Die ESA hat engültig alle Versuche abgebrochen, doch noch mit Philae in Kontakt zu treten. Der Lander der Rosetta Mission hat sich seit dem Aufsetzen auf der Kometenoberfläche nur noch sporadisch gemeldet. Der Grund dafür war die Energieversorgung. Es kam zwar noch Licht auf die Solarzellen des Landers, aber er war nicht mehr in der Lage seine Akkus aufzuladen, nachdem der Hauptbatterie die Energie ausging.
Weil Philae auf einem rotierenden Kometenkern landen sollte, konnte sie nur über einen Akku dauerhaft mit Strom versorgt werden. Mit einer Rotationsperiode von etwas mehr als 9 Stunden ist regelmäßig Nacht auf dem Kometen. Damit hat Philae das gleiche Problem wie die solarbetriebenen Marsrover Spirit und Opportunity, oder auch die Stromversorgung mit Photovoltaik auf der Erde.
Unter guten Bedingungen hätte das wohl auch geklappt. Satelliten im niedrigen Erdorbit oder die ISS lösen das Problem zuverlässig und über lange Zeit. Aber so viel Glück hatte Philae nicht. Erste Probleme zeichneten sich schon vor der Abkopplung von Philae ab, als sich das Ventil einer Kaltgasdüse nicht bewegte. Solche Düsen sind einfach an eine Stickstoffflasche unter hohem Druck angeschlossen, der dann durch die Düse nach außen geleitet wird und so Schub erzeugt. Es ist die einfachstmögliche Konstruktion eines Raketentriebwerks, aber trotzdem hat das entscheidende Teil an ihr versagt. Die Kaltgasdüse sollte sicher stellen, dass der Lander nach dem Aufsetzen auf dem Landepunkt bleibt und nicht gleich wieder zurück springt. Das ist aber passiert. Statt zum ausgesuchten Landepunkt geriet Philae in eine Spalte, wo sie teilweise vom Sonnenlicht abgeschattet war.
Nach der Landung erzeugten die Solarzellen in der Spitze nur 3 bis 4 Watt Strom, für etwa 20 Minuten pro Rotation und etwa ein Watt für eine weitere Stunde. Das war fast schon das Todesurteil für Philae.
Zum Aufladen des Akkus braucht man aber nicht nur Strom, sondern auch einen ladebereiten Akku. Wenn er zu kalt ist, kann er nicht aufgeladen werden. Die Grenze dafür liegt ungefähr bei 0 Grad, unter -20 Grad gibt der Akku auch keinen Strom mehr ab. Das ist ein ernsthaftes Problem. Denn bei der Landung am 12. November 2014 war der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko noch etwa 3 AU von der Sonne entfernt, also dreimal so weit wie der Abstand von der Sonne zur Erde. Dort ist man längst in der kalten Gegend unseres Sonnensystems, wo Temperaturen über dem Gefrierpunkt selbst im Sonnenschein selten sind. Man rechnete mit Umgebungstemperaturen von -150 bis -170 Grad.
Um die Batterien erst aufzuwärmen und dann zu laden hätte die Sonde 50 bis 60 Wattstunden pro Tag gebraucht. Sie hatte aber nur zwei Wattstunden zur Verfügung. Bei den wenigen kurzen Kontaktaufnahmen mit Philae nach der Landung lief die Sonde direkt mit Strom von den Solarzellen. Auch näher an der Sonne war sie damit weit entfernt von jeder Chance, die Batterien aufzuwärmen und zu laden. Denn selbst beim halben Sonnenabstand steigt die Leistung der Solarzellen nur um das vierfache. Den größten Teil des Stromverbrauchs machten dabei die strombetriebenen Heizelemente aus, die wären aber nicht unbedingt nötig gewesen.
Auch die beiden Marsrover Spirit und Opportunity hatten ernsthafte Probleme in der kalten Umgebung des Mars, obwohl sie sich immerhin “nur” in 1,5 AU Entfernung befinden. Um trotz der extrem kalten Marsnächte immer eine ladebereite Batterie zu haben, und auch andere empfindliche Teile auf ausreichend hoher Temperatur zu halten, haben die Marsrover acht Radionuklid Heizelemente. Die haben dort etwa die Form und Größe einer “C” Batterie. Darin befindet sich eine kleine Kapsel mit knapp 2,5 Gramm Plutonium-238, die eine Wärmeleistung von etwa einem Watt erreichen. Der Rest des Elements besteht aus einem Kohlenstoffkomposit, das im Fall eines Fehlstarts auch den Wiedereintritt in die Atmosphäre übersteht.
Diese Heizelemente mögen selbst keinen Strom erzeugen, aber sie sind trotzdem ein wichtiger Bestandteil der Stromversorgung. Noch weiter geht natürlich der neue Marsrover Curiosity, wo die NASA ganz auf eine Stromversorgung mit einer Radionuklidbatterie gesetzt hat. Das wäre für eine kleine Sonde wie Philae kaum sinnvoll gewesen. Ein beheizter und jederzeit einsatzbereiter Akku hätte hingegen den Rest der Mission gerettet. Das Laden des Akkus hätte zwar länger gedauert, aber die Sonde hätte weiter Daten geliefert und ihre Instrumente nutzen können. In dem Zusammenhang muss auch das Versagen der Kaltgasdüse näher untersucht werden. Zur Untersuchung des Versagens eines solchen Systems gehört nicht nur das letzte Glied der Kette. Es mussten mehrere Systeme versagen, um Philae in ihre missliche Lage zu bringen.
Philae war mit einem Budget von 200 Millionen Euro auch kein vernachlässigbarer Teil von Rosetta. Von den restlichen 1,1 Milliarden Euro wurde auch nicht nur die Rosetta Sonde entwickelt, sondern auch die Mission geplant, eine Rakete gestartet und so weiter. Philae war damit letztlich das größte und teuerste Messinstrument von Rosetta. Das einzige, das wirklich bis zum Kometen heran kommen konnte. Die dauerhafte Beobachtung der Kometenoberfläche bei der Annäherung an die Sonne war ein wichtiges Ziel von Philae, auch wenn es nach dem Scheitern als nebensächlich bezeichnet wurde.
Anstatt die Veränderungen auf der Oberfläche mit einer Auflösung von Millimetern zu sehen, mussten sich die Wissenschaftler mit einer Auflösung von einien Metern zufrieden geben. Anstatt langer Messreihen von Instrumenten mussten sie sich mit einzelnen Datenpunkten zufrieden geben. Möglicherweise hätten sie beobachten können, dass die harte Oberfläche des Kometen mit der Zeit weicher wird. Änderungen der Plasmaumgebung und des Magnetfelds, die Philae messen sollte, wären praktisch garantiert gewesen. Die Instrumente dafür befanden sich dort nicht ohne Grund, genauso wenig die Solarzellen, die alle Seiten des Sonde bedeckten – bis auf die Oberseite. Die Ingenieure hätten einen solchen Aufwand nicht betrieben, wenn alle Messungen nach der Landung tatsächlich zweitrangig oder unwichtig gewesen wären.
Die Landung auf 67P/Tschurjumow-Gerassimenko war ohne Frage eine große Leistung, die viele neue Erkenntnisse brachte. Aber es hätten viel mehr sein können. Ohne eine Diskussion von Fehlern mag die Stimmung nach der Mission besser sein, aber mit der Diskussion wird die nächste Mission besser sein. Und das ist Fortschritt.
Diesen Artikel gab es heute auch schon auf Golem.de zu lesen.
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