Zu Fan Hui sollte man sagen, dass er fraglos ein starker chinesischer Spieler ist, der selbst professionell in China gespielt hat. Aber heute gibt er hauptsächlich Unterricht für Amateure in Europa, die besser spielen wollen. Das bringt es mit sich, dass Fan Hui hauptsächlich Lehrspiele gegen schwächere Amateure spielt und weniger Spielpraxis gegen gleichwertige, professionelle Spieler hat.
Laut Myungwan Kim machte sich das durchaus bemerkbar. Fan Hui hat in den Spielen einige “overplays” gespielt, die in Lehrspielen bei Amateuren leicht zu falschen Reaktionen führen, aber von professionellen Spielern durchschaut werden. Das sollte man Fan Hui nicht als Arroganz auslegen, sondern als fast unvermeidliche Folge seines großen Einsatzes für den Unterricht.
Alpha Go wirkt menschlich
In jedem Fall hat sich durch die Besprechung mein Eindruck bestätigt, dass Alpha Go im Wesentlichen menschlich spielt. Anders als bei früheren Go-Programmen gibt es keinen spürbaren Unterschied zwischen den Zügen des Programms und des Menschen, auch wenn das Programm noch gewisse Eigenheiten und Schwächen hat. Tatsächlich habe ich beim ersten Spiel, das ich mir angeschaut habe, nicht auf die Namen der Spieler geschaut.
Ich konnte nicht sagen, ob Fan Hui oder Alpha Go mit Weiß gespielt hat. Es gab keine völlig erratischen, also zu keiner Spielsituation passende Spielzüge mitten im Spiel. Solche Züge waren aber bei den Monte-Carlo-Algorithmen praktisch unvermeidlich und immer wieder zu sehen.
Alpha Go spielte seine Spiele in einem eher japanischen Stil. Das ist ein ruhiger, wenig aggressiver Stil, vor allem in der Eröffnung. Andrew Jackson sagte, dass dafür wohl die Datenbanken verantwortlich sind, mit denen Alpha Go gelernt hat. Die meisten offenen Datenbanken bestehen aus alten japanischen Spielen, und auch auf dem Kiseido Go Server (KGS) herrscht im Allgemeinen der japanische Stil vor. Der eher aggressive koreanische Stil ist dort dagegen eher selten. Über 150.000 Spiele der Datenbank kamen aber allein von KGS.
Alpha Go fehlt Kreativität
Was dem Programm nach menschlichen Maßstäben fehlt, ist Kreativität und Voraussicht in einigen Situationen. Das zeigt womöglich die Schwächen des Programms und wohl auch des gesamten Ansatzes. Es hält sich hauptsächlich an typische Spielmuster und Reaktionen aus den Spielen der Datenbank. Das verleiht den Spielen auch insgesamt einen sehr menschlichen Charakter.
Bisher war es für Bots fast schon typisch, in kritischen Situationen plötzlich und nicht nachvollziehbar Tenuki, also einen Stein auf einem anderen Teil des Bretts, zu spielen. Das Ausnutzen solcher falschen Tenukis machte einen großen Teil der Spielschwäche von Bots aus.
Das neurale Netz macht Anfängerfehler
Diese Schwierigkeiten sind nun überwunden. Das Problem ist nur, dass es Alpha Go nicht überall schafft, Ausnahmen zu erkennen, in denen die gängigen Muster nicht funktionieren. Beispielsweise mussten die Programmierer explizite Algorithmen zum Umgang mit einfachen Treppen einprogrammieren. Eine Möglichkeit, Steine zu fangen, die jedem Anfänger bekannt ist und in realen Spielen praktisch nie angewendet wird.
Treppen und ähnliche Formationen werden fast immer schon im Ansatz vermieden und nie ausgespielt. Das neuronale Netz war nicht in der Lage, das Konzept selbst aus den Spielregeln und den beobachteten Spielen herzuleiten, in denen Treppen praktisch nie ausgespielt wurden. Ganz offensichtlich ist das Lernpotenzial dieser Netze noch begrenzt.
Subtile Konzepte
So ähnlich sieht es mit Konzepten wie Aji und Sente aus. Aji bezeichnet dabei das Potenzial, dass bestimmte Züge in der späteren Spielentwicklung eine wichtige Rolle spielen könnten, aber nicht müssen. Sie bleiben auf dem Brett und hinterlassen ein gewisses Geschmäckle – Aji heißt auf Deutsch Geruch oder Geschmack. Wie dieses Aji zum Tragen kommen kann, ist oft absehbar. Ob es zum Tragen kommt, hängt aber von der Spielentwicklung ab.
Sente sind Vorhandzüge, die eine so große Bedrohung darstellen, dass sie den Gegner zu einer Reaktion zwingen. Sie können lokal einen kleineren Einfluss haben als ein großer Zug in einem freien Teil des Bretts. Aber weil der Gegner reagieren muss, bleibt für den großen Zug auch später noch Gelegenheit. Auf dem hohen Spielniveau ist es ein ernsthaftes Problem, wenn ein Spieler dabei einzelne Punkte verschenkt.
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