Hier wieder mal eine Empfehlung zu einem lesenswerten Artikel über Wissenschaft als Ersatz-Moral

Die Zeit hat hier einen guten Kommentar zu dem Thema. Verstecken wir uns nur hinter der Wissenschaft, um unser eigenes Verhalten nicht entschuldigen zu müssen?
“Das war ich gar nicht, das waren meine Gene!”
Das ist sicherlich übertrieben, aber Tendenzen kann man schon feststellen. Und wenn sich selbst eine führende Physikerin Politikerin auf diese Masche einläßt, dann muß die Nation ja fast folgen? Gattaca läßt grüßen….

Kommentare (4)

  1. #1 ali
    April 2, 2008

    Zwei Gedanken dazu:

    Ein Problem ist, dass man Rückschlüsse auf Individuen in spezifischen Situationen macht von solchen Studien (aber aggregierte Daten können so nicht gelesen werden). Stellt man fest, dass Gene einen ‘erheblichen Einfluss darauf haben’ ob man glücklich ist im Leben heisst das nicht, dass wenn ich mich heute miserabel fühle, meine Gene direkt dafür verantwortlich sind. Ich vermute, das ist eine Differenzierung die in der medialen Aufarbeitung von solchen Studien häufig verloren geht.

    Zweitens finde ich es schwierig, über meinen eigenen Schatten zu springen und zu versuchen zu akzeptieren, dass wir eventuell gar keinen ‘freien Willen’ besitzen. Nehmen wir mal an, wir wären einfach nur hochkomplexe Maschinen die der Illusion von Entscheidungsfreiheit erliegen, was wäre anders? Ich finde man muss in dieser Diskussion aufpassen, dass man nicht einfach das akzeptiert, was einem am Besten in den Kram passt (zumindest für mich extrem schwierig in diesem Fall)

  2. #2 Soziobloge
    April 2, 2008

    Für das alltägliche Leben wäre es sicher kein unterschied, ob wir nun wirklich einen freien Willen haben oder nicht. Juristisch gesehen ist das natürlich was ganz anderes. Denn unser Rechtssystem basiert ja darauf, dass die Täter für ihr Handeln verantwortlich sind. Jemand der erwiesenermaßen nicht Herr seiner Sinne war, wird ja auch nicht dafür bestraft, sondern bekommt höchstens eine Behandlung. Gut für manche bedeutet dies auch eine Art Gefängnis. Die Konsequenz wäre natürlich eine Art psychologische oder gar psychatrische Behandlung mit Medikamenten um deren Hirnchemie auf Regelkonvormität zu trimmen. Von daher sind solche “Erkenntnisse”, auch wenn sie ja anscheinend auf wissenschaftliche eher wackligen Beinen stehen schon gefährlich. Das Problem ist ja eigentlich nicht die Wissenschaft, denn ich sehe die Wissenschaft nicht als moralisch an. Wissenschaftler tun immer nur das, was ihnenn die Gesellschaft erlaubt. Das Problem ist die mehr oder minder falsche Interpretation der Ergebnisse durch die Politik und der Gesellschaft. Bestes Beispiel ist ja die Evolutionstheorie, die immernoch schwere Kontroversen hervorruft. Beispielsweise während einer öffentlichen Vorlesungsreihe zum Thema Evolution. Da überschlugen sich die christlichen Fundis mit der Anprangerung dieser “Gotteslästerung” in der Leserbriefspalte der örtlichen Zeitung.

  3. #3 Chris
    April 2, 2008

    > dass man nicht einfach das akzeptiert, was einem am Besten in den Kram passt

    Genau das meine ich ja. “Ich kann nichts dafür, dass ich so impulsiv bin, das liegt in den Genen” ist ein schönes Thema für die Wochenzeitungen, “Das Titelthema heute: Warum manche sich nie ändern”
    Am Ende wird eine Satire zitiert mit
    >„Deutschlands Elite war begeistert, als sie hörte, dass nicht Deutsche, sondern Neuronen den Völkermord an den Juden verübt hätten. Warum die Neuronen damals gerade so und nicht anders entschieden haben, weiß der Professor heute noch nicht.“

    Das finde ich schon grenzwertig, was den Sarkasmus angeht. Es trifft diesen Schwachpunkt aber genau.

  4. #4 Fischer
    April 3, 2008

    Ein sehr spannendes Thema, das Du da anschneidest. Die Tendenz, sich hinter Wissenschaft zu verstecken, ist heutzutage sehr weit verbreitet, auch und gerade bei eigentlich politischen Entscheidungen.

    Irgendwann demnächst kommt (hoffentlich) Teil drei meiner Gentechnik-Serie, da geht es genau um diesen Aspekt.