Janssen, Wiebke: Halbstarke in der DDR. Verfolgung und Kriminalisierung einer Jugendkultur, Berlin 2010.
Von Sebastian Bastin (Universität Heidelberg)
Die Jugendavantgarde der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte, die den Protest gegen die bürgerliche Gesellschaft und Weltanschauung aufnahm, ist als Gruppe der „Halbstarken” (oder auch „Rowdys”) in die Annalen der Geschichte eingegangen.
Hetzjagd auf DDR-Halbstarke
Die gegen die gesellschaftliche Tradition radikal opponierenden Jugendlichen verschafften sich erstmals ab den 1950er-Jahren durch skandalträchtige Randale Gehör und verstanden es in der Folge, als Indikator des modernen Lebensgefühls zu fungieren. Einem diktatorischen, jegliches Anderssein zu unterbinden versuchendes Regierungs- und Systemform wie die Deutsche Demokratische Republik waren der Habitus und die Ideale dieser Personengruppe freilich ein Dorn im Auge. Diffamierungen und eine Hetzjagd der Jugendkultur waren die Folge.
Erstmalige Untersuchung des ostdeutschen Jugendprotestes
Die Historikerin Wiebke Janssen widmet sich in ihrem Sachbuch „Halbstarke in der DDR. Verfolgung und Kriminalisierung einer Jugendkultur” – basierend auf Zeitzeugengesprächen und Material aus DDR-Archiven – erstmals diesem Kapitel der ostdeutschen, progressiven Jugendprotest-Entwicklung.
SED hatte Angst vor Amerikanisierung
Die politischen und sozialökonomischen Rahmenbedingungen finden ebenso Erwähnung wie die ausführliche Schilderung des Alltags und der Sozialisationsbedingungen ostdeutscher Jugendlicher. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei der Frage nach der Rolle der „Amerikanisierung” und den Unterschieden zwischen west- und ostdeutschen Jugendgruppierungen zu.
Unterschiede zwischen Ost und West
So erfährt der Leser beispielsweise, dass die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) das Phänomen der „Amerikanisierung” beständig einer Denunziation unterzog und das der Konsum US-amerikanischer Massenkultur (vornehmlich des Genres des „Rock ‚n’ Roll”) seitens der DDR-Funktionäre systematisch als „psychologische Kriegsführung” der kapitalistischen Amerikaner geächtet wurde. Des Weiteren macht sie deutlich, dass sich die Motivation der Halbstarken in der Bundesrepublik und der DDR gravierend voneinander unterschieden: Während westdeutsche Jugendliche nicht politisch motiviert waren und aus einem spontanen, unreflektierten Impuls handelten, waren die Revolten der ostdeutschen Heranwachsenden Ausdruck des wachsenden Missfallens mit den gesellschaftlich-politischen Zuständen ihres sozialistischen Staates.
Bewertung
Die Autorin beleuchtet in einer schlüssigen Strukturierung das Thema der gebrandmarkten Jugendkultur in der DDR, jedoch werden einige Defizite ersichtlich: Die Gestaltung des Buches muss unumwunden als dröge bewertet werden, eine ergänzende Bebilderung, nach welcher dieser Themenkomplex förmlich schreit, sucht der Leser vergeblich. Ferner ist die eine oder andere beigefügte Tabellenabbildung als irrelevant zu bezeichnen. Nichtsdestoweniger ist das Buch aufgrund seiner Fundiertheit und anschaulicher Fallbeispiele ein wichtiger Beitrag zur deutsch-deutschen Jugendkulturgeschichte.
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