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Wie die World Nuclear News am 13. Januar 2017 melden, hat das Unternehmen NuScale als erster unter einer Reihe von Entwicklern einen Entwurf für einen Small Modular Reactor(SMR) bei der amerikanischen Aufsichtsbehörde NRC[1] zur Entwurfsprüfung eingereicht. Damit ist, so die Beteiligten, ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Entwicklung eines fortschrittlichen, sicheren und preiswerten Kernkraftwerks getan.
Was sind Small Modular Reactors?
Small Modular Reactor kann man mit Kleiner, modular aufgebauter Reaktor übersetzen oder noch besser mit Kleines Reaktormodul, denn das Besondere ist eigentlich nicht die kleine Größe im Vergleich zu den üblichen Leistungsreaktoren, sondern die Art der Herstellung. Der Bau eines Kernkraftwerks verläuft, was die Bauphasen angeht, sehr ähnlich zum Bau einer Chemieanlage: Zuerst wird der Untergrund vorbereitet, dann die Gebäude für den Reaktor, die Leitwarte und Hilfsanlagen, Sozialräume und Verwaltung, sowie den Turbosatz, Maschinentransformator und die Schaltanlage gebaut. Wenn Reaktorgebäude und Turbinenhalle einen bestimmten Baufortschritt erreicht haben, beginnt die Apparate- und Rohrleitungsmontage und läuft ab dann einigermaßen parallel. Unglücklicherweise gibt es Equipment, das zu groß ist, als dass man es erst nach Fertigstellung der Gebäude einbauen könnte, z.B. den Reaktordruckbehälter selbst. Wenn die Apparate- und Rohrleitungsmontage wiederum einen gewissen Fortschritt erreicht hat, beginnt die Elektro- und Prozessleittechnik-Montage. Kernkraftwerke unterliegen natürlich deutlich größeren formalen Anforderungen, als die meisten Chemieanlagen, aber die Bauphasen an sich sind sehr ähnlich.
Beim SMR-Konzept läuft alles etwas anders. Der Bau beginnt zwar immer noch mit der Vorbereitung des Untergrundes und dem Bau der Gebäude, aber der Reaktor an sich wird nicht auf der Baustelle zusammengesetzt, sondern kommt en bloc, z.B. als Schwertransport über die Straße. Nach Einbau ins Gebäude muss er nur noch Rohrleitungs- und elektrotechnisch angebunden werden. Dieses Konzept ist in der Industrie gang und gäbe – solche Anlagenteile, die fix und fertig geliefert werden, nennt man Package Units. Typische Beispiele sind Klima- und Kälteanlagen oder andere Hilfsmaschinen. Einen Kernreaktor als Package Unit zu liefern ist allerdings neu.
Die IAEA[2] zählt zwar alle Reaktoren mit einer elektrischen Leistung unter 300 MW zu den SMR, aber die im Internet veröffentlichten Konzepte bewegen sich eher im Bereich einiger 10 MW. Sie alle sind klein genug – wenn auch manchmal gerade so – um am Stück transportiert werden zu können. Und das ist in meinen Augen auch das Alleinstellungsmerkmal, nicht die eigentliche Leistung.
Was verspricht man sich davon?
Jedes Kernkraftwerk ist ein Unikat. Auch wenn die Reaktortypen mittlerweile einigermaßen standardisiert sind, ist es wegen der Vielzahl von Faktoren schwierig bis unmöglich, an zwei verschiedenen Orten auf der Welt die absolut gleiche Anlage zu bauen. Und auch von den Grundtypen werden jeweils nur wenige Einheiten gebaut. Deswegen profitieren Kernkraftwerke in weit geringerem Maß als andere Kraftwerkstypen von den Vorteilen und Erfahrungen der Serienfertigung. Diesen Nachteil wollen SMR aufheben, indem standardisierte Reaktormodule in Fabriken gefertigt werden, wo Erfahrung aus Aufbau und Einsatz direkt in die Fertigung einfließen können. Der erste Vorteil, den SMR bringen sollen ist Standardisierung in der Herstellung.
Zurzeit geht der Trend beim Bau von Kernkraftwerken eher zu größeren Anlagen. Waren in den 1990er Jahren, mit Ausnahme der letzten deutschen und französischen Kraftwerke, noch 800-MW-Blöcke dominant, so werden zurzeit vor allem Anlagen mit 1.000 MW und mehr gebaut, wobei AREVAs EPR mit 1.600 MW zurzeit der leistungsfähigste Typ ist. Der Grund dafür ist so einleuchtend wie trügerisch: Der Skaleneffekt. Die Idee dabei ist, dass die Anlagen mit steigender Größe günstiger werden. Einleuchtend, weil gewisse Posten unabhängig von der Leistung des Reaktors etwa gleichviel kosten, z.B. so triviale Dinge wie der Parkplatz und das Leitwartengebäude. Trügerisch deshalb, weil mit steigender Größe auch die Komplexität steigt: Man braucht z.B. mehr und besser entworfene Temperaturmessungen, um ein größeres Reaktorvolumen zu beobachten. Setzt man aber voraus, dass der grundsätzliche Effekt positiv ist, also größere Anlagen im Mittel wirklich relativ günstiger sind als kleine, dann fällt dieser Vorteil für SMR mit ihrer angedachten Leistung von etwa 50 MW weg. Um diesen Nachteil auszugleichen, müssen viele SMR gebaut werden. Man muss also den Vorteil der Skaleneffekte durch den der Fertigung großer Stückzahlen ersetzen. Das spielt dem Konzept, Reaktormodule in Fabriken zu bauen in die Hände: vorausgesetzt, die Produktion läuft und der Hersteller erkennt steigenden Bedarf, kann er durch Bau einer weiteren Fertigungsstraße seine Kapazität erhöhen. Der zweite Vorteil, den man sich verspricht ist die Produktion vieler SMR.
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