, aber keineswegs schlimmer als die beinahe alltäglichen Massaker der letzten Jahrzehnte im Rest der Welt. Der Krieg führte den Europäern die Macht moderner Waffen plastisch vor Augen. Die Konsequenz war eine (verständliche) Ablehnung weiterer Kriege in Europa, aber keine Abkehr vom Imperialismus.
Der Imperialismus kam erst zum Ende, als die Japaner durch die Eroberungen in Ost- und Südostasien bewiesen, dass die Europäer nicht unbesiegbar waren. Sie konnten die Eroberung durch Japan nicht verhindern. Als die Kolonien nach dem Krieg ihren “rechtmäßigen Eigentümern” übergeben wurden, setzte sich dort die Erkenntnis durch, dass Widerstand gegen die imperialen Mächte zur Unabhängigkeit führen würde.
Was die Europäer angeht, so haben sie in jeder Hinsicht erst gelernt, als sie im ersten Weltkrieg ihre eigenen Waffen und im zweiten Weltkrieg ihre eigenen Ideologien selbst zu spüren bekamen. Erst die Erkenntnis, dass man selbst zum Opfer der Konsequenzen des eigenen Denkens werden konnte, führte zu einer nachhaltigen Abkehr davon. Leider aber auch zum Glauben, man hätte jetzt aus den alten Fehlern gelernt.
Man braucht aber nur an die Erstürmung des Hauses mit den Terroristen von Paris denken, um zu zeigen, das die gleichen Unterschiede noch immer gemacht werden. Das Haus wurde über mehrere Stunden belagert und in dem Prozess bis zur Abrissreife zerstört.
In einer identischen Situation in Afghanistan, Pakistan oder Palestina hätte man das Haus selbstverständlich nicht erstürmt, sondern durch Luftangriff mit einer Drohne oder einen Jagdbomber zerstört. Vielleicht hätte man die Bewohner des Hauses noch durch “Anklopfen” mit einer kleineren Bombe in eines der oberen Stockwerke vorgewarnt.
Ein solches Vorgehen ist im mittleren Osten das normale Gebahren diverser Akteure im Kampf gegen Terroristen. Meistens mit sehr viel schlechteren Informationen als in diesem Fall. In der Vorstadt einer europäischen Metropole ist der Einsatz von Hellfire Raketen oder Smartbombs dagegen undenkbar. Es fragt sich in Anbetracht der Geschichte, was nötig sein wird, bis sich die Erkenntnis durchsetzen wird, dass das untragbar ist.
(Titelbild aus Wikipedia.)
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