Heute ist ein guter Tag für radikale Impfgegner! Zumindest, wenn es um Gerichtsurteile geht. Prinzipiell darf ja jeder so falsch zu liegen wie er möchte, aber man kann es auch echt übertreiben.
Der Hintergrund kurz zusammengefasst:
Stefan Lanka ist ein deutscher Biologe, leidenschaftlicher Impfgegner und Autor von so grandiosen Büchern wie „Impfen und AIDS: Der Neue Holocaust“. Er ist überzeugt, dass der Masernvirus nicht existiert und hat im Jahr 2011 auf seiner Homepage sogar ein Preisgeld von 100.000€ für denjenigen ausgeschrieben, der die Existenz des Virus nachweisen und seinen Durchmesser bestimmen kann.
Der deutsche Mediziner David Bardens hat ihm daraufhin ein paar Studien geschickt, in denen die Existenz des Erregers zweifelsfrei belegt wird. Unter den über 19.000 Studien, die es zu dem Thema gibt, muss sich ja etwas Brauchbares finden lassen. Die Forschungsarbeiten, die Bardens an Lanka schickte, umfassten die Erstisolation des Virus, elektronenmikroskopische Aufnahmen inklusive Durchmesser und sein sequenziertes Genom bis hin zur letzten Base.
Davon ließ sich Lanka natürlich nicht überzeugen. Wer braucht schon 19.000 Studien, wenn man eine Meinung hat. Das Ganze ging vor Gericht, wo der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene in Rostock bestätigte, dass Bardens zweifelsohne den Beweis für die Existenz des Virus erbracht hatte. Dem Mediziner wurde das volle Preisgeld zugesagt, das er laut eigener Aussage an ein Masernimpfprogramm weiterleiten möchte. Ein Sieg für die Vernunft!
Lanka ging in Berufung und heute entschied der Senat überraschend zugunsten des Impfgegners.
Nicht etwa, weil die Richter Zweifel an der Existenz des Masernvirus hatten, sondern aufgrund einer Formalität. Lanka forderte auf seiner Homepage, dass eine Publikation vorgelegt werde, die Existenz und Durchmesser des Erregers darstellt. Der entscheidende Punkt ist die Formulierung „EINE Publikation“. Bardens hatte aber gleich einen ganzen Haufen davon geschickt, in denen er Durchmesser und Existenz über unterschiedliche Publikationen begründet. Dass der Nachweis des Viren-Durchmessers zwangsläufig auch seine Existenz voraussetzt, ist dabei scheinbar unbedeutend.
So etwas regt mich auf. Vergangenes Jahr durfte ich bei einem bewegenden Vortrag von Bardens zu dem Thema dabei sein, den man hier nachsehen kann. Der charismatische Mediziner wurde dabei von zwei Bodyguards begleitet, weil er aufgrund der vielen Morddrohungen durch Impfgegner mittlerweile unter Personenschutz steht.
Jährlich gibt es weltweit über 100.000 Maserntote. Die meisten davon in Entwicklungsländern, aber vereinzelt auch bei uns. Selbst wenn man die Erkrankung überlebt, bleibt das Immunsystem noch 2-3 Jahre nach der Infektion geschwächt. Eine Impfung kostet rund 20€, der Schutz nach der zweiten Impfung beträgt 98,9%. Die Masern sind eine Krankheit, die man durch ein konsequentes Impfprogramm ausrotten könnte. Faktenverweigerung kann Leben kosten.
Obwohl der Prozess durch seine Absurdität fast schon unterhaltsam ist, hat er also einen sehr ernsten Kern. Passenderweise findet morgen Mittwoch in Wien ein „Skeptics in the Pub“ zu genau diesem Thema statt!
Dr. Wolfgang Maurer über „Impfen – Lebensrettung oder Gefahr?“ – 17.02.2016, 19:30, Aera, Gonzagasse 11, 1010 Wien. Genauere Infos hier.
Wer mehr über Impfungen erfahren möchte, sich kollektiv über das Gerichtsurteil ausweinen- oder einfach nur ein Bierchen trinken möchte, ist herzlich willkommen!
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