Teil 2 (Erster Teil am 8. Januar 2010 erschienen)
Günter Schabowski/Frank Sieren: Wir haben fast alles falsch gemacht. Die letzten Tage der DDR, Berlin 2009.
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Die Selbstreflexionen umfassen des Weiteren Ausführungen zur Sozialisation Schabowskis in der DDR, seinen Aufstieg vom Volontär zum Politbüromitglied und seiner Neugeburt als Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Die Kapitel über die Ideologie des Kommunismus, die Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit und die Folgen des 17. Juni 1953 für den DDR-Überwachungsstaat decken sich genauso mit früheren sehr auf den Auskunftsgebenden projizierten Ausführungen wie die über das Verhältnis Moskau-Berlin und die Rolle von Michail Gorbatschow, die deutsch-deutschen Beziehungen, die Planwirtschaft und die gleichgeschalteten Medien in der DDR.
Niemand rechnete mit bevorstehender Wiedervereinigung
Eine gewisse Ratlosigkeit bleibt jedoch, weil der Eindruck entsteht, die DDR hätte besonders aus wirtschaftlichen Gründen schon Anfang der 1980er-Jahre zusammenbrechen müssen. Auch Schabowski legt durchaus plausibel dar, dass vor allem während der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl besonders durch die Milliardenkredite ab 1983 das sinkende Schiff des Sozialismus noch temporär stabilisiert wurde und auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges niemand an eine bevorstehende Wiedervereinigung dachte.
Zum Ableben der DDR bemerkt Schabowski zudem in einem Resümee:
„Auch im Vaterland von Marx und Engels wurde damit der Beweis geliefert, dass deren soziale Theorie, auf die gesellschaftliche Versuchsstrecke gebracht, im Fiasko endete. (…) Die Lebenstauglichkeit der Theorie konnte nur durch den Versuch in der Wirklichkeit erkundet werden. Er verlief negativ. Aber diese Erfahrung hat auch einen Wert. Man braucht sich nicht noch einmal auf dieses Gleis zu begeben.” (S. 252f.)
Deshalb kämpft er in seiner eigentümlichen Vehemenz gegen die „Linkspartei”, die er als reine Fortsetzung der SED sieht und die Sozialdemokraten vor weiteren Verschwisterungen mit den Kommunisten warnt. Von den rund 78000 Mitgliedern seien rund ein Viertel als Neuzugänge zu betrachten. Die meisten Altkader kämen noch aus dem Osten Berlins und wohnten immer noch dort, weiß der ehemalige SED-Bezirkschef zu berichten.
„Ein Großteil aber setzt sich aus dem Dunstkreis der älteren Generation zusammen und aus jüngeren Radikalen, also aus Personen, die nicht unbedingt von der geistigen und politischen Konstitution sind, die einen Wandel der Partei erwarten lassen.” (S. 245)
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