Ich muss grinsen beim Schreiben dieser ersten Zeilen. Hochauflösungsmikroskopie ist mein Ding, ich habe in dem Bereich meine Dokorarbeit geschrieben, ich habe viele Freund*innen und Kolleg*innen, die in dem Bereich forschen – ach ich mag das Feld einfach, es hat mich von Anfang an fasziniert. Aber was das jetzt genau ist verrät dieses Wortungetüm leider noch nicht direkt, und eigentlich ist diese lange Aneinanderreihung von Buchstaben eigentlich auch nur eine verkürzte Bezeichnung. Richtig müsste es eigentlich Hochauflösungsfluoreszenzmikroskopie heißen, nur nennt es so niemand. Meistens spricht man von Super-Resolution als Oberbegriff, nicht nur weil die englische Bezeichnung irgendwie schmissiger klingt, sondern auch weil man in den meisten Fällen sowieso die englischen Begriffe im Kopf hat.

Also: Was ist Super-Resolution?

Der ein oder andere erinnert sich vielleicht an den Nobelpreis 2014 für Chemie. Nein? Der ging an zwei Amerikaner und einen Deutschen, William E. Morner, Eric Betzig und Stefan Hell für the development of super-resolved fluorescence microscopy, was übersetzt nicht anderes heißt als für „die Entwicklung hochaufgelöster Fluoreszenzmikroskopie“.

Es geht dabei immer um Mikroskopiemethoden, die mit Licht aus dem sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums funktionieren. Elektronenmikroskopie zählt nicht dazu, obwohl diese Technik die beste Auflösung hat. Allerdings ist die Elektronenmikroskopie auch recht beschränkt in dem was sie darstellen kann. Ein bisschen etwas darüber habe ich bereits unter Besuch bei Robert Mikroskopen aufgeschrieben.

Zurück zum sichtbaren Licht. Genau das stellt uns, durch seine Wellennatur, ein Hindernis in den Weg, wenn wir Mikroskopie machen wollen: Die Beugungsgrenze des Lichts. Dies allein ist schon eine spannende Geschichte für sich, und ein bisschen was davon habe ich bei Ernst Abbe war ein faszinierender Mensch aufgeschrieben. Für uns reicht es hier einfach zu wissen, das zwei Lichtpunkte nicht mehr von einander zu unterschieden sind, wenn sie zu eng zusammenstehen. Die Schwierigkeit besteht dann, wenn die gemessene Distanz der beiden Lichtpunkte zueinander unter der halben Wellenlänge der verwendeten Lichtquelle liegt; der sogenannten Beugungsgrenze.

Allerdings gibt es Möglichkeiten diese Beugungsgrenze zu umgehen. Aber wie immer im Leben: so etwas ist nicht umsonst. Man handelt sich andere Schwierigkeiten und Probleme ein, je nachdem welche Strategie man nutzt, um das Licht quasi auszutricksen. Für diese Strategien gibt es nicht wirklich treffende Oberkategorien – finde ich – daher hab ich meine eigene kleine Einteilung gewählt: mathematisch, physikalisch und chemisch.

Mathematische Überlistung

Das wohl prominenteste Beispiel hier wäre wohl die strukturierte Beleuchtung, auf Englisch Structured Illumination Micorscopy (SIM). Kurz und kompliziert gesagt: Durch Transformationen in den Frequenzraum von Bildern können Frequenzen unterhalb der Beugungsgrenze sichtbar gemacht werden. Kurz und einfach gesagt: Wir benutzen diese lustigen Muster in zwei überlappenden Geländern (Blick auf Autobahnbrücken z.B.) oder bei kleinkarierten Hemden im Fernsehen, um Dinge zu sehen die kleiner sind als die Beugungsgrenze. Diese Muster nennt man auch Moiré-Effekt.

Bei der strukturierten Beleuchtung regt man die Farbstoffe in einer Probe (siehe Das bringt Farbe ins Leben) mit einem engen Streifenmuster an, das sinusförmig ist. Dieses Muster verschiebt man einige Male senkrecht zur Streifenrichtung, dreht es um 60°, verschiebt wieder, dreht es ein letztes Mal um 60° und verschiebt wieder. Am Ende bekommt man so 15 Bilder, je fünf Bilder von kleinen Verschiebungen der jeweiligen Rotationen. Diese Bilder werden dann einer mathematischen Transformation in den Frequenzraum unterzogen, der sogenannten Fourier-Transformation.

Funktionsweise SIM von Dr. Marcel Müller, Uni Bielefeld CC-BY-SA 4,0

Funktionsweise SIM von Dr. Marcel Müller, Uni Bielefeld CC-BY-SA 4.0

Links, im Bild oben, sieht man 15 Bilder: die Rohdaten. Auf der rechten Seite kann man die Fouriertransformationen erkennen. Die drei „pillenfömigen“ Bilder sind die kombinierten Fouriertransformationen von den fünf Verschiebungen eines Winkels. In diesem Beispiel wurde Aktin angefärbt. In der Animation weiter unten, ist der eindimensionale Fall dargestellt. Die grauen Kästen stellen die markierten Strukturen in einer Probe dar, die blaue Linie ist das, was ein normales Fluoreszenzmikroskop sehen würde, die Sinusfunktion in türkis stellt die strukturierte Beleuchtung dar und in rot sind die Signale des SIM gezeigt. Man sieht, dass  auf der linken Seite SIM einzelne Spitzen produziert, wohingegen im normalen Mikroskop (blau) keine getrennten Spitzen zu sehen wären.

1D SIM, von Dr. Marcel Müller, Uni Bielefeld CC-BY-SA 4.0

1D SIM von Dr. Marcel Müller, Uni Bielefeld CC-BY-SA 4.0

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Kommentare (11)

  1. #1 Johann
    9. Januar 2017

    Klasse Zusammenfassung. Bislang hatte ich noch nicht die Zeit die Primärartikel zu lesen, da kommt das hier genau richtig :).
    Nebenbei erinnerst Du mich daran die 33c3 auf youtube anzusehen, hätte ich fast vergessen

    PS “nicht nur weil die englische Bezeichnung irgendwie schmissiger klingt” Ist rein psychologisch, nach dem Motto das Gras der Nachbarweide ist auch grüner als das der eigenen, sprich, eigentlich Mumpitz und imho hauptsächlich eine deutsche Einstellung.

    • #2 André Lampe
      9. Januar 2017

      Primär Lit kann einem Kopfschmerzen bereiten, ich wünsche dir Kraft 😉

      zum Englischen: Naja, der Blick des Wissenschaftlers der im Fachbereich eh nur englisch kommuniziert hat da eine gewisse Präferenz. Ich würde hier weniger “grünes Gras” sagen, sondern eher Bequemlichkeit und klarere Definition – für jeden Fachbegriff immer eine deutsche Übersetzung zu haben bringt nicht unbedingt Klarheit.

  2. #3 MartinB
    9. Januar 2017

    Toll, danke.

  3. #4 JW
    11. Januar 2017
    • #5 André Lampe
      11. Januar 2017

      Ja, darüber gab es erst am 23.12. eine Pressemitteilung. Was ich daraus, und aus deinem verlinkten Beitrag, gelesen habe lässt mich erstmal etwas skeptisch zurück. Einige Behauptungen, zB “Nanometer genaue Auflösungen und Dynamiken Beobachten (wie bei STED)” sind sehr große Behauptungen. Zum einen, weil STED zwar Dynamiken abbilden konnte, aber längst nicht alle sondern nur ein kleines Subset und zum anderen weil die Nanometergenaue Auflösung bedeuten würde das Dinge wie Beweglichkeit der Markierung, Korrektur von Probenschwingung, Photonenausbeute und noch viele Dinge mehr geklärt sein müssen.

      Wie gesagt: ich bin skeptisch ob der Leistungsumfang dieser Technik wirklich stimmt und ob – so lesen sich die Artikel darüber nämlich – diese Technik bei vielen Proben überhaupt angewendet werden kann. Hinzu kommt noch: Gerade bei der Hochauflösung wird man wissenschaftliche Artikel finden (für jede Technik), die deutlich bessere Auflösungen konstatieren als ich sie hier in der Zusammenfassung stehen habe. Wenn man dann genauer hinschaut sind diese Auflösungen nur für einen sehr engen Spezialfall gültig.

      Ich habe dieses Paper auf der Liste und werde mich dem bald mal annehmen – so lange bin ich skeptisch.

  4. #6 Michael
    12. Januar 2017

    Hallo Andrè,
    Ich beschäftige mich seit Jahren mit Mikroskopie und war gespannt etwas über die „jungen“ Methoden zu erfahren und fand den Vortrag enttäuschend.

    Die Vergrößerungsangaben des Lichtmikroskops erscheinen mir unpassend zu den Bildern der Zellen und 40x als max. Vergrößerung für Phaco ist Unfug!

    Die Vorstellung der neuen Techniken ist für den Laien teilweise zu abgehoben und wohl unverständlich – jedoch für den „Insider“ ohne Tiefgang:
    „SIM ist was mit Moiré und Fourier transformierten Blumen, STED ist richtig was mit Lasern und dSTORM ist massives An-fitten.“
    Eine Erklärung des jeweiligen Effekts (bzw. „Hacks“ im Slang des dortigen Publikums) fehlt mir.

    Hier im Text klemmt die Einteilung in „mathematisch, physikalisch und chemisch“ auch etwas – ohne den physikalischen Effekt der Strukturierten Beleuchtung nützt die Rechnerei nichts. Und die Chemie allein bringt es auch nicht.

    Michael

    • #7 André Lampe
      1. Februar 2017

      Herzlichen Dank für das konstruktive Feedback.

  5. #8 Oliver Keller
    Genf
    8. März 2017

    Ich möchte Michael’s Kommentar #6 etwas widersprechen. Für jemand wie mich, irgendwo zwischen noob und Experte in der Thematik, war der Vortrag genau richtig und bietet viele Anstösse zum Nachlesen. Meiner Erfahrung nach ist das Publikum im CCC Umfeld häufig durchaus mit etwas Vorwissen am Start. Danke für den tollen Talk und diesen ausführlichen Aufschrieb!
    Im Zusammenhang zu open science tools, heute gefunden:
    https://channels.plos.org/open-source-toolkit
    https://collections.plos.org/open-source-toolkit-hardware

    Gruß,
    Oliver
    p.s. Gibt es schon Basteln = Wissenschaft T-Shirts?

    • #9 André Lampe
      8. März 2017

      Hallo Oliver und danke für den Kommentar und das Lob. Mir ist es bisher noch nie in den Sinn gekommen überhaupt über soetwas wie T-Shirts nachzudenken… ich lasse mir das mal durch den Kopf gehen – gute Idee!

      LG, André

  6. #10 Josef
    29. Juni 2018

    Was man auch für den etwas interessierteren Laien ergänzen könnte:
    Bei der Überlagerung zweier Frequenzen (hier: Moir´e Effekt) tritt im Ergebenis sowohl die Summen- als die Differenzfrequenz der beiden überlagerten Frequenzen auf. (das ist immer so, vgl. z.B. auch Schwebung in der Akustik). So ist das auch bei der Überlagerung der bekannten Frequenz der Anregung (Linienmuster) mit der unbekannten Struktur der Probe (Mischung aus vielen Fequenzen). Am einfachsten zum Vorstellen ist es, wenn man annimmt, dass die Probe selbst ein sehr feines Linienmuster ist. Also zu fein um es ohne SIM aufzulösen.
    Die jeweiligen Summenfrequenzen (aus der Frequenz des Anregungsmusters und der jeweiligen Frequenz der Probe) schaffen es nicht durch den Tiefpass des Mikroskop-Objektivs (viel zu fein), die Differenzfrequenzen schon. => Diese müssen bei der Auswertung wieder im Frequenzraum an ihre Frequenz (die sie in der Probe noch hatten) zurückverschoben werden.
    Ich hoffe, einige Klarheiten hiermit beseitigt zu haben.. 😉 😀
    LG, Josef
    P.S.: man kann mit dem Moir´e Effekt auch noch ganz andere tolle Sachen machen 😀

    • #11 André Lampe
      29. Juni 2018

      Danke für die Ergänzung, Josef. Ich finde das einen guten Erklärungsansatz, und zwar ganz ohne “Herumgeschwurbel” mit Fourier-Transformationen ;-). Und danke für den Link zu dem tollen Video.

      Liebe Grüße, André