Fusionskraftwerke kommen in 50 Jahren, hieß es schon vor mehr als einem halben Jahrhundert. Doch immer noch ist unklar, wann das erste Fusionskraftwerk gebaut werden kann. Die bisher leistungsfähigsten Fusionsreaktoren stammen aus den späten 70er und frühen 80er Jahren. Ist die Forschung in der Zwischenzeit also keinen Schritt weitergekommen? Der Schein trügt. Es hat in dieser Zeit nicht nur Rückschläge gegeben, sondern auch eine ganze Menge Meilensteine. Auf ihrer Basis sind zwei bedeutende neue Forschungsprojekte entstanden: Wendelstein 7-X in Deutschland und das europäische Iter. Und die könnten endlich einen Durchbruch schaffen.

Dieser Artikel ist in einer etwas kürzeren Fassung auch auf golem.de erschienen. Das hier ist der “Director’s Cut” mit einigen Ergänzungen am Anfang und am Ende. Das Titelbild zeigt das innere des Joint European Torus, noch mit den alten Wänden aus Graphit. Wesentlich zum Artikel beigetragen haben natürlich meine beiden Gespräche mit Alf Köhn.

Der Weg zur Entstehung dieser beiden Forschungseinrichtungen ist eine Geschichte von Misserfolgen: von naiven Vorstellungen über Plasmaphysik über plötzlich gestrichene Forschungsgelder für fertige Anlagen bis zu Problemen in der Organisation beim Bau neuer Fusionsreaktoren. Aber sie ist auch eine Geschichte von aufregenden Erkenntnissen.

Was braucht ein Fusionskraftwerk?

Fusionskraftwerke sollen in der Zukunft die Energieprobleme der Menschheit lösen, da sie durch kontrollierte Kernfusion eine Menge Energie erzeugen sollen. Kein Wunder also, dass mit Mitteln in Milliardenhöhe weltweit daran geforscht wird. Doch die Voraussetzungen für einen Fusionsreaktor sind schwer zu erfüllen.

Der Reaktor für ein Fusionskraftwerk, wie es etwa aus dem Iter-Projekt entstehen soll, muss ein Gas aus Deuterium und Tritium bei etwa 100 Millionen Grad und etwa 10 Bar Druck kontrolliert in der Schwebe halten, ohne dass zu viel Energie aus dem Gas verloren geht. Das ist überhaupt nur möglich, weil sich bei solchen Temperaturen die Elektronen von den Atomkernen gelöst haben und frei beweglich sind. Es ist damit ein Plasma, das auf elektrische und magnetische Felder reagiert.

Das ist natürlich nicht in einem einfachen Behälter möglich. Die Teilchen im Gas würden gegen die Wand stoßen, ihre Energie abgeben und sofort wieder abkühlen. Deswegen ist es hilfreich, dass die Ionen und Elektronen in einem Plasma elektrisch geladen sind. Deshalb können sie von elektrischen Feldern und Magnetfeldern beeinflusst werden, ohne mit einer Behälterwand in Berührung zu kommen. Das stellte sich aber bald als große Herausforderung heraus.

Anders als in einem idealen Gas können Kräfte in einem Plasma nicht nur durch Stöße zwischen den Bestandteilen übertragen werden, sondern auch auch durch elektrische Ladungen über große Entfernung. Das macht es zwar überhaupt erst möglich, so ein Plasma in einem Fusionsreaktor schweben zu lassen, aber sein Verhalten ist auch viel schwerer zu berechnen. Die mathematische Beschreibung des Verhaltens eines Plasmas ist zwar im Prinzip möglich, aber nicht sehr nützlich ohne Computer die Differentialgleichungen schnell mit finiten Elementen berechnen können.

Solche Computer gab es noch nicht. Außerdem macht es die hohe Temperatur des Plasmas schwierig, genaue Messdaten zu erhalten, mit denen die mathematischen Modelle aufgestellt werden können. Die Entwicklung von Fusionsreaktoren musste deshalb von Anfang an experimentell angegangen werden. Es blieb den Pionieren also nichts anderes übrig, als Experimente zu bauen und zu schauen, was passieren würde. Im Detail gilt das bis heute, auch wenn die Computermodelle immer besser werden.

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Kommentare (8)

  1. #1 Rüdiger Kladt
    26. Februar 2016

    Ich bin schon lange der Meinung, dass wir solche Projekte auch alleine durchführen sollten, da es auf europäischer Ebene zu große Verzögerungen gibt, die nur Wettbewerbern nutzen. Prominentes Beispiel ist hierfür Galileo. Im europäischen Hickhack um Jahrzehnte verschleppt, wurden gleichzeitig mit GPS Milliarden verdient und sichert Arbeitsplätze und Technologieführerschaft. Woanders!

  2. #2 MisterX
    26. Februar 2016

    Hallo, danke für diesen ausführlichen Artikel, eine Seltenheit bei den scienceblogs !

    Trotzdem finde ich das man sich in zeiten des Klimawandels lieber wieder auf die Verbesserung von Kernspaltung zurückbesinnen sollte. Nur diese sind immoment CO2 neutral und versorgen heute schon große Städte mit Energie. Das Problem ist immer noch die Nutzung von Uran, die sehr gefährlich sein kann, die überwiegende Nutzung heutzutage hat damit zu tun das man früher damit günstig Atomuboote betreiben konnte sowie Material für Atombomben hatte . Es gibt aber schon Konzepte wie die Flüssigsalzreaktoren die mit Thorium laufen und man die Zerfallszeit von den Abfällen auf bis zu 300 jahre reduzieren kann, ein sehr überschaubarer Zeitraum. Zusätzlich kann man den Atommüll der Uran betriebenen Rektoren als Brennstoff benutzen und in Brutreaktoren nochmal die Zerfallszeit verkürzen. Bis es eine kommerzielle Kernfusion gibt wird es noch ewig dauern und das ist unvereinbar mit den gefahren des Klimawandels die man heute schon beobachtet. Und bis zu einer Entwicklung dieser alternativen Reaktoren von den etablierten Konzernen kann man genau so ewig warten so lange diese mit den Uranreaktoren so viel Geld verdienen, darum ist es besser wenn man Flüssigsalzreaktoren in staatlichen Labors entwickelt die mit Steuerzahlergeld finanziert werden. Jetzt zu versuchen ein komplett neues Konzept wie Kernfusion weiter zu entwickeln ist IMO gefährlich und auch nicht wirklich vielversprechend.

  3. #3 Alderamin
    26. Februar 2016

    @MisterX

    Trotzdem finde ich das man sich in zeiten des Klimawandels lieber wieder auf die Verbesserung von Kernspaltung zurückbesinnen sollte. […] Bis es eine kommerzielle Kernfusion gibt wird es noch ewig dauern und das ist unvereinbar mit den gefahren des Klimawandels die man heute schon beobachtet.

    Es wird in der Tat ewig dauern, wenn kein Geld für die Kernfusion ausgegeben wird, deswegen macht eine Fokussierung auf Fissionskraftwerke keinen Sinn, im Gegenteil. Würde da ähnlich investiert werden wie in die Spaltung oder regenerative Energie, dann hätten wir möglicherweise schon kommerzielle Kernfusion.

    Außerdem wird der Klimwandel die Menschheit noch eine Weile beschäftigen. In der Zeit sind dann auch Fusionskraftwerke längst alltagstauglich.

  4. #4 MisterX
    29. Februar 2016

    @Alderamin: Das ist Quatsch. Es laufen heute schon sehr erfolgreiche Versuche zu Flüssigsalzreaktoren, wenn man sich auf diese konzentrieren würde wäre die Technologie in weniger als 10 Jahren tauglich für kommerzielle Dienste. Die getesteten Versuche haben sogar schon bessere Daten geliefert als vorhergesagt, findet man bei den Wikipedia Artikeln darüber. Geld in Kernfusion zu investieren macht keinen Sinn wenn man die Technologie die das gleiche und besser liefert (Flüssigsalzreaktoren können auch als Brutreaktoren benutzt werden und somit kann der Abfall der Urankraftwerke als Energiequelle benutzt werden, zeig mir mal Fusionskraftwerke die das können) schon sehr lange machbar existiert, und nur an der Geldgier der Energiekonzerne scheitert. Die typischen erneuerbaren Energien wie Wind und Solar können unmöglich großflächig Energie liefern, außer man plastert den Planeten mit den dingern zu. Über den Klimawandel gibt es Arbeiten bei denen die Wissenschaftler sagen das die Vohersagen viel zu opimistisch sind, von daher umso früher man anfängt was zu tun umso besser.

  5. #6 mustanse
    DE
    1. März 2016

    Ein schöner Artikel mit einem sinn-, grundlosen und deplazierten Seitenhieb auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die ohne Zweifel notwendige und sinnvolle Fusionsforschung ist tatsächlich sehr kostenintensiv. Demgegenüber steht der Gewinn an Wissen und technischen Lösungen in vielen Gebieten, die faszinierenden Versuchsanlagen sind nun mal im Grenzbereich des technisch Möglichen.
    Mit dem EEG stemmen wir aber jetzt die Kosten für die Markteinführung der EEs und die Ablösung der fossilen Erzeugung. Der Vergleich dazu wären die Kosten für Bau und Betrieb von x Fusionskraftwerken ab 2040/50/60. Wieviel el. Energie ist aus 500MW Heizleistung zu erwarten?
    Das Rennen um die kommerzielle Erzeugung von elektrischem Strom ist aber zugunsten der EEs entschieden. Das zeigt sich leicht am Vergleich der Kosten für neue, kommerzielle Anlagen – vgl. dazu die versprochene Einspeisevergütung für Hinkey Point C, wo es um einen (angeblich) fertig entwickelten Reaktortyp geht.
    Trotzdem hoffe ich, dass die Fusionsforschung auf hohem Niveau weiterbetrieben wird, ein kommerzielles Fusionskraftwerk ist aber imho nicht mehr zu erwarten.

  6. #7 Nordlicht_70
    1. März 2016

    In einem populärwissenschaftlichen Jugendbuch (vermutlich Ende der 70er Jahre) wurde die Schwierigkeit, das heiße Plasma in einem “Gefäß” zu halten, schön bildhaft beschrieben.
    “…., das ist so, als wenn die Pysiker versuchen würden, Wasser in einem Topf aus Eis zu kochen.”
    (Zitat aus dem Gedächtnis.)

  7. #8 fherb
    10. März 2016

    Wenn man sich das “Rauschen” der tatsächlichen Steuereinnahmen von Deutschland um die Vorhersagen und tatsächlichen Einnahmen an sieht (mehrere milliarden Euro), und sich klar macht, welchen Anteil von Fussionskraftwerken für die gesamte Zukunft am Bruttosozialprodukt ausgehen könnte… dann fragt man sich, warum hier um jede Million gefeilscht wird. Im Vergleich zu China könnte es sich Europa locker leisten 20 Milliarden Euro pro Jahr in diese Forschung zu stecken. Da Energie ein Grundrohstoff für sämtliche Wirtschaftszweige darstellt, ist der nutzbringende Gewinn jedes Euros an Investition in die Fusionskraftwerkstechnik unermesslich. – Da aber die Wirkungszeit von Politikern an den entsprechenden Schaltstellen immer noch unter der voraussichtlichen Zeit bis zum wirtschaftlichen Erfolg ist, bleibt hier jegliche Fokussierung aus. In dieser Beziehung sind Kapitalismus und Demokratie nicht das Optimum für das Überleben der Menschheit. :-/