Kernfusion bringt neue Unbekannte
Trotz aller Fortschritte: Energieverluste und die Stabilität des Plasmas sind bis heute die wichtigsten Probleme bei der Entwicklung eines funktionsfähigen Fusionskraftwerks. Die nächste Herausforderung wird der Betrieb mit einem größeren Anteil von Kernfusion an der Heizleistung des Plasmas sein. In den meisten Versuchen heute stammt praktisch die gesamte Heizleistung des Plasmas aus Wärmequellen von außen. Geheizt wird das Plasma in den derzeitigen Reaktoren durch eine Kombination verschiedener Quellen. Eine Möglichkeit ist der elektrische Widerstand im Plasma. Wie in einem normalen elektrischen Leiter entsteht auch dort Wärme durch fließenden Strom.
Allerdings nimmt der Widerstand im Plasma bei sehr hohen Temperaturen wieder ab, wodurch die damit erreichbare Temperatur begrenzt ist. Weitere Möglichkeiten sind Radio- und Mikrowellen, die mit den Ionen und Elektronen des Plasmas interagieren. Genauso trägt auch der Einschuss neutraler Teilchen zur Heizung bei, mit der in den Tokamaks auch der Strom getrieben werden soll.
In einem realen Fusionskraftwerk wird hauptsächlich die Kernfusion selbst die Heizung übernehmen. Wie genau sich das auswirkt, lässt sich aber nicht bis ins letzte Detail vorhersagen. Die Energieverluste des Plasmas werden zwar immer besser verstanden, aber zumindest müssen die theoretischen Berechnungen auch in der Praxis überprüft werden. Dafür braucht es Experimente. Die nächsten werden 2017 stattfinden, wenn zum ersten Mal nach 20 Jahren Pause wieder eine Kernfusionskampagne mit Tritium und Deuterium im verbesserten Joint European Torus durchgeführt wird.
Außerdem muss noch die Erbrütung von Tritium im Fusionsreaktor umgesetzt werden. Tritium soll dort durch Bestrahlung von Lithium mit Neutronen erzeugt werden. Bei jeder Fusion von Deuterium und Tritium wird ein schnelles Neutron frei, das für diesen Zweck zur Verfügung stehen wird. Damit dabei genug Tritium erzeugt werden kann, wird sich nicht nur Lithium, sondern auch Blei in dem Brutmantel befinden. Wenn die schnellen Neutronen auf Bleiatome treffen, können sie ein zusätzliches Neutron aus dem Kern reißen. So stehen insgesamt genug Neutronen für die Tritiumerzeugung zur Verfügung, ohne dass radioaktive Spaltprodukte anfallen würden.
Niemand weiß, wann das erste Fusionskraftwerk gebaut wird
Wann genau es so weit ist und alle Erkenntnisse in einem Fusionskraftwerk zusammengesetzt werden, kann niemand sagen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Forschungsbudgets selten stabil sind. Durch die Anstrengungen der Chinesen in der Entwicklung der Kernfusion ist die Entwicklung aber nicht mehr vollständig von einzelnen Projekten wie Iter abhängig.
Der erste chinesische Tokamak war der Asdex-Reaktor. Der Reaktor, an dem Fritz Wagner den H-Modus entdeckte, wurde nach China gebracht und dort als HL-2A wieder aufgebaut. Seit 2006 ist auch EAST in Betrieb, der Experimental Advanced Superconducting Tokamak. Während China auch einen Teil zum Iter-Programm beiträgt, wird dort schon der Bau eines weiteren, größeren Reaktors in den 2020er Jahren geplant. Der “China Fusion Engineering Test Reactor” soll zwar kleiner als Iter sein, wird aber vollständig in China gebaut werden und soll die Grundlage für ein chinesisches Demonstrationskraftwerk in den 2030er Jahren legen.
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