Die Montagsakademie der Uni Graz ist ein ganz hervorragendes Konzept, das soll hier gleich vorausgeschickt werden. Seit sechs Jahren gibt es dort regelmäßig (immer an Montagen) öffentliche Vorträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Universitäten unter dem Motto “Bildung für alle durch allgemein verständliche Wissenschaft“.

Leider ist Ende Februar anscheinend einiges schief gegangen. Denn was der seit Jahren als “Ernährungsexperte” herumgereichte Herr Claus Holler da am 23.02. unter dem Titel “Gesundheit ist nicht teilbar – eine ganzheitliche Betrachtung der menschlichen Gesundheit” erzählte, das stand nach einem mir vorliegenden Erfahrungsbericht wohl eher unter dem Motto “Unbildung durch Pseudowissenschaft“. Bereits die Vorankündigung

Neue wissenschaftliche Messmethoden beweisen eindrucksvoll, dass die
Vitalität eines Lebensmittels sehr unterschiedlich sein kann.

musste jeden aufmerksamen Leser stutzig machen, ist doch bekanntlich die “Vitalität” eines Lebensmittels ein Konzept, das ausschließlich in Eso-Öko-Kreisen Verwendung findet.


Nun gut, diese Veranstaltung lief in Kooperation mit der “BIOVERSITÄT
2009
“, einer Veranstaltungreihe von BIO AUSTRIA, wobei es sich wiederum um das “Netzwerk der Biobäuerinnen und Biobauern Österreichs” handelt. BIO AUSTRIA ist also u.a. eine Lobbyorganisation, deren Ziel
es ist, zum Wohle ihrer Mitglieder die Gleichung BIO = BESSER unters
Volk zu bringen. Die Frage ob das wirklich so ist, überlassen wir hier
anderen zur Beantwortung und halten nur fest, dass Lobbying für Bioprodukte
an sich nichts Verwerfliches ist. Verwerflich ist es allerdings, wenn
man zur Verbreitung dieser Botschaft nicht vor junk science
zurückschreckt, und ein netteres Wort fällt mir zur Beschreibung der
Studien des BIO AUSTRIA “Ernährungsexperten” Claus Holler leider nicht
ein.

Blicken wir zurück auf den Vortrag, den Holler anno 2006 im
Radiokulturhaus des ORF Wien halten durfte. Dort findet sich bereits in
der Einleitung
der folgende bemerkenswerte Unsinn:

Es hat den Anschein, dass der in den differierenden
Schwingungen dieser unterschiedlichen Lebensmittelqualitäten verborgene
Informationsgehalt, der den Ordnungsgrad eines biologischen Systems
hebt oder verringert, bewusst oder unbewusst von den Tieren
wahrgenommen wird. Wie aus dem Physikunterricht bekannt ist, kann es
beim Aufeinandertreffen von Schwingungen zu Verstärkungs- oder
Auslösch-Phänomenen kommen. […] Entsprechend dem menschlichen
Frequenzspektrum von weniger als 1 Hertz bis über 1018 Hertz sind
Resonanzphänomene mit Lebensmitteln als sicher anzunehmen.

Da haben wir also unsere sattsam bekannten “Schwingungen“, die eine
Information” transportieren, und zwar über “Resonanzphänomene“. Wer bei
solchem Geschwurbel ein deja-lu Erlebnis hat, der erinnert sich vielleicht an
unsere kürzlich hier stattgefundene Dekonstruktion
der Holopathie
und ihres entsprechenden Voodoo-Gerätes namens
QuintStation. Oder an das pseudowissenschaftliche Gelaber des sich
selbst als “Energiemedizin” bezeichnenden magischen Zirkels, der bei
der GAMED
und beim Interuni-Kolleg so hoch im Kurs steht. Und wo
Bachblüten und innere Organe irgendwelche genau definierten
“Frequenzen” abstrahlen, dort können das freilich auch Lebensmittel
tun. Herr Ober, ein Steak bitte, medium und 20 MHz!

Wer sich jetzt fragt, wie das denn physikalisch funktionieren soll, der wird von Herrn Holler folgendermaßen belehrt:

Die Grundlage dafür bildet die Fähigkeit des Wassers (im
Körper, in Lebensmitteln, etc.) Frequenzen zu speichern, die von der
Struktur der Wassermoleküle und deren Eigenschaften bestimmt werden. So
wirken die H2O-Moleküle als Dipole und senden ein spezifisches elektromagnetisches Schwingungsfeld ab, da ihre Atome frei schwingen können. Durch die Winkelanordnung wird das Schwingungsverhalten der Moleküle vorbestimmt, was den Informationsgehalt prägt (Köhler). Zusammenschlüsse von unterschiedlichsten Anzahlen an H2O-Molekülen bilden Cluster-Strukturen, die eine spezifische Frequenzabstrahlung haben. Auf diese Weise ist Wasser in der Lage, Informationen, d. h. Schwingungen bestimmter Frequenz zu speichern und diese Codierung auch wieder freizusetzen.

Bei dem hier zitierten “Köhler” handlt es sich um jenen Bioresonanz-Arzt namens Dr. Bodo Köhler, der bereits 1994 völlig ungehemmt über “Quantenmedizin” dilettierte. Wir haben es also – wenig überraschend – mit dem bei
Energetikern und Homöopathen beliebten Märchen vom Wassergedächtnis zu tun. Motto: Wassertank statt DVD! Aber das ist eine längere Geschichte

Zurück zu den “neuen Messmethoden” des Herrn Holler, die da sind:

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Da begegnen wir also unserem oben erwähnten Voodoo-Gerät, der “QuintStation“, die mit ihrem Schnäppchenpreis von € 31.200,- in keinem Haushalt fehlen sollte. Dann lernen wir die GDV kennen, eine computerisierte Variante der altbackenen und längst als Humbug bekannten Kirlianfotografie, und schließlich die Herzratenvariabilität (HRV). Bei letzterer handelt es sich zwar nicht grundsätzlich um ein Voodoo-Verfahren; dennoch erfreut sie sich besonders dort großer Beliebtheit, wo man auf valide und reliable Testverfahren wenig bis keinen Wert legt. Da man bis auf wenige Ausnahmen im Grunde nicht weiß, was die vielen aus der HRV abgeleiteten Parameter eigentlich über den Zustand des Menschen aussagen, eignen sich diese hervorragend, um nach der Messung im Datenhaufen signifikante Unterschiede hervorzukramen, auf die man dann triumphierend verweisen kann und die sich beinahe beliebig im Sinne des gewünschten Ergebnisses interpretieren lassen.

So darf es also auch nicht verwundern, wenn Claus Holler seinerzeit, als er noch beim Wiener Krankenanstaltenverbund tätig war, mit einer Reihe von Studien auf sich aufmerksam machte, die das Herz jedes Schamanen höher schlagen lassen.

Etwa mit jener Studie, in der er angeblich nachweisen konnte, dass der Einfluss des NARASAN-“energetisierten” Wassers auf den Menschen glatt besser ist als der von heiligem Mariazeller Wasser. Oder mit jener Studie, in der er messerscharf zeigte, dass irgendwas beim Menschen nach einer Sitzung “Pranic Healing” anders ist als vorher. Und dann half er auch fleißig dabei mit, nachzuweisen dass eine an der Decke hängende überdimensionale Alu-Schuhsohle dem Menschen gut tut, indem sie vor Erdstrahlen schützt. (Dieses als Gewowave bekannte Ärgernis überschwemmt in Folge seit Jahren die hiesigen Krankenhäuser – dazu bei Gelegenheit einmal mehr.) Der “Nachweis”, dass das Ding auch hervorragend mit Wunderwasser “informiert” werden kann, folgt gleich auf den Fuß.

Schließlich darf es auch nicht verwundern, dass Holler zur Freude des Herstellers verkündete, dass das “Kräutersalz Böhm” und das “Natursalz Böhm” doppelblind nachweisbar ganz tolle Salze seien. Nicht dass Sie jetzt denken, die armen Probanden mussten löffelweise Salz schlucken. Das Zeug kann laut Herrn Holler – eh klar – Informationen speichern und sendet seine magischen Schwingungen auch in den Körper, wenn man nur das mit Salz gefülltes Glas in der Hand hält. (Wahrscheinlich auch, wenn man nur ganz fest daran denkt.)

Die Grundlage dafür bildet die Fähigkeit des Salzes, Frequenzen zu speichern, die von der Struktur der Salzmoleküle und deren Eigenschaften bestimmt werden. So wirken die NaCl Moleküle als Dipole und senden ein spezifisches elektromagnetisches Schwingungsfeld ab, da ihre Atome frei schwingen können. Durch die Winkelanordnung wird das Schwingungsverhalten der Moleküle vorbestimmt, was den Informationsgehalt prägt.

Kommen Ihnen diese Sätze bekannt vor? Richtig, wir haben sie weiter oben schon gesehen, nur wurden in dieser neuen Version die Begriffe “Wasser” und “H2O” durch “Salz” und “NaCl” ersetzt. Copy-paste sei Dank!

Die österreichische Jugend ist allerdings nicht so einfach an der Nase herumzuführen, wie sich das manche vielleicht wünschen mögen. Dementsprechend lasen sich die Feedback-Kommentare nach einem Vortrag, den Claus Holler letztes Jahr vor einem einigermaßen perplexen Publikum der Pädagogischen Hochschule Hollabrunn halten durfte:

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Wer solche Meriten vorweisen kann, der mag sich bei einem Biobauernverband vielleicht als Vorzeigeforscher qualifizieren, wenngleich die heimische Bioszene sich das meines Erachtens wirklich nicht verdient hat. Eine Montagsakademie, die den Menschen echte Wissenschaft nahe bringen will, sollte um diesen Typ von Vortragenden in Zukunft einen großen Bogen machen.

Kommentare (22)

  1. #1 Pianoman
    20. März 2009

    “Die Medizin der Zukunft wird sich zunehmend mit solchen Aspekten wie Energie und Schwingungen beschäftigen.”

    So ungefähr schwallte es gestern aus einer Medizinerin (!) in der MDR-Sendung “Hauptsache Gesund” zum Thema Bach-Blüten.

    Geschwurbel reloaded. Freitag 20. März , 13.15 Uhr, MDR (Leipzsch goes Theomedizin)

  2. #2 Akira
    20. März 2009

    Sie Alle, soviel mühe Sie sich geben, erreichen hier doch nur “Gleichgesinnte”. Was nicht falsch ist. Ich habe hier eine Menge gelernt, obwohl ich vieles wieder vergesse.
    In den Kommentaren wird es deutlich, das Ihr eure Munition gezielt vershießt, aber irgendwie sinnlos verpulvert.

    Kurze Schreibe, alles Unsinn, aber bitte weitertun.

  3. #3 Wolfgang
    20. März 2009

    irgendwie muss es da steirische Schwingungen um Graz herum geben- bis nach Seggau.
    Da gibts Verdünnungs-Froschforscher, ein Dr Loibner (Ligist) bezeichnet es als Hypothese, dass Zecken FSME übertragen, eine Frau Dr Wohlgemut (Stainz) ist der Meinung, dass Viren, Bakterien und Pilze sich nach Bedarf ineinander umwandeln. Warum wandeln sich mit den steirischen Energiefeldern eigentlich Zecken nicht in Honigbienen um- zumindest bei Bedarf? Ein Dr Bielau behauptet Pollen, Blüten etc würden keine Allergien verursachen, alle Impfungen wären Vergiftungen.Schlißlich kann man den ATOX-Biocomputer in Graz auf der Messe kaufen nur 199 € (bereits mehr als 10.000 Stück verkauft).
    Also da gibt es schon ganz eigenartige Schwingungen in der St Eiermark

  4. #4 M. Hahn
    20. März 2009

    Hierzu passt, dass eine derzeit viel herumgereichte Studie der Professoren Hacker und Pauser zur vermeintlichen Schadwirkung von Mobilfunksendern auch nicht ohne den modernen Kirlianzauber GDV auskommt.
    https://www.salzburg.gv.at/abschlussbericht_gsm_endversion.pdf

    Zitat:
    „Die GDV-Technik ist ausführlich in der Literatur beschrieben [120-128] und wurde in den letzten Jahren so weit verfeinert, dass sie nun wissenschaftlich anerkannt und verlässlich dazu verwendet werden kann, um bestimmte Arten von Stressreaktionen des menschlichen Körpers mit höchster Sensitivität unmittelbar anzuzeigen.“

    [120-128] ? – Ein Blick hinter die Kulissen:

    -Viermal: J Altern Complement Med

    – Forsch Komplementarmed Klass Naturheilkd: Biomedical evidence of influence of geopathic zones on the human body: scientifically traceable effects and ways of harmonization (Autoren: Hacker, Pauser et al.)

    – Backbone Publishing Company St. Petersburg, 2002: “Human energy field study with GDV bioelectrography.”: Lesen Sie in diesem Buch auch das Kiptel: “Quantum-Health” system of health analysis.. Lesen Sie aus diesem Verlag auch die Bücher: Light After Life: a scientific journey into the spiritual world und Measuring Energy Field: State of the Science

    http://www.kirlian.org

    – Schließlich noch zwei nur auf russisch publizierte Artikel von Herrn Korotkov, der ohnehin bei sechs der neun Literaturstellen Autor ist. Einer der Artikel trägt auf englisch den schönen Titel: “Comprehensive bioelectrical analysis of mechanisms of the alternative state of consciousness.”

    So etwas nennt man wohl „Bestätigung im Binnenkontext“.

    Wer gibt Geld dazu? Das Land Salzburg.

    Wer berät die Autoren: Dr. Oberfeld.
    https://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2008/11/dr-oberfeld.php

    Man nehme einen alten Unfug (Kirlianfotografie), setze eine bunte Software für computergestützte „Auswertung“ obendrauf

    „GDV Capture“ (Version 1.9.9.),
    „GDV Diagram“ (1.9.9.),
    „GDV Meridian Analysis“ (1.9.9.),
    „GDV Scientific Laboratory“ (SciLab; Version 1.1.5.)

    und lese neu und auf modernste im Kaffeesatz –
    Entschuldigung: … und werte das Rauschen statistisch aus.

  5. #5 Sabine
    20. März 2009

    Diese Verbindung von Esoterik und Biolandwirtschaft hat mich vor einigen Jahren dazu gebracht, meine Mitgliedschaft beim Freiland Verband aufzulösen. Anlaß war ein Bericht in der Mitgliederzeitschrift zum Thema Wassergedächtnis und Homöopathie.

  6. #6 Jörg
    20. März 2009

    Wie gut, dass die Physik in der Lage ist, mit ihren großen Mikroskopen, Teilchenbeschleuniger genannt, auf Skalen zu sehen die so viel kleiner sind als alles was diese Schwinger sich vorstellen können – und dass die Ebene auf der die angeblich etwas sehen durchaus im Studium in Spektroskopie-Versuchen im Praktikum vorkommt, in allen Farben und Formen.
    Wo die doch Quantenphysik so mögen, ist denen aufgefallen, dass der QED-Nobelpreis an Feynman, Tomonaga und Julian Schwinger (!) ging? Das kann ja kein Zufall sein!

  7. #7 Jörg
    20. März 2009

    Wie gut, dass die Physik in der Lage ist, mit ihren großen Mikroskopen, Teilchenbeschleuniger genannt, auf Skalen zu sehen die so viel kleiner sind als alles was diese Schwinger sich vorstellen können – und dass die Ebene auf der die angeblich etwas sehen durchaus im Studium in Spektroskopie-Versuchen im Praktikum vorkommt, in allen Farben und Formen.
    Wo die doch Quantenphysik so mögen, ist denen aufgefallen, dass der QED-Nobelpreis an Feynman, Tomonaga und Julian Schwinger (!) ging? Das kann ja kein Zufall sein!

  8. #8 Jörg
    20. März 2009

    Wie gut, dass die Physik in der Lage ist, mit ihren großen Mikroskopen, Teilchenbeschleuniger genannt, auf Skalen zu sehen die so viel kleiner sind als alles was diese Schwinger sich vorstellen können – und dass die Ebene auf der die angeblich etwas sehen durchaus im Studium in Spektroskopie-Versuchen im Praktikum vorkommt, in allen Farben und Formen.
    Wo die doch Quantenphysik so mögen, ist denen aufgefallen, dass der QED-Nobelpreis an Feynman, Tomonaga und Julian Schwinger (!) ging? Das kann ja kein Zufall sein!

  9. #9 Ernst
    21. März 2009

    Nomen est omen. Holler erzählt eben solchen.
    Ich glaube der Vortrag war nicht ernst gemeint sondern ein Test wieviele angehende Akademiker sich durch Schlagworte wie “Schwingungen, Wassergedächtnis, Speichern von Frequenzen, Resonanzen von Lebensmitteln” von vernünftigem Denken abhalten lassen. Ich habe über die Auszüge aus dem Vortrag herzlich gelacht.

  10. #10 Roland
    21. März 2009

    Ich finde es sehr schade, dass “BIO” so von pseudowissenschafftlichen, esoterischen Unsinn indoktriniert wird. Es gibt ja zahlreiche gute Argumente, warum man BIO anbauen und konsumieren soll – genügend Stoff also für seriöse Marketingmassnahmen. Die angeführte Statistik im Dokument von BIO-Austria ist ja wirklich seltsam: 36,4 +/- 46,2. Was soll man bei so einer Messung (vor allem wenn man sich ansieht wie klein die Stichprobe war) noch sagen…

  11. #11 Dr. E. Berndt
    22. März 2009

    @Roland
    Mit dem Wort oder Begriff “Bio” ginge ich nur sehr vorsichtig um. Ich möchte gar nicht versuchen zu definieren, was darunter eigentlich zu verstehen wäre. Zu ausufernd und ungenau sind mit Sicherheit die vielen Eigenschaften und vor allem die angedichteten Eigenschaften, die mit diesem Wort, und vor allem wenn es als Vorsilbe fungiert, vermittelt werden sollen.
    Aber darum geht es nicht, wenn der Verwendungszweck betrachtet wird. Es wird in der inflationären Verwendung wird eindeutig sichtbar was “Bio” ist. Es ist nichts. Es ist ein inhaltsleeres Verkaufsschlagwort, mit dem alles den Zeitgeist nach “Gute” assoziiert werden kann. Alles Böse ist unbiologisch, chemisch, technisch etc..
    Wenn in ein Drogerie- oder Apothekenprogramm “%bio” getippt wird, kommen auf Zack tausende Artikel der allerskurrilsten Art, die diesen Begriff in ihren Namen eingebaut haben, um den Kunden etwas besonders Gute vorzutäuschen. Der Werbewert ist so mächtig, dass es den Firmen noch nicht aufgefallen ist, dass die Artikel mit “bio” im Namen gar nicht mehr zu finden sind, denn es sind ihrer zu viele und die Kunden haben sich aus dem Produktnamen nur “Bio” gemerkt und eventuell noch ein weiteres Bruchstück der Bezeichnung. Und dazu kommt noch, dass die Mehrzahl gar nicht angeben kann, wofür oder wogegen ein bestimmter Artikel überhaupt gekauft werden soll. Bio in einem Werbetraktatchen gelesen, und schon ist die Vorstellung, das brauche ich und ohne dem kann ich gar nicht weiterleben, gegeben.

  12. #12 Roland
    22. März 2009

    @Dr. E. Berndt: da stimme ich voll zu – das Wort BIO wird sehr vieldeutig verwendet. Das scheint mir in gewisser Weise unvermeidlich, denn schon Sprache an sich ist ja mehrdeutig – jede Wort wird immer im Bezug zur eigenen subjektiven Erfahrungswelt gedeutet.

    Was man in Österreich unter BIO-Lebensmittel versteht, ist durch die Einführung der BIO-Kennzeichnung definiert (siehe https://www.bioinfo.at). Für die EU ist das sogar in einer Richtlinie definiert/geregelt: EU-Verordnung 2092/91. ABER: Vermutlich hat nur ein sehr geringer Prozentsatz der Konsumenten diese Definition gelesen. Dass darüber hinaus Konsumenten eigene Bedeutungen mit dem Wort BIO assoziieren, hat wohl mit den (nicht immer rationalen) Vorstellungen der Konsumenten zu tun, aber auch mit der suggestiven Kraft von diversen Marketing-Maßnahmen.

    Das selbe passiert ja mit auch mit anderen Wörtern. “Wissenschaft” zum Beispiel – was da nicht alles mit dem Wort “wissenschaftlich” begründet und beworben wird – da wird einem schlecht. Mit Wissenschaft hat das freilich nicht viel zu tun, aber es wird hier eine BEDEUTUNG des Wortes missbraucht – nämlich dass man sich der Wirkung “sicher” sein kann (glauben viele zumindest). Das wiederum ist natürlich für Marketing-Maßnahmen recht hilfreich – speziell wenn man an sich unwirksame aber teure Schlankheitspillen verkaufen will. Was tun? Die Verwendung des Wortes “BIO” oder “Wissenschaft” teilweise verbieten?

    BIO-Lebensmittel haben immerhin eine eigene Kennzeichnung (BIO-Siegel). Aber was ist mit Wissenschaftlich? Vielleicht sollte es auch ein EU weites Wissenschafts-Siegel geben. z.b. “Zur Überprüfung der Wirksamkeit dieses Medikaments wurden wissenschaftliche Methoden angewendet, die einem definierten Mindest-Standard X entsprechen.” So wäre es für Konsumenten besser möglich zwischen pseudowissenschaftlichen Wirkungs-Behauptungen und gut nachgewiesenen Wirkungs-Zusammenhängen zu unterscheiden. Was haltet ihr davon?

  13. #13 Constantin
    22. März 2009

    @Roland

    Soetwas wäre nicht schlecht, aber wird sich nicht umsetzen lassen. Am Besten wäre sowieso keine Homöpathie mehr in Apotheken, kein Ehrenkreuz für Grander, keine Geowave in Krankenhäusern. Leider glauben viele Politiker diesen Mist oder zumindest ihre Wähler.

  14. #14 roland
    22. März 2009

    Auf der Homepage von BioAustria findet man interessantes… “Homöopathische Begleitung bei Impfung gegen Blauzungenkrankheit” (Link). Dr. Gerhard Gumhalter – Homöopathischer Beratungstierarzt aus dem Burgenland – gibt (mehr oder weniger) nützliche Tips.

  15. #15 Ronny
    23. März 2009

    Hollerzitat: So wirken die H2O-Moleküle als Dipole und senden ein spezifisches elektromagnetisches Schwingungsfeld ab, da ihre Atome frei schwingen können.

    HIlfe ! Wasser sendet elektromagnetische Wellen ! Durch den Energieentzug müsste es sich doch auf 0 Grad Kelvin abkühlen. Wieso gibt es immer noch flüssiges Wasser ?
    Wie kann man hochtrabend schwurbeln wenn man nicht mal die einfachsten physikalischen Prozesse verstanden hat ? Bei solchen Vorträgen sind Zwischenfragen sicher verboten, oder ?

    Aber es ist immer gut zu wissen was hinter manchen BIO Marken wirklich steht 🙂

  16. #16 Sabine
    23. März 2009

    Geht es nur mir so, daß mein Blutdruck enorm steigt, wenn ich mir den Mist auf der BioAustria Seite so durchlese. “Impfungen sind ein Eingriff in die Gesundheit unserer Tiere”, etc. Das alleine bewegt mich ja dazu, in Zukunft um alle Produkte mit dem BioAustria Siegel einen Bogen zu machen. Heißt das dann, daß kranke Tiere nicht behandelt werden? Das ist dann Bio? Aaaahhhhh!

  17. #17 firehawk
    23. März 2009

    Bei BioAustria gibts generell viel Homöopathie – einfach einmal unter Tiergesundheit nachschauen.

    Ist dieses Biofleisch beim Konsumenten dann eigentlich homöopathisch wirksam (in Analogie zum Antibiotikafleisch)? *gg*

  18. #18 Ronny
    23. März 2009

    Zitat Firehawk: Ist dieses Biofleisch beim Konsumenten dann eigentlich homöopathisch wirksam (in Analogie zum Antibiotikafleisch)?

    Theoretisch ja, müsste aber aufgrund der höheren Verteilung im Fleisch und damit einer höheren Potenzierung noch viel stärker wirken als vorher !!!
    Ergo, Fleisch mit dem BioAustria Siegel kommt (manchmal) von kranken Tieren die auch noch hochgradig homöopatisch aktiv sind. Aua ! Da esse ich doch lieber unbiologisch 🙂

  19. #19 Laury
    13. September 2009

    Zunächst einmal vielen Dank für diesen Artikel, Herr Berger.
    Ich habe den Vortrag des Herren Holler, auf den sich ihr Artikel bezieht weder gehört noch gelesen, jedoch lassen sich auf Grund der Auszüge, die Sie daraus entnommen haben Schlüsse ziehen, in welchen Hemisphären sich die Inhalte und die Retorik dieses Vortrages bewegt haben.
    Da ich den vollständigen Inhalt des Vortrages nicht kenne, liegen mir natürlich nicht genügend Informationen zu einer Stellungnahme vor.
    Jedoch möchte ich folgendes anmerken:
    Bekanntlich hat jeder Mensch seine ganz individuelle Wahrnehmung, aus der heraus er wiederum sein individuelles Abbild der ihn umgebenden Umwelt und seinerselbst entwickelt. Dieses Abbild der Wirklichkeit kann auf Grund der eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen nur eine totale Verzerrung einer zu vermutendenden “wirklichen Wirklichkeit” darstellen. Dieses verzerrte Abbild sieht der Mensch jedoch zu seinem eigenen Leidwesen meist als die Wirklichkeit selbst, als die Wahrheit, die einzige Wahrheit an.
    Mit der felsenfesten Überzeugung, die Realität zu kennen verteidigt er diese für gewöhnlich vehement. Die Folge sind Konflikte mannigfaltiger Ausprägung und Grössenordnung.
    Deshalb möchte ich an dieser Stelle folgenden Wunsch und folgende Meinung äussern und zur Diskussion stellen:
    So wichtig es ist, ungehemmte Scharlatanerie und am finanziellen Profit orientierte Lobbyarbeit als solche zu erkennen, so wichtig ist es auch, selbst dem wissenschaftlichen Ethos verpflichtet zu bleiben.
    Das heisst, sich von den Weltbildern der anderen, von den Gedanken und Ideen der anderen anregen zu lassen, diesen Gedanken und Ideen mit Respekt zu begegnen und sich nicht zu einem vorschnellen “wissenschaftlichen Urteil” über diese Gedanken und Ideen hinreissen zu lassen.
    Einen sprachgewaltigen Kampf zu führen, um Abbilder der Wirklichkeit zu verteidigen wird die Menschen in der Evolution nicht voran bringen.
    Aber Forschung und Prüfung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, ebenso die Erweiterung und Weiterentwicklung dieser Mittel, angeregt von der wertneutralen Begegnung mit Gedanken und Ideen (woher und von wem sie auch immer kommen und so enthoben sie auch immer sein mögen), im Austausch mit Wissenschaftlern, die sich genauso dem Ethos der Wissenschaft und nicht etwa einer Lobby oder der bestmöglichen Darstellung ihres Egos verschrieben haben, sind ein guter Boden für eine weitreichende und umfassende Entwicklung.
    Sogenanntes “vernünftiges Denken” hat die Welt der Menschen bisher selten aus den Angeln gehoben, wohl aber bedachtes, als auch inspiriertes, mutiges sowie ungewöhnliches Handeln.
    Wissenschaftliches Denken beinhaltet auch, die eigene Unwissenheit in Betracht zu ziehen. So sollte der wissenschaftlich orientierte Mensch von einer Vorschnellen Verurteilung absehen und sich statt dessen an die Arbeit machen: Denken, forschen, prüfen, inspirieren lassen und wieder von vorn und immer wieder im Kreis.

    Mit aller Wertschätzung
    Laurens Kehl

  20. #20 Rose
    13. September 2009

    @ Laurens Kehl:

    Könnten Sie mir den Unterschied zwischen “vernünftigem” und “bedachtem” Handeln erklären?

  21. #21 Ronny
    15. September 2009

    @Rose
    Ich würde “bedachtes Handeln” im Sinn von Hrn. Kehl so interpretieren:
    Selbst wenn mir jemand den größten physikalischen Schwachsinn aller Zeiten erzählt, muss ich ihn ernst nehmen und mich damit auseinandersetzten. Im Gegenzug braucht der andere keinerlei Rücksicht auf die Physik oder mein Wissen zu nehmen.

    “Vernünftiges Handeln” wäre dann, dass ich nach dem dritten Versuch mir eine physikalische Unmöglichkeit unterzujubeln einfach mal sage:
    Sorry, hatten wir schon, tschüss.

  22. #22 Marius
    9. Mai 2010

    Weil’s in Klagenfurt wiedermal ein Feng-Shui-Krankenhaus gibt ( https://derstandard.at/1271376301760/Neues-Klinikum-Klagenfurt-Feng-Shui-und-Zweibettzimmer ) – im obigen Artikel deuten Sie an bei Gelegenheit etwas über die lustige “Geowave” schreiben zu wollen. Das wär mal interessant.