Können Straftäter erfolgreich behandelt werden? – Workshop an der SRH-Hochschule Heidelberg

(Text zusammen mit: Daniel Rübel, Universität Heidelberg)

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Auf einem wissenschaftlichen Workshop in der Hochschule Heidelberg der SRH wurde untersucht, wie gefährliche Straftäter erfolgreich behandelt werden können. Unser Bild zeigt von links: Niels Habermann, Monika Zisterer-Schick, Prof. Denis Köhler, Hanna Heinzen und Winfried Barnett. (Foto: CJ)

Aktuell – Scienceblogs Podcast: Therapie für Sexualstraftäter und Nachhilfe in Statistik (6. August 2010)

Seit kurzem gibt es an der Hochschule Heidelberg der SRH ein Kontaktstudium für „Forensische Sozialwissenschaften”, das von Psychologie-Professor Denis Köhler geleitet wird. Ein Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit ist die „Therapiemotivation und Behandlung von Straftätern”, weshalb am 30. Juli 2010 ein überregionaler Workshop mit 150 Teilnehmern in der Hochschule stattfand, der sich mit der Frage beschäftigte, wie „gefährliche” Straftäter behandelt werden können.

Brandstifter hatten oft Entwicklungsverzögerungen

Privatdozent Winfried Barnett vom Psychiatrischen Zentrum Nordbaden aus Wiesloch beschäftigte sich bei der Veranstaltung mit Brandstiftern. Schon Ende des 19. Jahrhunderts hätte es das abergläubische Volkssprichwort „Wer als Kind bettnässt, wird später zum Brandstifter” gegeben. Sigmund Freud formulierte dies zwar ein wenig anders, blieb aber bei der inhaltlichen Aussage. „Tatsächlich können wir einen überproportionalen Zusammenhang zwischen Bettnässern und Brandstiftern erkennen. Jedoch sind diese Phänomene vielmehr auf eine Entwicklungsstörung zwischen dem dritten und fünften Jahr vor allem bei Jungen zurückzuführen und nicht Ursache und Wirkung”, sagte Barnett. Experten stellten in Deutschland bei bis zu 70 Prozent aller Brandstifter eine solche Entwicklungsverzögerung fest, betonte der Psychiater, der bundesweit als Gutachter eingesetzt wird. In der Praxis werde eine Therapie immer individuell angewandt: Unterschiede zwischen Serien- und Einzeltätern, dem Alter der Täter und dem Ort der Therapie müssten dabei berücksichtigt werden.

Alkohol und Drogen spielen bei Brandstiftungen eine immer größere Rolle

Eine weitere Rolle spielt die sogenannte „psychiatrische Komorbidität”: Viele Brandstifter sind psychisch krank, ohne dass ihr Umfeld oder die Polizei, die einen Täter aufgegriffen hat, das feststellen kann. Suchtproblematiken, ob Alkohol oder Drogen, bedürfen ebenfalls einer erhöhten Aufmerksamkeit bei Brandstiftungen, die nicht unbedingt aus einer „verbrecherischen Gesinnung heraus begangen” werden, sondern als „eher unwichtige Einzeltaten zur Katastrophe mit Toten und Millionenschäden führen.” Der Wieslocher Oberarzt setzt bei der Behandlung von Brandstiftern deshalb das sogenannte „Affektregulationsmodell” ein. Hierbei arbeiten die Psychologen mit aktuellen Erkenntnissen der Aggressionsforschung und der Kriminologie zusammen. Einerseits werden die Tatumstände diagnostiziert und berücksichtigt: „Wollte der Einzeltäter die Versicherung betrügen und zündete er daher das Haus an? Oder ist die Tat nichtinstrumentell motiviert und der Täter versuchte, seinen Emotionshaushalt in den Griff zu bekommen?”, fragte Barnett. Entsprechend der Tatumstände wird dann der Brandstifter nach den konventionellen psychiatrisch-psychologischen Methoden diagnostiziert und behandelt. In diesem Zusammenhang gebe es bei den Brandstiftern einen empirisch feststellbaren Wechsel vom minderbegabten und jähzornigen Täter zum immer jünger werdenden männlichen Drogen- und Alkoholkonsumenten, der im Frustrausch bewusst oder unbewusst zündle. Auf dem Land sei die Brandstiftung dabei immer noch häufiger als in städtischen Gebieten.

Sexualstraftäter werden auch nach Haft psychologisch betreut

Monika Zisterer-Schick von der seit 2009 arbeitenden Psychotherapeutischen Ambulanz der rheinland-pfälzischen Justiz aus Ludwigshafen stellte in der Folge das Konzept ihrer Einrichtung vor. In der einzigen Nachsorgeambulanz in Deutschland, die direkt an die dortige Sozialtherapeutische Anstalt angebunden ist, werden entlassene Täter mit Sexualhintergrund weiter behandelt, damit sie nicht wieder rückfällig werden. „Bisher fiel diese Gruppe meist durch die soziale Masche, weil es nach der Haft keine klinische Diagnose gab”, sagte die Psychologin. Da viele Klienten nach der Haft in Schichtarbeit tätig seien, würden für die früheren schweren Gewalt- und Sexualstraftäter individuelle Behandlungskonzepte entwickelt, die nicht in der Gruppe therapiert werden könnten. Bedingung für eine Behandlung sind in Ludwigshafen ausreichende Sprachkenntnisse und die Bereitschaft, Therapieverträge abzuschließen und die Sitzungen regelmäßig zu besuchen, da sonst in der Bewährungsphase richterliche Sanktionen drohen. Frauen sind bisher nicht unter den „Nachsorge-Patienten”, für die es alleine im pfälzischen Landgerichtsbezirk Frankenthal einen Bedarf von bis zu 120 Plätzen gibt. Monika Zisterer-Schick rechnet außerdem mit einem neuen Arbeitsschwerpunkt, da es viele sogenannte „Tatgeneigte” gebe. Dieses sind Pädophile, die beabsichtigen, eine Straftat zu begehen, aber diese noch nicht vollzogen haben und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Die größten psychischen Probleme hätten die Klienten zwischen Weihnachten und Neujahr, weshalb das Ludwigshafener Team am Beispiel von Stuttgart beabsichtige, ein Notfalltelefon zwischen den Jahren einzurichten.

Zielgerichtete Therapie gegen Rückfall von Sexualstraftätern

Hanna Heinzen berichtete außerdem über ihre Tätigkeit in der ambulanten Behandlung von Straftätern mit Migrationshintergrund am Zentrum für Integrative Psychiatrie in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel, bei der es vor allem darum gehe, die zuverlässige Teilnahme der Betreuten zu erreichen, Therapeutenwechsel zu vermeiden und ein regelhaftes Sanktionssystem durchzusetzen. Dabei werde eng mit den Familien der Täter zusammengearbeitet, die gemeinsam bei Gewalttätern das Ziel formulierten „Ich will nicht mehr in den Knast”. Niels Habermann vom Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Zürcher Justizvollzugs stellte zum Abschluss das „Forensisch Operationalisierte Therapie-Risiko-Evaluationssystem (FOTRES)” als Instrument zur computergestützten Abbildung des Behandlungsverlaufs bei Straftätern vor, das von Schweizer Wissenschaftlern in den vergangenen Jahren entwickelt wurde. Anhand von 400 Variablen könne man durch das Programm zum Beispiel bei Sexualstraftätern sehr gut nachvollziehen, ob sich der Behandlungserfolg einstelle oder ein Rückfall nach einer Haftentlassung zu erwarten sei. Anstatt einen Straftäter nach der Aburteilung einfach dem Strafvollzug zu überlassen, werden in Zürich bereits zum Zeitpunkt des Urteils oder kurz darauf Gutachten erstellt, die sich mit zu erwartenden Persönlichkeitsstörungen und der Rückfallgefahr beschäftigen. In Zürich gibt es ein solches Gutachten bei allen Tötungsdelikten und bei sechzig Prozent der Sexualdelikte. Ziel ist ein breiteres Therapieangebot, das die Rückfallquoten senkt, die nach Angaben der Züricher Justiz bei aktuell drei Prozent, in Deutschland dagegen bei über vierzig Prozent liegen.

Internet: https://www.fh-heidelberg.de

Kommentare (3)

  1. #1 Mia Castello
    August 9, 2010

    Ich finde es wichtig das Prävention betrieben wird. Denn Straftäter dürfen nicht frei herumlaufen und unschuldige Menschen gefährden.

  2. #2 vacalv
    August 12, 2010

    @ Mia Castello

    Schlechte Ärzte, die ihren Patienten schaden, gibt es auch zuhauf. Wie stellen sie sich da die Prävention vor?

  3. #3 YeRainbow
    August 30, 2010

    noch sinnvoller als prävention wäre Prospektives Gestalten…
    hust…