Kreationismus wird auch in Deutschland an Schulen gelehrt, musste ich letztens feststellen.
Natürlich nicht offiziell, das kommt alles durch die Hintertür. “Zwei Seiten der Geschichte zeigen, die Kinder eigene Meinung bilden lassen blablubb”
*Ironie*Ach ja, Geschichten und Mythen sind gleichwertig mit getestetem und erfolgreich angewendetem Wissen? “Zwei Seiten der Geschichte lehren” heißt, etwas nur vorzustellen, weil man es muss, und gleichzeitig durchblicken zu lassen, welche Geschichte man eigentlich favorisiert? So sollen sich also “die Kinder eine eigene Meinung bilden”? Völlig unbeleckt von Argumenten und Faktenlage, rein aufgrund der sturen dogmatischen Auslegung eines Buches, in der schon mal die Sonne von einem Mann angehalten wurde? *Ironie aus*
Wen meinen die damit verarschen zu können.
Das scheint die Einstellung zumindest an einigen evangelikalen Schulen in NRW wie der Georg Müller-Schüle zu sein. Dort finden Biologie- oder Geologielehrer nichts dabei neben der “anerkannten wissenschaftlichen Lehre” auch zu zeigen, dass man angeblich “dieselben Belege auch anders deuten kann” wie ein Lehrer in dem Beitrag WDR-Tag7 vom letzten Sonntag “Mit der Bibel zum Abitur” unumwunden zugab. (1) Eben im Sinne der Kreationisten.
Demnächst soll eine Baptisten-Schule unweit von meinem Wohnort in Hennef-Stoßdorf aufgemacht werden, wogegen Hennefer Schulleiter und eine grüne Abgeordnete protestieren, weil sie – wie ich meine zu Recht – eine Parallelgesellschaft fürchten. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung in NRW dagegen sieht solche Schulen anscheinend als Bereicherung. Komisch bei fundamentalistischen Koranschulen scheint das Unbehagen über die “Bereicherung” zu überwiegen. Zu Recht: Denn religiöser Fundamentalismus ist immer demokratiefeindlich. Egal, von welcher Seite er ausgeht. Das unkritische Unterwerfen unter Bibelzitaten und die daraus folgende Ablehnung wissenschaftlicher Ergebnisse ist autoritär und anti-aufklärerisch und muss in einer demokratischen Gesellschaft, die Wert auf ihr Überleben legt, auf’s schärfste zurückgewiesen werden. Wollen wir wirklich Kinder, die unkritisch alles glauben “weil es eben so in der Bibel steht”? Wohl eher nicht.
Wie viele Lehrer werden diesen Kreationismuslehrgang am 6.6.09 besuchen? Und auf Kinder losgelassen.
In der Beschreibung dieses Lehrgangs Leergangs heißt es:
In den Medien und im persönlichen Umfeld wird gern das Schlagwort “Kreationismus” verwendet, wenn es darum geht, dass jemand an die historische Echtheit des biblischen Schöpfungsberichts glaubt.
Allerdings wird leider damit verbunden, dass es sich um ewig-gestrige Spinner handelt, die moderner Wissenschaft feindlich gegenüber stehen. Teils wird sogar eine fundamentalistische Gefährdung vermutet.
Ach ne, echt? Woran könnte das wohl liegen?*Augen roll*
Ich verstehe sowieso nicht, was diese komische Einstellung der Kreationisten soll. Wenn die sowieso gegen die Wissenschaft sind, dann sollen sie es doch gleich bleiben lassen. Stattdessen versuchen sie krampfhaft die Wissenschaft so auszuschlachten, zurechtzubiegen und teilweise sogar zurechtzulügen, damit die verschmähte Wissenschaft ihre dogmatische Weltsicht legitimiert. Aber diese schizophrene Einstellung passt zur wortwörtlichen Auslegung eines Buch, das sich sogar selbst widerspricht.
Jedem, der noch einen Funken Verstand intus hat, sollte ins Auge springen, dass es in der Bibel zwei Schöpfungsberichte gibt, die sich gegenseitig widersprechen. Man muss sich schon arger theologischer Kunstkniffe bedienen, um das wegzudiskutieren.
Am meisten entsetzt hat mich im WDR-Bericht die Aussage einer 18jährigen Schülerin, sie würde für das Alter der Erde einen “realistischeren” Wert favorisieren als 4,5 Milliarden Jahre: “So 6000 Jahre oder so.” Ist das nicht erschütternd? Diese 18jährige bedient sich letztendlich einer Form des Doppeldenk. Sie weiß genau, was “offiziell” richtig ist und was von ihr in den Prüfungen verlangt wird, aber insgeheim glaubt sie was ganz anderes. Ganz abgesehen davon ist es eine Schande, dass ein so junger Mensch diese engstirnige “Was ich mir nicht vorstellen kann, kann nicht sein”-Einstellung eingebleut bekommen hat. Wird diese junge Frau jemals dieses ungläubige Staunen erleben, dass das Universum weitaus wunderbarer, interessanter und erstaunlicher ist, als wir es uns vorstellen können?
Die Kreationisten haben sich eine Zombie-Wissenschaft aus Versatzstücken der echten Wissenschaft gebaut, die Gehirne frisst. Das Gehirn dieser Schülerin ist diesem Monster bereits zum Opfer gefallen.
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(1) Ich fand den WDR-Beitrag übrigens ganz gut. Mich störte nur eins. Die betonten, dass die deutschen Kreationisten selbst “gesicherte Erkenntnisse” wie die Kohleentstehung über Jahrmillionen anzweifeln. Was irgendwie impliziert, dass die Evolution demgegenüber nicht so gut gesichert wäre. Was ich persönlich für ganz großen Quatsch halte. Die Evolution findet bis zum heutigen Tag statt. Das bezeugen beeindruckende Experimente wie das LTEE (Long term evolution experiment an E. Coli) oder aber Geschichten wie von den Eidechsen auf einer kroatischen Insel, die nur innerhalb von Dekaden erstaunliche Anpassungen an ihre neue Umgebung auswiesen.
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