Man verzeihe mir das doppelte Fragezeichen, aber ich fasse es grad nicht mehr. Nachdem willenlos abgeschriebenen Akupunktur-Artikel schießt FOCUS Gesundheit jetzt echt den Doppelbock, denn jetzt finde ich auch noch das: Homöopathie wirkt.
Der Artikel ist eine 1:1 abgeschriebene Pressemitteilung, das nurmal schon vorweg.
Gleich der EInstieg ist eine Meisterleistung an Geplapper:
Während einige wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit von Globuli und Co. klar widerlegt haben, schwören Patienten darauf, denen die Mittel geholfen haben. Aber es gibt auch einige wissenschaftliche Belege, dass die Einnahme dieser hochverdünnten Arzneimittel einige Krankheiten zumindest lindern kann.
Und was wurde nun getan? In einer Studie der Berliner Charite, so heißt es, habe man zwei Jahre lang 4000 Patienten homöopathisch behandelt. Genaueres entnimmt man dem Artikel nicht. War es eine kontrollierte Studien, wurde mit Placebo gearbeitet?
Nach 3 Monate seien bei 40 % der Patienten die Beschwerden zurückgegangen.
Aber die Härte: Scheinbar wurde dies durch Befragen (!) ermittelt, auch in einer Folgestudie:
Die Studienteilnehmer wurden nun, acht Jahre nach Studienbeginn, noch einmal befragt. Es zeigte sich, dass die nach Abschluss der zweijährigen Studie erreichte Lebensqualität sechs Jahre später durchschnittlich noch genau so hoch war wie kurz nach der Studie. Demnach ist keine Verschlechterung eingetreten. Und jene Probanden, die in den letzten sechs Jahren weiterhin in homöopathischer Behandlung waren, schätzten sich sogar noch ein bisschen gesünder ein als die Patienten, die die homöopathische Behandlung beendet hatten.
Jawohl, die Behandlungsmethode wurde durch Befragen evaluiert! Ob man das bei Herz-OPs auch macht? Ob Merck damit Erfolg hätte? Man weiß es nicht…
Und diese unfassbare Schlussfolgerung:
Wichtig ist auch, dass sich diese beobachteten Verbesserungen nicht mit einer normalen Selbstheilungstendenz des Körpers erklären lassen. Der Rückgang der Beschwerden war wesentlich größer, als man es hätte erwarten können, wenn die homöopathische Behandlung völlig wirkungslos gewesen wäre.
No shit, Sherlock! Ihr habt den Placebo-Effekt entdeckt! Tusch, Klatschmarsch, Ehrenmedaillen!
Ok, und FOCUS übernimmt dieses Geschreibsel woher? Kaum zu glauben, es stammt aus einer Pressemitteilung des Zygar Verlags zur Zeitschrift “feminin & fit”.
Da wird auf dem Titelbild sogar gleich “Homöopathie besser als Schulmedizin” daraus.
Ok, ein Käseblatt, aber ein Interview mit Prof. Claudia Witt. Aha! Die Homöopathie-Stiftungsprofessur, die hatte Christian Reinboth schonmal verbloggt. Und die Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten: Dort muss Wissenschaft draußenbleiben, nur als Alibi für die Mission ist sie gut genug.
Denn wie schreibt die Karl und Veronica Carstens-Stiftung:
Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung fördert die wissenschaftliche Durchdringung von Naturheilkunde und Homöopathie sowie den wissenschaftlichen und ärztlichen Nachwuchs; das langfristige Ziel ist die Integration der Komplementärmedizin in Forschung und Lehre der Hochschulmedizin.
Nachtrag 18:50: Nein! Was fällt mir da aus meinem To-Read-Stapel entgegen:
https://www.info3.de/wordpress/?p=183
Ich weiß nicht ob es das gleiche Interview ist.
Nachtrag 19:00: Ja es ist das gleiche Interview. Lest das durch, es ist wirklich erschütternd. Da stehen so Perlen drin wie
Sicher, diese Effekte einfach als Placebo abzustempeln, ist undifferenziert. Das wird in der Fachwelt allerdings immer noch gern getan, aber der modernere Weg geht nach meinem Eindruck auch in der Forschung immer mehr dahin, gerade diese Kontext-Effekte besser zu verstehen, um sie auch später in den Behandlung besser nutzen zu können.
Heidernei, aber durch Befragen ohne Kontrollgruppe wird es erforscht. Das ist intellektueller Betrug.
Bildquelle: Zygar Verlag
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