Zwenger, Thomas: Geschichtsphilosophie. Eine kritische Grundlegung, Darmstadt 2008.

Von Jochen Redinger (Universität Heidelberg)

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Was ist Geschichtsphilosophie?

Der Philosoph Thomas Zwenger von der Universität Bonn versucht diese Frage zu klären und gleichzeitig über die aktuell verfügbaren Werke hinaus eine kritische Grundlegung, also eine umfassende theoretische Basis zum Thema, zu liefern.


In einem ersten Teil geht der Autor auf die Grundbegriffe wie Geschichte, Philosophie und Selbstreflexion ein und erläutert die verschiedenen Herangehensweisen an die „Geschichtsphilosophie” (S. 14-54). Die Fragestellung, ob Geschichte als feststehende Größe, die zu unserer Umwelt gehört wie zum Beispiel physikalische Gesetze, angesehen wird (Naturphilosophie) oder ob sie für den Menschen und vor allem den Historiker nur ein gedankliches Konstrukt ist, mit dem er versuchen kann, vergangene Ereignisse zu begreifen (Reflexionsphilosophie), führt Zwenger zu einer Unterteilung der Geschichtsphilosophie in drei, später zwei Bedeutungsfelder:

Geschichtsphilosophie-1, die allgemeine Vorstellung von Geschichte und Geschichtstheorie (S. 15-17); Geschichtsphilosophie-2, die inhaltliche und historische Darstellung der Geschichtswissenschaft und ihrer Methoden in Etappen von der Antike bis zur Moderne (S. 55-103); Geschichtsphilosophie-3, die formale Untersuchung der verschiedenen Möglichkeiten, „Geschichte” zu untersuchen und als Begriff überhaupt greifbar zu machen (S. 104-209).

Historiker als „Richter oder Beurteiler der Geschichte”

Während der erste Bereich keine größere Rolle für Zwengers „kritische Grundlegung” spielt, stellt er Feld 2 und 3 gegenüber, um letztlich eine Entscheidung zugunsten der „kritischen” Variante 3 zu fällen. Entsprechend dieser Entscheidung, nimmt die Geschichtsphilosophie-3 auch inhaltlich den größten Raum ein und führt den Autor zur Geschichtsphilosophie als „Sinnkonstruktion in praktischer Absicht” (S. 208), die den Historiker als „Richter oder Beurteiler der Geschichte” (S. 209) auftreten lässt – gemäß den Aussagen der Aufklärung.

Deskriptive Geschichtsphilosophie nicht weiterführend

Um seine Gedanken zu entwickeln, stützt sich Thomas Zwenger vor allem auf „große Aufklärer” wie Kant, Descartes oder Humboldt. Zeitgenössische Forschungsmeinungen (Das umfangreiche Literaturverzeichnis bietet Arbeiten zu fast allen Bereichen, die Zwenger aufgreift, und kann gut als Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit ‚Geschichtsphilosophie’ genutzt werden) greift er zwar auf, geht aber nicht vertieft darauf ein. Der Anspruch des Titels, eine „kritische Grundlegung” zu schaffen, anstatt nur „historisch aufzulisten, als was Geschichtsphilosophie von ausgewählten Denkern der Vergangenheit verstanden worden ist” (S. 8), bedeutet für Zwenger vor allem eine Abgrenzung von der momentanen Herangehensweise an Geschichtsphilosophie in „Einführungen” für das Studium. Die nötigen Begriffe zur Abwägung zwischen den möglichen Theorien erläutert er zum Großteil im ersten Teil, um dem Leser das Verständnis der verschiedenen Ansätze zu erleichtern.

Was ist nun Geschichtsphilosophie?

Was sie für Thomas Zwenger bedeutet, der schon relativ früh eine Entscheidung zugunsten von „Geschichtsphilosophie-3″, der Vorstellung von Geschichte als gedanklichem Konstrukt, das für den Historiker Werkzeug und Vermittler ist, erfährt der Leser erst im letzten Kapitel in klaren und verständlichen Worten. Zwenger möchte eine „Grundlegung” schaffen und dabei dem Geist der Aufklärung folgen, was vor allem bedeutet, dass eine Vielzahl von philosophischen Begriffen aufgegriffen, aber leider nicht immer ausreichend erklärt werden. Philosophisches Grundwissen wird so in großem Umfang vorausgesetzt, zumal erst in den letzten Kapiteln Beispiele angeführt werden.

Bewertung

Für den eigenen hoch philosophischen Anspruch ist das ein Manko, da Zwenger – der sich immer wieder über die gescheiterte Aufklärung und die heutigen Missstände in Forschung und Lehre auslässt (Vor allem das Vorwort bietet mehr Kritik am Bolognaprozess und den daraus resultierenden Studienordnungen als Richtlinien für das weitere Vorgehen) – es nicht schafft, seine Ideen methodisch klar und gleichzeitig für jeden verständlich auszudrücken. Zwengers „Geschichtsphilosophie. Eine kritische Grundlegung” sollte in diesem Sinne weniger als Einstieg in das Thema für Historiker, sondern eher zur gezielten Vertiefung im Rahmen des Studiums der Philosophie gesehen werden.

Kommentare (1)

  1. #1 WeinuFeinkost
    Mai 2, 2010

    Für jemanden der Grundlagen in der Geschichtsphilosophie schaffen möchte kommt dieses Buch meiner Meinung nach zu früh. Da eignen sich andere Werke wesentlich besser. Da würde ich “Geschichtsphilosophie zur Enführung” von Johannes Rohbeck empfehlen. Allerdings ist Zwengers Werk eine wahre Fundgrube für Leute die im Thema sind.