Ich bin diese Woche leider kaum zum Bloggen gekommen, weil ich eine Urlaubsvertretung gemacht habe und nebenbei den Umzug vorbereiten musste, der jetzt endlich ernst wird. Nun habe ich in der Woche hauptsächlich aktuelle Meldungen geschrieben, was in einem Fall ein interessantes Problem aufwarf.
Eine Firma will einen billigen 3D Drucker herstellen und mit einer Kickstarter Kampagne vorfinanzieren. Es wäre nicht das erste Kickstarter Projekt, das mit großen Versprechungen antritt und sie nicht einhält. Dazu kommt, dass die Beschreibung des Druckers nicht vollständig ist. So wie er beschrieben wird, kann er rein physikalisch nicht die Auflösung erreichen, die die Hersteller versprechen. (Details kommen gleich im Artikel, den ich am Donnerstag für Golem geschrieben habe. Das Titelbild stammt von der Firma OLO.)
Nun stellt sich die Frage, wie sollte darüber berichtet werden? Das einfachste wäre gewesen, sich keine Gedanken zu machen und einfach zu schreiben, was die Firma sagt. Die wird schon wissen, was sie tut. (Was praktisch alle Nachrichtenportale getan haben.) Fast genauso einfach ist es, einfach alle Angaben in den Konjunktiv zu setzen. “Die Firma behauptet …”
Das hat den Vorteil, dass man sich distanziert und gleichzeitig die Aussagen Frage stellt, ohne irgendwelche Verantwortung zu übernehmen. Wenn sich herausstellt, dass die Behauptung falsch ist, dann hat man es ja gleich gesagt. Wenn sie richtig ist, dann waren sie eben besser als man dachte. Gleichzeitig braucht sich auch niemand Gedanken zu machen, wie der 3D Drucker funktionieren könnte und wie man das beschreiben könnt. Problem gelöst, noch dazu mit minimalem Arbeitsaufwand.Das Problem zu beschreiben ist dagegen eine gewagte Sache. Die Firma wäre zurecht sauer, wenn etwas falsches über ihre Produkte berichtet wird. Es hat deswegen ein paar Stunden gedauert, bis ich den folgenden Text geschrieben und abgeschickt hatte. Ich wollte mir sicher sein, dass ich nichts falsches schreibe. – Und hinterher kam es doch anders, als gedacht.
3D-Drucker für 99 US Dollar
Olo will einen smartphonebetriebenen 3D-Drucker für 99 Dollar verkaufen. Aber alle Versprechen wird das Kickstarter-Projekt nicht erfüllen können.
In einer Kickstarter-Kampagne hat die Firma Olo einen 3D-Drucker für knapp 100 Dollar angekündigt. Der Drucker soll mit einem lichtempfindlichen Kunstharz, einem Photopolymer, arbeiten. Das Photopolymer wird dabei Schicht für Schicht ausgehärtet. Um das Gerät möglichst billig zu machen, dient als Lichtquelle das Display eines Smartphones oder Tablets, auf dem eine spezielle App läuft.
Die Höhe der gedruckten Objekte ist auf 2 Zoll (etwa 5 cm) beschränkt, sie können bis zu 5 Zoll lang und 3 Zoll breit sein, also etwa 12,5 beziehungsweise 7,5 cm. Während des Druckens kann das Handy natürlich nicht benutzt werden. Da der Druckvorgang mehrere Stunden dauern kann, sollte es besser ein Zweitgerät sein.
Im Druck wird die oberste Schicht des Objekts zuerst ausgehärtet, die dann an einer Platte klebt. Die Platte, an der die fertig ausgehärteten Schichten hängen, wird während des Druckvorgangs nach oben weggezogen und neues Photopolymer nachgegeben. Je nach ausgewähltem Polymer können die Objekte unterschiedlich fest oder flexibel sein und unterschiedliche Farben haben.
Fragwürdige Angaben zur Auflösung
Die bestmögliche Auflösung gibt Olo mit 36 Mikrometern in der Höhe an. Im “Fast Modus” sollen es in vertikaler Richtung nur noch 120 Mikrometer sein. In horizontaler Richtung sollen es, je nach Displayauflösung, bis zu 42 Mikrometer sein. Diese Angabe ist nicht glaubhaft. Diese Auflösung entspricht etwa 600 dpi. Es gibt zwar tatsächlich Displays, die solche Auflösungen erreichen, aber sie sind für das Betrachten von Bildern optimiert, nicht für die hoch aufgelöste Beleuchtung eines Objekts.
Ein Pixel beleuchtet nicht nur einen Punkt direkt über dem Display, sondern einen Bereich in einem bestimmten Winkel darum herum. Je größer der Abstand zwischen dem Pixel und dem Polymer ist, desto größer ist der entstehende Lichtfleck und umso schlechter wird die Auflösung. Zusammen mit der Glasplatte des Displays und der Wanne mit dem Photopolymer beträgt der Abstand mehrere Millimeter.
Zu den wichtigsten Fortschritten in der Displaytechnik gehörte die Verbreiterung des Winkels, in dem die Displaypixel ihr Licht abgeben, um den Sichtwinkel zu verbessern. Je besser ein Display auch noch von der Seite betrachtet werden kann, desto schlechter ist es für diese Aufgabe geeignet. Jedes Pixel wird also zumindest einige Zehntel Millimeter des Polymers beleuchten und aushärten.
Erfolgreiche Kickstarter-Kampagne
Insofern sich die Kickstarter-Teilnehmer von Olo dieser Zusammenhänge nicht bewusst sind, dürfte es eine Reihe enttäuschter Kunden geben. Bei Fertigstellung des Artikels wurden von über 4.800 Teilnehmern bereits etwa 650.000 US Dollar zur Verfügung gestellt. Das Ziel war es, 80.000 US-Dollar bis zum 20. April zu erreichen.
Für die im Video dargestellten Objekte stellt die geringere Auflösung freilich kein Problem dar. Aber für eine so gute Auflösung wie behauptet bräuchte ein 3D-Drucker eine fokussierende Optik, wie zum Beispiel der 3D-Drucker von 3D-Fracture, der einen HD-Beamer für diesen Zweck benutzt.
Was, wenn OLO doch recht hat?
Ich war mir zu dem Zeitpunkt sicher genug, dass es nicht funktionieren kann, um den Artikel freizugeben. Aber die Sache mit der Optik ging mir nicht aus dem Kopf.
Weil die Firma keine technischen Details genannt hatte, blieb mir nichts anderes übrig als Vermutungen anzustellen und mir Mechanismen vorzustellen, wie das Licht der Pixel auf einem Display vielleicht doch noch auf so kleinem Raum gebündelt werden kann. Eine Idee war, dass die Platte unter dem Photopolymer mit vielen kleinen Linsen versehen ist.
Die könnten das Licht in einer bestimmen Ebene bündeln und sher kleine Lichtpunkte erzeugen. Genau was der Drucker braucht. Aber sie würde nicht die ganze Fläche so ausleuchten können und es würde immernoch Streulicht entstehen. Ich dachte an totale Reflexion, die vielleicht das Streulicht das im falschen Winkel auf die Platte gelangt, heraus filtern könnte – aber die funktioniert nur für flache Winkel.
Die nächste Idee waren Blenden, die das Licht einfach abschatten könnten. Aber die müssten Pixelgenau sein und in den kleinen Dimensionen dürfte es ernsthafte Probleme mit der Lichtbeugung geben, die das Licht wohl stark genug streuen würde, um die Genauigkeit unmöglich zu machen. Ganz abgesehen von der Schwierigkeit eine Platte mit so kleinen Strukturen überhaupt herzustellen, geschweige denn zu einem Preis bei dem der Drucker anschließend nur 100 Dollar kostet.
Aber irgendwo zwischen Linsen, Totalreflexion und strukturierte Platten kam mir plötzlich ein ganz anderes Bild in den Kopf – eine Lichtleiterplatte. Da ich wenig mit Optik zu tun habe, gehört das nicht zu meinem üblichen Repertoire an optischen Bauteilen, die mir sofort in den Sinn kommen. Eine Lichtleiterplatte ist eine Platte, die aus Millionen von kurzen Glasfasern oder Plastikfasern bestehen. Wenn deren Durchmesser klein genug ist, kann nur Licht in die Fasern gelangen, das aus ganz bestimmten Winkeln kommt.
Der langen Rede kurzer Sinn: Etwas mehr als eine Stunde nachdem ich den Artikel veröffentlicht hatte, in dem ich geschrieben habe, dass die Behauptungen der Firma nicht glaubhaft sind, hatte ich eine Möglichkeit gefunden, wie es doch geht. Noch dazu eine äußerst elegante Möglichkeit, für die man die Firma nur loben kann – wenn es denn des Rätsels Lösung ist.
Also: Update.
Nachtrag vom 24. März 2016, 17:50 Uhr
Es könnte sein, dass die zum Patent angemeldete Technik eine Lichtleiterplatte benutzt, die selektiv nur Licht von bestimmten Pixeln aus einem bestimmten Winkel in die Leichtleiter der Platte einkoppelt. Bisher existiert aber noch kein Video von OLO, auf der ein hochaufgelöstes Objekt gedruckt oder die Bodenplatte gezeigt wird. Die Firma hat sich zu der verwendeten Technik auch noch nicht geäußert.
Das Update erscheint zum Glück nicht nur im Artikel. Es wird auch auf der Übersichtsseite angezeigt, dass es eine Ergänzung zu dem Artikel gibt. Es bleibt also zu hoffen, dass mögliche Interessenten noch einmal nachgeschaut haben. (Tatsächlich stiegen die Klickzahlen kurz nach dem Update in den Statistken nochmal an.)
Hätte ich einfach nur die Angaben der Firma übernommen, hätte ich von Anfang an einen Artikel gehabt, der “richtig” ist. Noch dazu mit viel weniger Aufwand. “Richtig” zumindest in dem Sinn, dass die Angaben stimmen. Aber ich glaube, in dem Moment, in dem ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdgkeit aufkommen, gehört es zu den Aufgaben als Journalist, das in der Nachricht auch zum Ausdruck zu bringen.
Zuletzt gibt es auch noch ein epistemologisches Problem. Dieses Muster der Entwicklung ist nämlich kein Zufall. Ich hatte ernsthafte Zweifel ob die Technik realistisch ist. Also suchte ich nach physikalisch plausiblen Wegen, wie sie doch tun könnte, was die Techniker behaupten. Um so länger ich suche und um so mehr Alternativen ich überprüfe, um so sicherer werde ich sein, dass meine Zweifel berechtigt sind. – Denn wenn es niht funktionieren kann, werde ich niemals eine funktionierende Alternative finden können.
Das Dumme ist nur: Nehmen wir an, es gibt eine Möglichkeit. Ich finde sie nach langem herumprobieren. Aber um so länger ich herumprobiere, um so sicherer werde ich, dass es keine Möglichkeit gibt. Ich werde die Lösung also etwa 5 Sekunden nach dem Punkt finden, an dem ich mir am sichersten überhaupt war, dass es keine Lösung gibt.
Und genau das ist der Grund, weshalb mir diese Art von Fehler wahrscheinlich auch in Zukunft immer wieder passieren wird – es seie denn, ich höre einfach auf mir Gedanken über das zu machen, über was ich schreibe.
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