Finanzierung und Politik

Auch für diese Entwicklung gelten die üblichen Unwägbarkeiten. Die chinesische Politik gilt zwar als sehr langfristig im Vergleich zu europäischen und amerikanischen Verhältnissen, aber auch chinesische Forschungsgelder können gestrichen werden. Das ist inzwischen zur wesentlichen Frage geworden. Die Frage, ob der Bau eines Fusionskraftwerks möglich ist, ist geklärt. Nicht geklärt ist nur, ob und wann der Bau umgesetzt wird.

Historisch gesehen sind die technischen Probleme wesentlich leichter lösbar als die finanziellen und politischen Probleme, wie man bei der Mirror Fusion Test Facility sieht. Man sieht es auch darin, dass der leistungsfähigste Fusionsreaktor der Welt auf inzwischen 40 Jahre alter Technik basiert. Wie groß genau die Kosten von Gemeinschaftsprojekten wie ITER sind, ist dagegen schwer zu ermitteln. Die offiziellen Zahlen sind im wesentlichen Schätzungen.

Die Beiträge der einzelnen Länder werden in “Naturalien” geleistet. Die Mitglieder zahlen keine Geldbeträge, die dann einer Projektleitung als Budget zur Verfügung stünden. Das hat den Vorteil, dass ein Teil des Know-Hows und der industriellen Basis zur Herstellung dieser Komponenten anschließend in vielen Ländern zur Verfügung steht und nicht nur in einem. Es hat auch den diplomatischen Vorteil, dass mehrere Länder darin kooperieren. Gleichzeitig ist es ein organisatorischer Alptraum. Die Koordination ist schwierig und Probleme sind unvermeidlich. Es kommt nicht nur wegen der Koordinationsprobleme zu Verzögerungen. Es wird auch viel unnötiger Aufwand getrieben, weil identische Komponenten in mehreren Ländern gebaut werden.

Als Grund für diesen verteilten Ansatz werden oft die hohen Kosten angeführt, die von einem einzigen Land getragen werden müssten. Die Kosten sind in der Tat recht hoch. Letzte Schätzungen gingen von etwa 15 Millarden Euro aus. Bei einer Projektlaufzeit von 30 Jahren bedeutet das Ausgaben von etwa 500 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht in etwa den Ausgaben die 2015 für die EEG-Umlage in Deutschland alle 9 Tage anfielen und selbst diese Kosten werden noch auf alle Teilnehmerländer verteilt.

Die Alternative ist ein zentral organisierter Ansatz, wie er in China verfolgt wird. Während China auch einen Teil zum ITER Programm beiträgt, wird dort gleichzeitig ein eigenes, unabhängiges Programm verfolgt. Wann genau die Kernfusion als Energiequelle umgesetzt werden kann, ist eine Frage, die kaum beantwortet werden kann. Sie benötigt Reaktoren einer bestimmten Größe und einer bestimmte Stärke von Magnetfeldern, die keiner der jahrzehnte alten Reaktoren aufweist. Auch Wendelstein 7-X wurde als reines Plasmaexperiment entworfen und wird keine Kernfusion in nennenswertem Umfang betreiben. Möglicherweise können einige Projekte von Privatfirmen wie TriAlpha Fortschritte erzielen, aber derzeit sind sie selbst von der Leistung der Tokamaks der 70er Jahre noch weit entfernt. Die Entwicklung der Kernfusion ist keine Frage der Zeit, sondern eine Frage des Entschlusses für den Bau der nötigen Anlagen.

1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6 / 7

Kommentare (8)

  1. #1 Rüdiger Kladt
    26. Februar 2016

    Ich bin schon lange der Meinung, dass wir solche Projekte auch alleine durchführen sollten, da es auf europäischer Ebene zu große Verzögerungen gibt, die nur Wettbewerbern nutzen. Prominentes Beispiel ist hierfür Galileo. Im europäischen Hickhack um Jahrzehnte verschleppt, wurden gleichzeitig mit GPS Milliarden verdient und sichert Arbeitsplätze und Technologieführerschaft. Woanders!

  2. #2 MisterX
    26. Februar 2016

    Hallo, danke für diesen ausführlichen Artikel, eine Seltenheit bei den scienceblogs !

    Trotzdem finde ich das man sich in zeiten des Klimawandels lieber wieder auf die Verbesserung von Kernspaltung zurückbesinnen sollte. Nur diese sind immoment CO2 neutral und versorgen heute schon große Städte mit Energie. Das Problem ist immer noch die Nutzung von Uran, die sehr gefährlich sein kann, die überwiegende Nutzung heutzutage hat damit zu tun das man früher damit günstig Atomuboote betreiben konnte sowie Material für Atombomben hatte . Es gibt aber schon Konzepte wie die Flüssigsalzreaktoren die mit Thorium laufen und man die Zerfallszeit von den Abfällen auf bis zu 300 jahre reduzieren kann, ein sehr überschaubarer Zeitraum. Zusätzlich kann man den Atommüll der Uran betriebenen Rektoren als Brennstoff benutzen und in Brutreaktoren nochmal die Zerfallszeit verkürzen. Bis es eine kommerzielle Kernfusion gibt wird es noch ewig dauern und das ist unvereinbar mit den gefahren des Klimawandels die man heute schon beobachtet. Und bis zu einer Entwicklung dieser alternativen Reaktoren von den etablierten Konzernen kann man genau so ewig warten so lange diese mit den Uranreaktoren so viel Geld verdienen, darum ist es besser wenn man Flüssigsalzreaktoren in staatlichen Labors entwickelt die mit Steuerzahlergeld finanziert werden. Jetzt zu versuchen ein komplett neues Konzept wie Kernfusion weiter zu entwickeln ist IMO gefährlich und auch nicht wirklich vielversprechend.

  3. #3 Alderamin
    26. Februar 2016

    @MisterX

    Trotzdem finde ich das man sich in zeiten des Klimawandels lieber wieder auf die Verbesserung von Kernspaltung zurückbesinnen sollte. […] Bis es eine kommerzielle Kernfusion gibt wird es noch ewig dauern und das ist unvereinbar mit den gefahren des Klimawandels die man heute schon beobachtet.

    Es wird in der Tat ewig dauern, wenn kein Geld für die Kernfusion ausgegeben wird, deswegen macht eine Fokussierung auf Fissionskraftwerke keinen Sinn, im Gegenteil. Würde da ähnlich investiert werden wie in die Spaltung oder regenerative Energie, dann hätten wir möglicherweise schon kommerzielle Kernfusion.

    Außerdem wird der Klimwandel die Menschheit noch eine Weile beschäftigen. In der Zeit sind dann auch Fusionskraftwerke längst alltagstauglich.

  4. #4 MisterX
    29. Februar 2016

    @Alderamin: Das ist Quatsch. Es laufen heute schon sehr erfolgreiche Versuche zu Flüssigsalzreaktoren, wenn man sich auf diese konzentrieren würde wäre die Technologie in weniger als 10 Jahren tauglich für kommerzielle Dienste. Die getesteten Versuche haben sogar schon bessere Daten geliefert als vorhergesagt, findet man bei den Wikipedia Artikeln darüber. Geld in Kernfusion zu investieren macht keinen Sinn wenn man die Technologie die das gleiche und besser liefert (Flüssigsalzreaktoren können auch als Brutreaktoren benutzt werden und somit kann der Abfall der Urankraftwerke als Energiequelle benutzt werden, zeig mir mal Fusionskraftwerke die das können) schon sehr lange machbar existiert, und nur an der Geldgier der Energiekonzerne scheitert. Die typischen erneuerbaren Energien wie Wind und Solar können unmöglich großflächig Energie liefern, außer man plastert den Planeten mit den dingern zu. Über den Klimawandel gibt es Arbeiten bei denen die Wissenschaftler sagen das die Vohersagen viel zu opimistisch sind, von daher umso früher man anfängt was zu tun umso besser.

  5. #6 mustanse
    DE
    1. März 2016

    Ein schöner Artikel mit einem sinn-, grundlosen und deplazierten Seitenhieb auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die ohne Zweifel notwendige und sinnvolle Fusionsforschung ist tatsächlich sehr kostenintensiv. Demgegenüber steht der Gewinn an Wissen und technischen Lösungen in vielen Gebieten, die faszinierenden Versuchsanlagen sind nun mal im Grenzbereich des technisch Möglichen.
    Mit dem EEG stemmen wir aber jetzt die Kosten für die Markteinführung der EEs und die Ablösung der fossilen Erzeugung. Der Vergleich dazu wären die Kosten für Bau und Betrieb von x Fusionskraftwerken ab 2040/50/60. Wieviel el. Energie ist aus 500MW Heizleistung zu erwarten?
    Das Rennen um die kommerzielle Erzeugung von elektrischem Strom ist aber zugunsten der EEs entschieden. Das zeigt sich leicht am Vergleich der Kosten für neue, kommerzielle Anlagen – vgl. dazu die versprochene Einspeisevergütung für Hinkey Point C, wo es um einen (angeblich) fertig entwickelten Reaktortyp geht.
    Trotzdem hoffe ich, dass die Fusionsforschung auf hohem Niveau weiterbetrieben wird, ein kommerzielles Fusionskraftwerk ist aber imho nicht mehr zu erwarten.

  6. #7 Nordlicht_70
    1. März 2016

    In einem populärwissenschaftlichen Jugendbuch (vermutlich Ende der 70er Jahre) wurde die Schwierigkeit, das heiße Plasma in einem “Gefäß” zu halten, schön bildhaft beschrieben.
    “…., das ist so, als wenn die Pysiker versuchen würden, Wasser in einem Topf aus Eis zu kochen.”
    (Zitat aus dem Gedächtnis.)

  7. #8 fherb
    10. März 2016

    Wenn man sich das “Rauschen” der tatsächlichen Steuereinnahmen von Deutschland um die Vorhersagen und tatsächlichen Einnahmen an sieht (mehrere milliarden Euro), und sich klar macht, welchen Anteil von Fussionskraftwerken für die gesamte Zukunft am Bruttosozialprodukt ausgehen könnte… dann fragt man sich, warum hier um jede Million gefeilscht wird. Im Vergleich zu China könnte es sich Europa locker leisten 20 Milliarden Euro pro Jahr in diese Forschung zu stecken. Da Energie ein Grundrohstoff für sämtliche Wirtschaftszweige darstellt, ist der nutzbringende Gewinn jedes Euros an Investition in die Fusionskraftwerkstechnik unermesslich. – Da aber die Wirkungszeit von Politikern an den entsprechenden Schaltstellen immer noch unter der voraussichtlichen Zeit bis zum wirtschaftlichen Erfolg ist, bleibt hier jegliche Fokussierung aus. In dieser Beziehung sind Kapitalismus und Demokratie nicht das Optimum für das Überleben der Menschheit. :-/