Als deutscher Historiker und Vista-Nutzer fühlt man sich in der Schweiz irgendwie schäbig. Denn jeder hat hier einen Mac, überall leuchten Apple’s auf und alle warten unausgesprochen auf den iPad, um diesen bald Gassi führen zu dürfen…

…Das ist zumindest nicht so nervig wie in Amerika, wo in den größeren Städten ununterbrochen die von mir so getauften „Blackberry-Kasper” herumrennen. Das sind Menschen, die in der linken Hand einen mittleren Starbucksbecher mit Vanillegeschmack haben und in der rechten im Gehen pausenlos an ihrem Mobiltelefon mit E-Mailempfang drehen, um alle Nachrichten auf einmal zu lesen. Das Komische ist, dass diese Menschen nicht auf dem Bürgersteig zusammenstoßen oder beim Trotz-Rotlicht-Über-Die Straße-Laufens überfahren werden. Sie werden nur noch getoppt von den „Power-Point-Kaspern”. Das sind Menschen, die nichts Substantielles zu sagen haben, es aber 45 Minuten mit einer PP-Präsentation tun und die unter die Rubrik „Zeitdiebe” fallen. Steve Jobs muss für viele internetsüchtige Eidgenossen so etwas wie ein Nationalheiliger sein, was auch erklärt, weshalb im Hotel der neueste „Economist” gereicht wurde.

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Steve Jobs ist der neue Heilsbringer. (Fotocover von „The Economist”, 2010)

Die „NZZ” beschäftigt sich (6.2.2010) seit Tagen wie andere schweizerische Zeitungen ununterbrochen mit den von Deutschland „illegal erworbenen” Steuer-CDs und titelt „Fatale Geringschätzung der Privatsphäre”. Weitere Daten-Angebote sind im Umlauf: Jetzt will sich sogar mein Heimatbundesland Baden-Württemberg für einen kleinen Millionenbetrag eine solche CD zulegen, um Schulden im Landeshaushalt zu tilgen. Ausgerechnet in dieser aufgeladenen Stimmung kündigt der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz (!) an, dass das Ende des Bankgeheimnisses auch im Inland nicht mehr ausgeschlossen und die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug „hierzulande nicht mehr sakrosankt” (Basellandschaftliche Zeitung, 4.2.2010) sei. Vorsicht vor Tabubrüchen: Der deutsche Namensvetter und Finanzexperte „Friedrich” ist politisch nicht mehr im Geschäft.

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In der Schweiz gibt es noch die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug.

(Foto: © Kurt F. Domnik / PIXELIO 2010)

Auf den Geschichtstagen gibt ein eidgenössischer Kollege auf Hochdeutsch dennoch zu: „Es ist schon verlockend, mit einem Einsatz von 2,5 etwa 400 zu machen.” Er meint dabei „Millionen Euro”. Den Witz von Harald Schmidt vom Donnerstag (4.2.2010), dass die Bundeswehr, wenn das so weitergehe, bald am „Matterhorn statt am Hindukusch die deutsche Freiheit” verteidigen müsse „und dann halt in der Schweiz Schulen bauen und Wasserleitungen verlegen” werde, findet er trotzdem nicht wirklich lustig.

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Das Matterhorn. (Foto: © Michael Knoblauch / PIXELIO 2010)

Da passt der halbseitige Beitrag der NZZ (6.2.2010, S. 13) über die Forderungen des Armeechefs André Blattmann über die „generelle Erhöhung der Bereitschaft und Schließung erheblicher Ausrüstungslücken”. Bei der Alarmierung gebe es nach dem Wegfall eines Mobilmachungssystems erhebliche Defizite, lese ich auf der Titelseite. Beim folgenden Satz werde ich stutzig: „Der Chef der Armee hält auch eine Definierung der Mittel für die Abwehr eines militärischen Angriffs für nötig.” Mist, die Schweizer Generäle haben Harald Schmidt ernst genommen.

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Superpuma der Schweizer Luftwaffe. (Foto: © Paul-Georg Meister / PIXELIO 2009)

Ich lese nun den ganzen Artikel und stelle erleichtert fest: Die Bedrohung hat nichts mit Deutschland zu tun. Als Risiken werden vielmehr „terroristische Anschläge, paramilitärische Makrogewalt, die vorhandenen militärischen Arsenale, Profileration, Unruhen mit Mikrogewalt, Migrationskonflikte, Katastrophen” gesehen. Also doch die Deutschen. Denn die am größten wachsende Migrantengruppe kommt aus der Bundesrepublik, 2006 waren 166146 Deutsche offiziell in der Schweiz registriert (SPIEGEL-Online/AP vom 4.1.2007) – die Dunkelziffer soll höher liegen – und 100000 Germanen sollen noch 23 weitere Milliarden Euro in der Schweiz „unversteuert bunkern” (Süddeutsche Zeitung, 6.2.2010). Da passt es wiederum, dass Armeechef Blattmann auch weiterhin einen „Luftraumschutz aus dem Stand” haben möchte. Einen Krieg zwischen Deutschland und der Schweiz halte ich trotzdem für absolut unwahrscheinlich. Denn gute Handelspartner und Nachbarstaaten tun dies aus eigenem Interesse schon seit langem nicht mehr. Der wichtigste Handelspartner der Schweiz war 2008 mit 42,5 Milliarden Franken Ausfuhren und 65,8 Milliarden Franken Einfuhren Deutschland.

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Service für Datenklauer. (Foto: © Rainer Sturm / PIXELIO 2009)

Die Basellandschaftliche Zeitung (4.2.2010) hat auch Servicethemen: Auf Seite 3 finde ich den Artikel „Datenklauer wurden unglücklich” von Sandra Kohler, indem das Schicksal des Liechtensteiners Heinrich Kieber und des Schweizers Christoph Meili nach dem Motto „Wer vertrauliche Daten klaut, handelt sich einige Probleme ein” beschrieben wird. Kieber sei nach dem 4-Millionen-Euro-Deal mit dem deutschen Bundesnachrichtendienst „jeden Tag auf der Flucht”, da er von Liechtenstein mit internationalem Haftbefehl gesucht werde. „Seither hat dieser keine ruhige Minute mehr”, heißt es prophylaktisch-pädagogisch (Kinder: Wenn ihr erwachsen seid, bitte keine Daten klauen!). Bekannte des Flüchtigen vermuten, dass er sich nach Australien abgesetzt habe. Kollege Meili sei nicht glücklich geworden, indem er Aktenmaterial über Geschäftsbeziehungen zwischen der Schweizerischen Bankgesellschaft und jüdischen Kunden vor dem 2. Weltkrieg vor der „Vernichtung” gerettet habe. Nach Anklage und Flucht in die USA habe er dort zwar Asyl und eine Million Dollar vom Jüdischen Weltkongress bekommen. Die Autorin mahnt zum Abschluss: Davon ist heute nichts mehr übrig. Seit 2009 lebt Meili wieder in der Schweiz. Der 41-Jährige ist auf Jobsuche, bezieht Sozialhilfe und wohnt in einer 1-Zimmer-Wohnung.”

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Freundschaft. (Foto: © Nicole Celik / PIXELIO 2009)

Trotzdem gibt es auch in der Schweiz noch Zivilcourage. Denn im Jura dürfen sich nach Beschluss des Bundesrates vom 5.2.2010 zwei Uiguren niederlassen, die die letzten Jahre Häftlinge in Guantánamo waren. Das gefällt den Chinesen nicht, die das geplante Freihandelsabkommen verzögern und die wirtschaftliche Freundschaft (Abhängigkeit) zu Deutschland noch verstärken könnten, zumal jetzt Griechenland und Portugal wegen wirtschaftlicher und finanzpolitischer Schwierigkeiten Probleme bekommen und bereiten könnten. Wie ein Kommentator anmerkt, habe die Schweiz zu beiden Ländern keine nennenswerten wirtschaftlichen Beziehungen.

Kommentator Markus Gisler von der Basellandschaftlichen Zeitung (4.2.2010, S. 10), kann der Europäischen Union in diesem Zusammenhang (Griechenland) auch etwas Positives abgewinnen:

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Kommentare (1)

  1. #1 Marcel
    Februar 8, 2010

    „Zum Glück gibt es die EU, welche diesen verlotterten Staat an die Kandare nimmt.” Die EU ist eine schöne Instutition die nicht ewig währen wird denn irgendwann bricht wieder alles zusammen … ich lebe in einer schönen Zeit