Das “Ziegenproblem” fand ich schon faszinierend, als ich vor etwa 20 Jahren erstmals darauf gestoßen war. Aber nicht, weil ich die richtige Lösung für so “unintuitiv” hielt, wie stets behauptet wird, sondern weil ich die richtige Lösung für völlig intuitiv hielt und es mir unerklärlich war, dass das die Mehrheit anders sieht. Da hatte ich wohl einfach Glück, denn das Ziegenproblem ist ja auch deshalb so verblüffend, weil offenbar auch professionelle Mathematiker damit ihre liebe Not haben. Inzwischen hat das Ziegenproblem mitsamt seiner Lösung aber einen solchen Bekanntheitgrad erreicht, dass es mich gewaltig langweilt, wenn es zum 100sten Mal irgendwo heiß diskutiert wird. Gero von Randow hat schon vor vielen Jahren ein Buch darüber geschrieben und allein auf den Scienceblogs gibt es eine kurze Geschichte des Problems, psychologische Überlegungen dazu, eine Computersimulation, ein Experiment und eine neue Variante.
Wer sich nicht mehr so recht erinnern kann – hier die Kurzversion:
In einer Spielshow sitzt ein Kandidat vor drei geschlossenen Türen. Hinter einer versteckt sich der Hauptgewinn, ein Auto. Hinter den beiden anderen Türen findet sich dagegen nur je eine Ziege. Der Kandidat darf eine der drei Türen auswählen. Der Moderator öffnet daraufhin eine der beiden anderen Türen, hinter der sich eine Ziege versteckt. (Er tut das immer, und der Kandidat weiß das.) Der Kandidat bekommt dann noch eine Chance, sich neu zu entscheiden. Erhöht sich seine Gewinnchance, wenn er zu der verbliebenen geschlossenen Türe wechselt, sinkt sie, oder ändert sie sich nicht?
Die für die meisten Menschen intuitive Antwort ist: Sie ändert sich nicht. Nach dem Öffnen der Ziegentür gibt es noch zwei geschlossene Türen, eine mit Ziege und eine mit Auto. Die Gewinnwahrscheinlichkeit ist jeweils 1/2. Die Strategien “Bleiben” und “Wechseln” führen also beide gleich oft zum Erfolg.
Die offenbar unintuitive, aber richtige Lösung lautet dagegen: Wechseln verdoppelt die Gewinnchance. Die ist bei “Bleiben” nämlich 1/3 – die Wahrscheinlichkeit, dass man von Anfang an richtig lag. Bei “Wechseln” muss sie daher 2/3 betragen.
So weit, so bekannt. Nun stieß ich aber kürzlich auf eine Diskussion, in der ein Physiker – nennen wir ihn Odo – behauptete, in der bekannten Quizshow Wer wird Millionär – bzw. in der österreichischen Variante Die Millionenshow – verstecke sich ein Ziegenproblem. Zur Erinnerung: Der Kandidat bekommt eine Frage gestellt und muss eine von vier möglichen Antworten auswählen. Wenn er nicht weiter weiß, kann er einen sogenannten “Joker” benutzen, u.a. den “50:50 Joker”. Dabei streicht ein Computer zufällig zwei falsche Antworten und lässt die richtige sowie eine falsche stehen. Odo erklärte nun sinngemäß folgendes:
Angenommen, ich habe nicht die geringste Ahnung, welche der vier Antworten A, B, C, D richtig ist. Ich tippe aufs Geratewohl auf A. Da fällt mir ein, dass ich ja noch den 50:50 Joker habe. Ich setze also diesen Joker ein und tatsächlich bleibt meine anfängliche Wahl A stehen, und auch C. Was sollte ich jetzt tun? Bleiben oder Wechseln? Die meisten Leute glauben, es wäre egal, weil die Chancen jetzt 50:50 stehen. Aber in Wirklichkeit haben wir in dieser Situation eine Variante des Ziegenproblems. Die richtige Antwort lautet: Meine erste Wahl war mit Wahrscheinlichkeit 1/4 richtig, also müssen die restlichen 3/4 jetzt auf C entfallen. Durch Wechseln verdreifache ich meine Gewinnchance.
Natürlich erntete Odo auf diese Behauptung sofort energischen Widerspruch und es entspann sich eine längere Diskussion. Ich verrate natürlich nicht, wie diese ausgegangen ist, sondern reiche die Frage an mein Rätselpublikum weiter: Hat Odo mit seiner Behauptung recht oder nicht?
(Googlen ist wie immer verboten. Ehrensache!)
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