Es begab sich, dass Zeit Online einen Artikel über das Atombombenprogramm von Nordkorea haben wollte. Ich lieferte die folgenden beiden Texte. Ich habe auf eine sachliche Beschreibung und poilitsch möglichst neutrale Haltung wert geleget. Der darauf basierend von Zeit Online veröffentlichte Text war derart katastrophal und politisch verbrämt, dass ich auf meine Namensnennung und mein Honorar verzichtet habe. Aber vergleicht selbst.
Wie sich herausstellt ist es bei solchen Zeitungen normal, dass die Redaktion die These des Textes festlegt. Meine Texte waren trotz Überarbeitung angeblich unbrauchbar. Am Telefon bedauerte meine Ansprechpartnerin in der Redaktion gestern lediglich, dass die gewünschte These und Schlagrichtung des Textes nicht kommuniziert wurde. Man hätte ja eher feststellen können, dass ich mit der These nicht einverstanden bin und sich dafür einen anderen Autor suchen können.
Zum nun folgenden Text wurde mir gesagt: “Ich sage es mal ganz offen: Es handelt sich halt um den gesamten Hintergrund für einen Artikel – was fehlt, ist der Artikel, die Geschichte. In unseren Vorgesprächen hatte sich ja abgezeichnet, dass das passieren könnte. Wir werden mit deinem Material sehr gut arbeiten können.”
Dieser ersten Version gab ich die Überschrift
Wie kam Nordkorea an die Bombe
Wie ist das verarmte Nordkorea zu einer Atombombe gekommen? Hightech wird aus diesem Land im allgemeinen nicht erwartet. Bei den ersten nordkoreanischen Tests gab es noch Spötter und Zweifler, die dahinter nichts weiter als Propaganda mit großen Mengen Sprengstoff vermuteten.
Das Problem ist, dass Kerntechnik längst kein Hightech mehr ist. Schon in den 40er Jahren brauchte das Manhatten Projekt kaum mehr als drei Jahre und ein Budget von zwei Milliarden US-Dollar (heute inflationsbereinigt 27 Milliarden US-Dollar) um die Atombombe von der reinen Theorie in die Praxis zu bringen. Damals wusste niemand, welche Ansätze zu diesem Ergebnis führen würden. Also wurden alle erfolgsversprechenden Ansätze gleichzeitig verfolgt. Heute ist selbst bei einer vollständigen Neuentwicklung viel weniger Aufwand nötig, denn die Ergebnisse sind heute bekannt.
Das erste Problem ist die Beschaffung des nötigen Materials. In der Bombe werden Atome gespalten, wenn sie von Neutronen getroffen werden. Diese Atome müssen bei der Spaltung genug Neutronen freisetzen, dass weitere Atome gespalten werden können, obwohl immer einige Neutronen verloren gehen. Gleichzeitig darf das Material nicht schon von sich aus so viele Neutronen freigeben, dass die Kettenreaktion zu früh einsetzt. Das Material darf auch nicht stark radioaktiv sein, schließlich kommt es bei der Herstellung und im Einsatz immer wieder in die Nähe von Menschen.
Es gibt zwei Wege solches Material herzustellen, beide beginnen mit Uran. Auf der Erde gibt es zwar etwa vier mal so viel Blei wie Uran, dennoch ist es ein weit verbreiteter Stoff. Wenn es nicht um konkurrenzfähige Preise geht, kann es auch aus minderwertigen Erzen oder sogar Meerwasser gewonnen werden. Natürliches Uran besteht aus einer Mischung von zwei Isotopen. Es ist also ein Mischung aus zwei unterschiedlichen Stoffen, die aber trotzdem beide Uran sind und in der Chemie fast identische Eigenschaften haben. Deshalb treten beide Stoffe fast überall in der gleichen Mischung auf. Sie unterscheiden sich nur durch das Gewicht der Atomkerne.
Die beiden Stoffe sind Uran-235 und Uran-238. Der erste ist auch so schon für den Bau einer Atombombe geeignet, macht aber nur einen Anteil von 0,7 Prozent im Uran aus. Das ist zu wenig. Der große Anteil von Uran-238 verhindert in der Bombe eine Kettenreaktion. Erst sehr hohe Anteile von Uran-235 ermöglichen den Bau von Atombomben. Im Manhattenprojekt wurden eine ganze Reihe von Anlagen entwickelt, die das unterschiedliche Gewicht der Atomkerne ausnutzen um die beiden Stoffe voneinander zu trennen. Die modernen Gaszentrifugen waren damals noch zu unzuverlässig. Stattdessen kamen Anlagen zur Gasdiffusion und starke Magnetfelder zum Trennen von ionisiertem Gas zum Einsatz.
Das Ergebnis führte zu der Bombe, mit der die US Airforce 1945 große Teile von Hiroshima zerstörte. Zur gleichen Zeit liefen die Arbeiten an der Beschaffung eines anderen Materials. Plutonium-239. Es entsteht in Kernreaktoren, wenn Uran-238 ein langsames Neutron aufnimmt und zu Uran-239 wird. Durch zwei radioaktive Zerfälle wird es nach wenigen Tagen zu Plutonium-239. Plutonium ist ein anderes Element als Uran und kann deshalb chemisch von Uran getrennt werden.
Einen Kernreaktor zu konstruieren war einfacher als die Anreicherungsanlagen, von denen zunächst niemand wusste, ob sie gut genug funktionieren würden. Uran muss nicht angereichert werden, um einen Kernreaktor zu betreiben. Wenn die Neutronen aus der Kernspaltung abgebremst werden, steigt die Chance stark, dass sie ein Uran-235 Atom spalten. Vor allem steigt die Chance ein Uran-235 Atom zu spalten viel stärker als die Chance, dass die Neutronen von einem Uran-238 Atom eingefangen werden. Aber es ist knapp. Es dürfen nur nicht zu viele Neutronen an andere Stoffe verloren gehen. Nur wenn die Neutronen mit sehr reinem Graphit oder schwerem Wasser abgebremst (also moderiert) werden, kommt die nötige Kettenreaktion zu stande.
Weltweit war zunächst Graphit der Stoff der Wahl. Um schnell Plutonium für das Manhattenprojekt zu erzeugen wurden drei 250 Megawatt Reaktoren gebaut. Sie können aber nicht wie die meisten Kernkraftwerke betrieben werden. Wie beim Uran gibt es auch verschiedene Isotope von Plutonium. Wenn das frisch erzeugte Plutonium-239 in dem Reaktor verbleibt, fängt es weitere Neutronen ein. In zwei Dritteln der Fälle wird es dann gespalten. In einem Drittel der Fälle wird es zu Plutonium-240. Das hat eine kleine Chance spontan durch Kernspaltung zu zerfallen. Dabei werden Neutronen frei.
Wenn der Anteil von Plutonium-240 zu hoch wird, ist es deswegen für den Bau von Atombomben nicht mehr geeignet. Die Kettenreaktion wird in der Bombe zu einem genau festgelegten Zeitpunkt mit einem Zünder gestartet, der den Sprengkern mit Neutronen flutet. Mit zu viel Plutonium-240 im Kern startet die Kettenreaktion zu früh und es kommt keine nennenswerte Explosion zu stande. Um waffenfähiges Plutonium zu erzeugen muss in relativ kurzen Abständen, je nach Reaktortyp, regelmäßig Uran in den Reaktor gegeben und wieder entnommen werden. In Druck- und Siedewasserreaktoren, die heute die meisten Kernkraftwerke betreiben, ist das nicht möglich ohne jedes Mal das gesamte Kraftwerk für einige Tage still zu legen.
Es gibt aber Reaktortypen, die das zulassen. Dazu gehören etwa die englischen Magnox Reaktoren. https://en.wikipedia.org/wiki/Magnox Es sind graphitmoderierte Reaktoren die mit Kohlendioxid gekühlt und mit Natururan betrieben werden. Ihre Brennstäbe befinden sich in Druckröhren und können so im laufenden Betrieb ausgetauscht werden. Sie lieferten auch Plutonium für das britische Atomwaffenarsenal. Die Plutoniumproduktion wurde dort offen diskutiert und rechtfertigte als “Plutonium Credit” die höheren Stromkosten der britischen Kernkraftwerke. Ähnliche Reaktoren wurden etwa auch in Frankreich, Italien und Japan gebaut.
Das Nordkoreanische Atomprogramm
1987 wurde ein kleiner Magnox Reaktor im nordkoreanischen Yongbyon eröffnet. Er hat eine Leistung von etwa 20 Megawatt und kann daraus 5 Megawatt Strom erzeugen. Die Leistung ist auch ein Maß dafür, wieviele Atome in dem Reaktor gespalten werden und damit auch dafür, wieviel Plutonium darin erzeugt wird. 20 Megawatt sind sehr wenig, aber es reicht bei voller Leistung für etwa einen Sprengkopf (rund 6kg Plutonium-239) pro Jahr. Der Reaktor läuft allerdings nicht ständig auf voller Leistung und war von 1994 bis 2003 vollständig außer Betrieb. Zum Vergleich: Im südkoreanischen Kernkraftwerk Wolsong stehen vier Candu Reaktoren. Sie werden mit schwerem Wasser moderiert, sind aber ebenso mit Druckröhren ausgestattet und werden mit Natururan betrieben. Jeder dieser Reaktoren hat die hundertfache Leistung des Reaktors von Yongbyon. Sie könnten an einem Tag mehr Plutonium-239 erzeugen als Nordkorea in einem ganze Jahr.
Die geringe Menge an verfügbaren Plutonium schlägt sich auch im Testprogramm von Nordkorea nieder. Die nordkoreanischen Bomben sollen vergleichsweise wenig Plutonium enthalten. Hatten die ersten amerikanischen Atombomben der 40er Jahre noch Sprengköpfe aus 6 Kilogramm Plutonium, sollen die getesteten nordkoreanischen Bomben mit 2 bis 5 Kilogramm auskommen. Das reduziert nicht nur die erzielbare Sprengkraft, es wird auch mehr Sprengstoff benötigt, um die Bombe zur Zündung zu bringen. Nordkorea hat nach eigenen Angaben seit 2009 auch Zentrifugen zur Urananreicherung in Betrieb, die die niedrige Plutoniumproduktion des Reaktors ergänzen sollen. Die werden aber auch dazu dienen, einen neuen Kernreaktor mit Brennstoff zu versorgen, der mit 100 Megawatt Leistung etwa 30 Megawatt Elektrizität erzeugen soll.
Das wahrscheinliche Ziel der diversen Bombentests ist es, möglichst kleine Sprengköpfe zu entwickeln, die von den nordkoreanischen Trägerraketen möglichst weit getragen werden können. Dabei hält sich Nordkorea an den Vertrag zum Stop atmosphärischer Atombombentests. Alle Tests finden unterirdisch statt. Das macht es schwierig den Fortschritt dieser Entwicklung von außen nachzuvollziehen. Andererseits werden so fast alle radioaktiven Produkte der Explosion eingeschlossen und es gibt keinen Fallout. Nur ein kleiner Teil der Edelgase – vor allem Xenon – kann durch Klüfte und Spalten im Gestein entkommen, wie es auch natürliches Radon tut. Die kleinen Mengen machen Analysen selbst unter günstigen Umständen schwierig.
Schon die Sprengkraft lässt sich nur schwer beurteilen. Die Schockwellen der Explosion verbreiten sich je nach Gestein unterschiedlich gut, aber die genaue Geologie des Gesteins in den unterirdischen Testanlagen ist nur den Nordkoreanern selbst bekannt.
Messungen von radioaktivem Xenon haben nicht nur bestätigt, dass die Explosionen von Kernsprengköpfen stammen, sondern auch, dass zumindest der erste Test mit Plutonium durchgeführt wurde. Bei der Kernspaltung entstehen sowohl Xenon-133 als auch Xenon-135. Je nach Ausgangsmaterial unterscheidet sich allerdings das Verhältnis der beiden Isotope zueinander. Bei der Spaltung des schwereren Plutonium-239 wird im Verhältnis mehr Xenon-135 entstehen als bei der Spaltung des etwas leichteren Uran-235. Genauso könnte aus der Analyse von Spaltprodukten bestimmt werden, ob es sich um eine einfache Atombombe handelt, oder eine die durch Kernfusion “geboostet” wurde. Die schnellen Neutronen aus der Kernfusion können dabei helfen, eine größere Menge Uran oder Plutonium zu spalten, selbst wenn die Energiemenge aus der Kernfusion verschwindend gering ist. Die Kernspaltung mit schnellen Neutronen verändert aber nochmals die Verhältnisse der entstehenden Spaltprodukte. Das klappt aber nicht, wenn für die Analyse nur kleine Spuren von Spaltprodukten zur Verfügung stehen, die zufällig vom Wind in die Detektoren getragen werden.
Es gibt auch andere Detektoren, die nukleare Explosionen nachweisen sollen um die Atomwaffensperrverträge zu überwachen, wie Infraschalldetektoren oder Satellitensysteme wie die Vela Konstellation. Aber abgesehen vom Ort und der ungefähren Stärke der Explosion selbst lässt sich aus deren Daten kaum etwas über den Mechanismus der Explosion sagen. Sehr schwache Explosionen lassen sich auch ganz verbergen. Es wird geschätzt, dass eine unterirdische Explosion mit einer Stärke von 50 Tonnen TNT Äquivalent außerhalb Nordkoreas selbst unter guten Umständen nicht nachweisbar ist. Das ist immernoch mehr als die doppelte bis fünffache Sprengkraft der kleinsten taktischen Nuklearsprengköpfe, wie Davy Crockett.
Aber es stellt sich längst nicht mehr die Frage, ob Nordkorea Kernsprengköpfe testet oder nicht. Die erreichbare Sprengkraft ist nur begrenzt durch gut bekannte Gesetze der Physik. In den USA und der UdSSR hat deren Ausreizung bis zur Entwicklung der ersten Wasserstoffbomben weniger als 10 Jahre gedauert. Auch China, Großbritannien und Frankreich vollzogen die gleiche Entwicklung. Allerdings waren deren Testprogramme und auch ihre Produktionskapazitäten weitaus größer angelegt, mit zusammen etwa 500 überirdischen Explosionen von Kernsprengköpfen und insgesamt rund 3000 Tests.
Die entscheidende Frage ist, ob diese Waffen benutzt werden. Der bisher einzig erfolgreiche Weg das zu verhindern, war die Diplomatie, das Reden mit dem Gegenüber. Das funktionierte selbst mit autoritär regierten, kommunistischen Ländern, die im Besitz von funktionierenden Wasserstoffbombenarsenalen und Interkontinentalraketen waren – wie China, das kurz nach der Kulturrevolution von US-Präsident Nixon besucht wurde und zwischen beiden Ländern dauerhafte wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen aufgebaut wurden.
Soweit zum ersten Text. Auf der zweiten Seite folgt gleich die zweite Version des Textes die ich schrieb, nachdem mir gesagt wurde, dass die erste für Zeit Online zu lang ist und im übrigens wäre es “kein Text”. Es wurde mir dann erst auch folgender Artikelentwurf geschickt, nachdem ich den Artikel ausrichten sollte. (Maßgebliche Länge des Texts 5000 Zeichen. Wie das alles in 5000 Zeichen angemessen diskutiert werden kann, weiß ich nicht.)
Kicker: Nordkorea
Überschrift: Countdown zum Atomkrieg
Teaser: Nordkorea hat gebaut, wovor sich die Welt seit Jahren fürchtet: eine Atombombe. Schon bald könnten Raketen die Waffen bis nach XX schießen. Wie Wissenschaftler das Atomprogramm ausspionieren.
Wie gefährlich sind Nordkoreas Atomwaffen bisher und woher wissen wir das? Wie weit könnten die mit Raketen geschossen werden? Wer schaut, wie weit die Raketen fliegen?
Wie hilft die Wissenschaft dabei, deren Nuklear- und Raketenprogramm auszuspionieren? Seismische Messanlagen nehmen Erschütterungen war von Atomtests, Flugzeuge messen die Radioaktivität in der Atmosphäre
Satelliten (militärische) filmen Transporter, Anlagen, Aktivitäten – nur können sie eben nicht in Fabrik-Hallen gucken. Was noch?
Was also wissen wir über Nordkoreas Atomtechnik? Und wie sicher wissen wir das?
Kommentare (39)