Eine offensichtliche Frage, die ich vor Begeisterung über die Landung der Falcon 9 Rakete in keinem Artikel länger beantwortet habe, ist die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Wiederverwendung. Der wichtigste Grund dafür ist natürlich, dass sie die Frage überhaupt nicht stellt, so lange die Raketen vollständig in Form von Trümmen im Meer landen. Der zweitwichtigste Grund ist, dass Artikel nur eine begrenzte Länge haben und nicht aus wild zusammengewürfelten Themen bestehen sollten. Also, eins nach dem anderen.
Das 20-Elefanten-schwere Problem im Raum ist natürlich das Space Shuttle, das als Wiederverwendbar und sparsam angepriesen wurde – aber tatsächlich den teuersten Weg darstellte, etwas in einen niedrigen Erdorbit zu bringen. In einem Kommentar zum vorletzten Golem Artikel habe ich es so beschrieben:
“Das SpaceShuttle war einfach zu teuer, zu aufwendig und zu unflexibel. Alleine schon die Besatzung war ein Sack voll Probleme die man bei einem Raketenstart überhaupt nicht haben will, wenn es nur darum geht einen Satelliten in den Orbit zu bringen. Dazu kommt noch die Masse des SpaceShuttle selbst, also die von dem Orbiter. Voll getankt und voll beladen wogen die Shuttles beim Start ~120 Tonnen. Davon ~20 Tonnen Nutzlast und ~20 Tonnen Treibstoff für Manöver im Orbit.
Wenn man mit dem Shuttle etwas in einen höheren Orbit bringen wollte, musste man noch eine Raketenstufe mitnehmen – die dann aber Teil der 20t Nutzlast war. In den regulären Übergangsorbit zum Geostationären Orbit (GTO -> GSO) konnte man so nur noch ~4 Tonnen bringen. Das ist der wichtigste Orbit, für den auch die meisten Nutzlasten vorgesehen sind.” – Auch wenn das Space Shuttle meistens nur Nutzlasten in den niedrigen Orbit gebracht hat.
“Für diese 4 Tonnen Nutzlast wog das ganze Trumm auf der Startrampe ~2600 Tonnen und es hat zusätzlich ~$450mio gekostet nur um es dort hin zu bringen. (Ohne jede Kosten für Anlagen, Unterhalt, Entwicklung und Bau von SpaceShuttles etc. Mit diesen Kosten waren es am Ende etwa $1,5Mrd pro Flug.) Die Falcon 9 kann ohne Wiederverwendung über 6 Tonnen in den gleichen Orbit bingen, wiegt beim Start knapp 600 Tonnen und kostet pro Flug $61mio. Mit Landung reduziert sich die Nutzlast auf 4,8 Tonnen und wo genau der Preis dann sein wird, muss sich erst noch zeigen. Wahrscheinlich niedriger.
Die zweite Stufe und die Startvorbereitungen kosten ~$15-18mio. Sinnvoll ist die Wiederverwendung der 1. Stufe, wenn die Aufarbeitung mindestens $15mio im Vergleich zum Neubau spart – eben weil man ~1/4 der Nutzlast verliert. Ich glaube aber nicht, dass man auch nur näherungsweise $30mio für die Aufarbeitung ausgeben muss. Die Triebwerke in der ersten Stufe laufen z.B. nichtmal halb so lang wie das (identische) Triebwerk der zweiten Stufe. Im Prinzip sollte der Aufwand kurzfristig nicht weit über eine Inspektion und nochmal auftanken hinaus gehen. In der Praxis muss es sich zeigen. Langfristig ist es mit den gebrauchten Raketenstufen dann so wie mit gebrauhten Autos. Wenn die Reparatur zu viel kostet, werden nützliche Teile ausgebaut und der Rest verschrottet. Wenn das nach dem 2. Flug ist, dann ist es eben nach dem 2. Flug – Kosten gespart hat man trotzdem.”
Worauf ich dabei nicht eingegangen bin, ist, dass man beim Space Shuttle versuchte, mit der Einsparung beim falschen Ende anzufangen. Es sollte nicht überraschen, dass die teuersten Raketenstufen im allgemeinen die größten Stufen sind – und damit die untersten. Der wiederverwendbare Teil beim Shuttle war aber die zweite Stufe. Man wollte die erste Stufe möglichst billig machen und dafür die zweite, wiederverwendbare, Stufe so effizient machen, dass sie die Schwächen der ersten Stufen ausgleichen kann. Mit anderen Worten, man hat die zweite Stufe, die eigentlich billiger als die erste Stufe ist unglaublich komplex und teuer gemacht, um die erste Stufe etwas billiger zu machen und hoffte dabei auf Einsparungen.
Wenn man Geld einsparen will ist es aber nach einhelliger Expertenmeinung grundsätzlich eine gute Idee, wenn man teure Teile billiger macht und nicht billige Teile teurer. Vor allem musste die erste Stufe 5 mal so viel Masse anheben wie normale Raketen mit ähnlicher Nutzlast, weil nur ein fünftel der Masse des Orbiters auch Nutzlast ist. Die erste Stufe wurde damit zwar nicht ganz 5 mal so teuer, aber mit Sicherheit nicht billiger. Man hat also die billigen Teile teurer gemacht und musste dafür die Teile die man billiger machen wollte um so größer und teurer machen.
Natürlich hat das viele Leute skeptisch gemacht, ob man mit der Wiederverwendung von Raketen überhaupt Geld einsparen kann. Schließlich kann man immer auf das Shuttle zeigen und sagen: Damals hat man auch behauptet, man könne damit Geld einsparen und es wurde sogar teurer! Wieso sollte es heute anders sein? Ganz einfach: Weil man am teuersten Teil der Rakete Geld einspart und den Rest so lässt wie er ist. Selbst die erste Stufe wurde für die Landung nur minimal verändert – mit vier Landebeinen, Gitterflossen und größeren Stickstofftanks für die Kaltgasdüsen.
Außerdem steckt eine Rakete zusätzliche Masse in der ersten Stufe viel leichter weg, als in der zweiten Stufe. Jede Tonne zusätzliche Masse in der 2. Stufe führt dazu, dass die Nutzlast um eine Tonne sinkt. (Bei einer zweistufigen Rakete) In der ersten Stufe verliert man hingegen nur einen Bruchteil davon, weil man die zusätzliche Masse nicht mit in den Orbit schleppen muss. (Etwa 200kg weniger Nutzlast pro zusätzlicher Tonne in der 1. Stufe. Je nach Orbit und Nutzlast.)
Hatte ich erwähnt, dass es viel schwerer ist, eine zweite Stufe intakt zurück zur Erde zu bringen und dafür mehr zusätzliche Masse braucht als eine erste Stufe?
Nein. Die erste Stufe fliegt nur mit ungefähr 2km/s wenn sie abgetrennt wird. Die zweite Stufe muss dagegen von 8-10km/s abgebremst werden (je nach Orbit). Das entspricht der 4-5 fache Geschwindigkeit und damit der 16-25 fachen kinetischen Energie. Diese Energie wird beim Wiedereintritt in Wärme umgewandelt und das ist bei so hohen Geschwindigkeiten mit entsprechend größerem Aufwand und mehr Masse verbunden.
Die Wiederverwendung von Raketenstufen lohnt sich auf jeden Fall, wenn man an der richtigen Stelle anfängt. Natürlich hat sich Elon Musk das langfristige Ziel gesetzt, alle Teile wiederzuverwenden. Aber anstatt beim schwierigsten Teil anzufangen, fing SpaceX beim einfachsten an. Die grundsätzliche Wiederverwendbarkeit der Raketenstufen hat man schon beim Grasshopper Programm gesehen und die Haltbarkeit der Triebwerke stand auf dem Teststand auch nie in Frage.
Die Unterschiede sind so groß und das Programm aus physikalischer Sicht so viel vernünftiger, dass ein einfaches “beim Space Shuttle hat es auch nicht geklappt” längst nicht mehr als Grundlage für Zweifel an möglichen Einsparungen ausreicht.
Kommentare (15)