Am Leinpfad in Dilsberg-Rainbach wurde im Herbst 2009 ein Denkmal für den Romantikdichter Joseph von Eichendorff eingeweiht / Stifter ist der Wilhelmsfelder Dr. Walter Teltschik

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Eichendorff-Gedenkstein 2009. (Foto: CJ)

Mitte Oktober 2009 wurde am Leinpfad in Dilsberg-Rainbach (Neckargemünd) gegenüber der Neckarsteinacher Burg „Schwalbennest” auf badischer Seite feierlich ein Gedenkstein für den Romantikdichter Joseph von Eichendorff (1788-1857) eingeweiht. Initiator und Stifter ist der Chemiker Dr. Walter Teltschik, der der Öffentlichkeit durch den gleichnamigen 2001 erbauten Aussichtsturm in seiner Heimatgemeinde Wilhelmsfeld bekannt ist.

Teltschik gibt seit vielen Jahren Wanderbücher heraus und entschloss sich 2008 nach Erscheinen seines Bandes „Neckargemünd. Auf Wanderwegen der Romantiker” das Denkmal zu stiften, zumal er als Heimatvertriebener aus Sedlnitz (heute Sedlnice in Tschechien) im nordmährischen Kuhländchen als Kind in einem Dorf aufwuchs, wo die Familie Eichendorff ein Gut hatte. Dieser Ort diente Eichendorff als letzte Zufluchtsstätte. Aus diesem Grund nahmen an der Gedenkstein-Enthüllung auch zahlreiche Deutsche aus Sedlnitz teil, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Kinder und Jugendliche ab 1946 teilweise brutal mit ihren Familien aus dem Sudetenland vertrieben wurden und seitdem verstreut über Deutschland wohnen.

Während seiner Heidelberger Studienzeit war der damalige Jurastudent Eichendorff in den Jahren 1807 und 1808 mit seinem Bruder Wilhelm und Kommilitonen öfters am Neckar zum Wandern unterwegs und beschrieb dabei in Gedichten die idyllische Landschaft rund um Neckargemünd und den Dilsberg. Er hatte sein Jurastudium in Halle begonnen und wechselte mit seinem Bruder an die Universität Heidelberg, nachdem Halle von napoleonischen Truppen besetzt worden war.

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Am Fuße des Dilsbergs wurde auf Neckargemünder Gemarkung gerade ein Denkmal für den Romantikdichter Joseph von Eichendorff eingeweiht. Stifter ist Dr. Walter Teltschik. (Foto: Kissel)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte die Universitätsstadt Heidelberg eine große Anziehungskraft auf Studenten, Literaten und Maler gehabt. Grund dafür war auch die romantische Ruine des 1693 von den Franzosen während des pfälzischen Erbfolgekrieges in die Luft gesprengten Schlosses, das seine heute Form auch durch einen Brand und mehrere Blitzeinschläge annahm. Bereits 1798 hatte Friedrich Hölderlin in seiner Ode „Heidelberg” die Schönheit der Stadt am Neckar gepriesen und ihren unverwechselbaren Charme als Nahtstelle zwischen urbaner und ländlicher Lebensweise hervorgehoben. Achim von Arnim (1781-1831) und Clemens Brentano (1778-1842) ließen die Romantik auch durch ihre literarischen Projekte „Zeitung für Einsiedler” und „Des Knaben Wunderhorn” zu einer der wichtigsten Epochen der deutschen Literaturgeschichte werden.

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Die romantische Heidelberger Schlossruine mit der Altstadt und dem Neckar. (Foto: Kissel)

Mehrmals besuchte Joseph von Eichendorff, nach dem auch eine Straße im Wiesenbachertal in Neckargemünd benannt ist, in seinem Leben die ehemalige Reichsstadt in der Kurpfalz, die erst 1803 badisch wurde, und das Neckartal. Weitere Wanderungen führten ihn auch auf zahlreiche Neckarberge, nach Ziegelhausen und Neckarsteinach. In der Nacht zum 17. Mai 1807 kamen auf dem Weg nach Heidelberg Eichendorff und sein Bruder Wilhelm mit der Postkutsche durch Neckargemünd. Der Dichter notierte in sein Tagebuch in damaliger Rechtschreibung:


„In der mondhellen Nacht passirten wir das Städtchen, das, ein Vorspiel von Heidelberg, höchst romantisch u. ganz eng zwischen felsigten, belaubten Bergen ruht. Immer schöner. Zu beyden Seyten hohe, steile, belaubte u. blühende Berge voll Vögel, die dem dämmernden Morgen entgegensangen; In der Mitte des engen Thals der Neckar, links am Ufer die Chaussé. Wir gingen ein Stük zu Fuß.”

Auch den nahen Dilsberg bedachte der Dichter mit einigen romantischen Versen:

„O Lust, vom Berg zu schauen

Weit über Wald und Strom,

Hoch über sich den blauen,

Tiefklaren Himmelsdom!”

In Heidelberg bildeten die Brüder Eichendorff, gemeinsam mit Wilhelm Budde, Friedrich Strauß und Otto Heinrich Graf von Loeben, den Dichterzirkel „Eleusischen Bund”. Im Gegensatz zum mystisch-volkskundlichen „Heidelberger Kreis” um von Arnim und Brentano beschäftigte sich die Gruppe in Verbindung zum Privatdozenten Joseph von Görres (1776-1848) zwar auch mit Mythologie und vor allem mit der Gegenwartsliteratur.

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Joseph von Eichendorff hielt sich als junger Mann mehrmals rund um das Jahr 1807 in Neckargemünd und dem Neckartal auf und bestieg dabei auch den Dilsberg, den er als „blauen, tiefklaren Himmelsdom” bezeichnete. (Foto: Archiv Teltschik)
Zudem waren die Brüder Eichendorff überzeugte Katholiken, was sie von anderen Vertretern der Romantik und des deutschen Vormärzes bis zur Revolution 1848/49 deutlich unterschied. Bei seinen Aufenthalten in Heidelberg-Rohrbach zwischen 1807 und 1808 entstand auch das Eichendorff-Lied „Das zerbrochene Ringlein” mit dem berühmten Anfang „In einem kühlen Grunde/da geht ein Mühlenrad.” Darin verarbeitet der Dichter seinen Trennungsschmerz in Bezug auf das unerwartete Ende seiner Beziehung zu Katharina Barbara Förster und erklärt auch die überstürzte Abreise der Gebrüder Eichendorff aus Heidelberg.

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Die Burgruine Dilsberg liegt im Neckartal etwa 15 Kilometer von Heidelberg entfernt und gehört heute zur Stadt Neckargemünd. (Foto: Kissel)
In Wien setzte Eichendorff dann sein Jurastudium fort und legte die Referendarsprüfung ab. Nach der Teilnahme an den Befreiungskriegen 1813-1815 trat er als Beamter in preußische Dienste ein und schuf neben seiner beruflichen Tätigkeit seine schönsten Gedichte, die er in seine Novellen und Romane aufnahm. Mit etwa 5000 Vertonungen zählt der Dichter und Erzähler zu einem der in der Musik sehr stark rezipierten deutschen Lyrikern und ist auch durch seine Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts” bis heute nicht nur im Schulunterricht gegenwärtig. Immer wieder entführt Eichendorff seine Leser in romantische Stimmungslandschaften mit Wäldern und Bergen. Geheimnisvoller Mondschein und ferne verlockende Klänge sind in den beschriebenen Landschaften voller Sehnsucht und Verzauberung genauso gegenwärtig wie das Heim- und Fernweh. Auch die Wanderlust spielt eine große Rolle. Die bekannteste Novellenfigur Eichendorffs, der Taugenichts, singt in diesem Zusammenhang, als er sein Heimatdorf verlässt:

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.”

Aus heimatvertriebenem Teenager wurde erfolgreicher Chemiker

Dr. Walter Teltschik wurde am 10. Juli 1928 in Troppau im Sudentenland geboren. Im Kuhländchen, einer Landschaft an der oberen Oder, wuchs er auf. Nach Kriegseinsatz, Zwangsarbeit in einem Kohlebergwerk und Vertreibung kam er mit seiner Mutter und Schwester nach Bad Wimpfen, ohne Vater, der zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden war.

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Walter Teltschik im Jahr 1950. (Foto: Archiv Teltschik)

An der Oberschule in Heilbronn legte er 1948 unter größten Entbehrungen das Abitur ab. Über die Jahre 1945 bis 1948 berichtet er ausführlich in dem Büchlein „Jahre in Not”, das als Zeitzeugnis an Gymnasien in Bayern verteilt wurde. Das Geld für sein Studium verdiente er an den NSU-Werken in Neckarsulm. Anschließend studierte er an der Universität Heidelberg Physik und Chemie und promovierte mit einer Arbeit auf dem Gebiet der Elektrochemie zum Dr. rer. nat. Von 1957 bis 1991 war er Mitarbeiter im Chemieunternehmen BASF in Ludwigshafen, zunächst in der Forschung und Entwicklung, dann im Management. Er ist Inhaber zahlreicher Patente und Autor wissenschaftlicher Literatur, unter anderem des Standardwerkes „Geschichte der deutschen Großchemie”.

1984, zum 100. Todestag Gregor Mendels, des größten Sohnes des Kuhländchens, stiftete Walter Teltschik mit dem Verein „Alte Heimat – Kuhländchen”, dessen Vorsitzender er war, den Gregor-Mendel-Preis, der in der Aula der Alten Universität in Heidelberg für bahnbrechende Forschungen auf dem Gebiet der Genetik verliehen wurde. Seit 1980 führt er das Werk seines Vaters, der zwischen den beiden Weltkriegen die seit 1301 im Kuhländchen ansässige Familie Teltschik erforschte, weiter. Alle fünf Jahre finden Familientreffen statt, abwechselnd in Deutschland und den USA, an denen etwa 300 Familienmitglieder teilnehmen. Das Jubiläum „700 Jahre Teltschik-Familie” feierte die Familie 2001 am Teltschikturm, einem Aussichtsturm, den er erbauen ließ und seinem Wohnort Wilhelmsfeld schenkte.

Der Teltschikturm wurde zum Wahrzeichen des Luftkurortes Wilhelmsfeld, an dem sich die Bewohner im Sommer zum Turmfest und am Neujahrstag zum Posaunenblasen einfinden. Der Turm ist ein beliebtes Ziel für Wanderer und Spaziergänger und ein neuer Bezugsort für die große Teltschik-Familie. Seit 2007 beteiligt er sich Rat gebend und finanziell an der Sanierung der evangelischen Kirche in Zauchtel, die von seinen Vorfahren erbaut wurde und heute von einer tschechischen Brüdergemeinde benutzt wird. Teltschik ist Inhaber zahlreicher Patente und Autor wissenschaftlicher Literatur, unter anderem des Standardwerkes „Geschichte der deutschen Großchemie”.

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Walter Teltschik im Jahr 2006. (Foto: Archiv Teltschik)

Bei der Einweihung des Eichendorff-Gedenksteines erklärte Walter Teltschik auch seine Intension für die Stiftung:

„In Sedlnitz, dem langen Dorf, aus dem der Taugenichts ausgezogen sein könnte, besaß die Familie Eichendorff ein Lehensgut mit einem verträumten Schlösschen, das für den Dichter im Alter letzte Zufluchtsstätte wurde. Hier unternahm er seine letzten Wanderungen. Es waren eigentlich nur Spaziergänge, vom Schloss hinauf zum Erlenbusch, wo er ausruhte. In dieser Stille und Einsamkeit erinnerte er sich an seine Heidelberger Studentenzeit und die fröhlichen Wanderungen am Neckar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Bewohner aus Ostdeutschland und dem Sudetenland vertrieben, nur die Erinnerungen konnten sie mitnehmen. Möge der Gedenkstein hier am Neckar auch diese Erinnerungen an das Sedlnitz des Dichters Eichendorff wachhalten. Die Verse auf dieser Tafel aber laden zum Wandern ein, wie damals in Sedlnitz:

Und über Felsenwände

Und auf dem grünen Plan

Das wirrt und jauchzt ohn’ Ende:

Nun geht das Wandern an!”

Kommentare (1)

  1. #1 Adrienne Teltschik
    Mai 7, 2010

    Meine große Anerkennung dem “Zeittaucher” – Das gezeichnete Profil von Dr. Walter Teltschik beeindurckt sehr und Eichendorff wärmt über die Zeit das Herz. Danke.