Die Veröffentlichung eines Papers im Astronomical Journal hat zu weiten Spekulationen geführt, dass ein neunter Planet im Sonnensystem gefunden wurde. Konstantin Batygin and Michael E. Brown vom Califonia Institute of Technology veröffentlichten das Paper mit dem Titel “Evidence for a Distant Giant Planet in the Solar System” (dt. etwa “Hinweise auf einen entfernten Riesenplanet im Sonnensystem”)
Kein solcher Planet wurde entdeckt. Es handelt sich bei dem Paper um himmelsmechanische Untersuchungen der Umlaufbahnen einiger weit entfernter Asteroiden im Kuiper Gürtel. Deren Bahnen weisen einige ungewöhnliche Eigenschaften auf, die zum Beispiel mit der Existenz eines weiteren Planeten im äußeren Sonnensystem erklärt werden könnten.
Der Kuiper Gürtel liegt hinter den bekannten Planeten. Er besteht aus Asteroiden, von denen immer mehr entdeckt werden. Das berühmteste und größte Objekt des Kuiper Gürtels ist der Zwergplanet Pluto. Einige dieser Objekte, wie der Asteroid Sedna, haben stabile Orbits mit großen langgestreckten Ellipsen. Ihre großen Halbachsen sind über 150 Astronomische Einheiten lang. Eine Astronomische Einheit ist die Entfernung von der Sonne zur Erde. Die Bahnen dieser Objekte reichen also sehr weit weg von der Sonne. Zum Vergleich: Die 1977 gestartete Raumsonde Voyager 1 ist zur Zeit etwa 134 astronomische Einheiten entfernt.
Auffällig ähnliche Umlaufbahnen
Insgesamt wurden bisher nur 13 Asteroiden in solchen Orbits entdeckt. Aber diese Orbits sind sich auffällig ähnlich. Zum Beispiel befinden sich die sonnenfernsten Punkte ihrer Umlaufbahnen alle in nur etwas mehr als einem Viertel des Sternenhimmels. Außerdem sind sie sehr nahe am Himmeläquator unseres Sonnensystems. Im allgemeinen geht man davon aus, dass solche Bahnelemente von Asteroiden im äußeren Sonnensystem recht zufällig verteilt sind.
Natürlich kann ein solches Ergebnis auf verschiedenen Wegen zustande kommen. Also haben die Forscher überprüft, ob beispielsweise nur eine bestimmte Region des Himmel nach solchen Asteroiden durchsucht wurde. Es kann auch reiner Zufall sein, aber die Wahrscheinlichkeit dafür haben die Forscher mit weit unter 1% beziffert.
Ein Planet kann Umlaufbahnen stabilisieren
Diese Ergebnisse werden schon länger diskutiert und das nun veröffentlicht Paper ist nur das neueste in der Diskussion. Eine Möglichkeit wie solche Bahnen zustande kommen können, ist ein Planet der die Umläufe der Asteroiden stört. Er würde nur bestimmte Bahnen zulassen und einige davon sogar stabilisieren. Tatsächlich fanden die Forscher mit Hilfe der Störungstheorie heraus, dass ein weit entfernter Planet mit der Masse von Neptun eine solche Möglichkeit zulassen würde. Dazu wurde eine Reihe möglicher Parameter für so einen Planeten angenommen und die dafür passenden Gleichungen gelöste.
Die Forscher warnen aber selbst vor voreiligen Schlüssen. Die Modelle sind stark vereinfacht, um überhaupt analytisch lösbare Gleichungen zu erhalten. Außerdem ist die Zahl möglicher Parameterkombinationen sehr viel größer als die wenigen Parameter, mit denen man die Gleichungen tatsächlich gelöst hat.
Sonnensystem für 4 Milliarden Jahre simuliert
Anschließend wurden numerische Modelle untersucht, in denen weniger stark vereinfachte Modelle benutzt werden können. Allerdings liefern solche numerischen Modelle keine mathematisch exakten Lösungen. Die Forscher simulieren dabei mehrfach ein Sonnensystem mit allen bekannten Planeten und einem angenommen neunten Planeten, zusammen mit einer Anzahl zufälliger Asteroiden über einen simulierten Zeitraum von 4 Milliarden Jahren. Am Ende der Simulation wird dann angeschaut, in welchen Umlaufbahnen sich die Asteroiden befinden, die übrig blieben. Die meisten Asteroiden werden im Laufe der Simulation durch die Planeten zu stark gestört und abgelenkt.
Im Ergebnis vieler solcher Simulationen sind die Forscher zu dem Schluss gekommen, dass ein Neptun-großer Planet im äußeren Sonnensystem in der Lage wäre, ein ähnliches Muster in den Umlaufbahnen der Asteroiden zu erzeugen. Aber das ist nicht der einzige Weg. Es kann aber auch sein, dass die Ursache dieser Muster nicht mehr vorhanden ist, weil sie beispielsweise während der Entstehung des Sonnensystems entstanden.
Kein Planet kann so entdeckt werden
Mit keiner dieser Methoden kann ein Planet entdeckt werden. Sie können nur Hinweise darauf liefern, dass es ein massereiches Objekt im äußeren Sonnensystem geben könnte. Das größte Problem dabei ist die geringe Zahl bekannter Asteroiden im äußern Kuiper Gürtel. Aus nur 13 Objekten lassen sich wenig konkrete Schlüsse ziehen. Falls es einen neunten Planeten gibt, dann könnte er am ehesten entdeckt werden, wenn mit mehr bekannten Asteroiden seine mögliche Bahn und sein Standort stärker eingeschränkt werden kann.
Es wäre auch nicht auszuschließen, dass die Astronomen auf der Suche nach diesen Asteroiden den Planeten selbst zufällig finden. Zur Zeit ist aber selbst die Existenz eines möglichen neunten Planeten nur eine Spekulation, wenn auch eine mit Messungen und wissenschaftlicher Analyse unterlegte Spekulation.
In jedem Fall wäre der Planet sehr weit entfernt. Ein möglicher Planet, so spekulieren die Forscher am Ende des Papers, hätte zum Beispiel eine Umlaufbahn mit einer Entfernung von der Sonne zwischen 300 und 1100 Astronomischen Einheiten. Neptun und Pluto befinden sich dagegen in einer Entfernung von etwa 30 Astronomischen Einheiten. Der neunte Planete wäre damit ein kalter, dunkler Ort. Um ihm einen Besuch abzustatten, wäre auch sehr viel mehr nötig, als eine kleine Sonde wie New Horizons.
(Dieser Artikel erschien heute früh um 8:37 schon auf Golem.de)
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