Das war eine Überraschung, als mein RSS-Feeder mir gestern die letzte Ausgabe der Philosophical Transactions ausgespuckt hatte: Ein Feuerwerk an Review-Artikeln zur Evolution der Tiere. Anlass war ein Diskussionstreffen wichtiger Biologen und Paläontologen zu dem die Royal Society im letzten Juni geladen hatte. Das war Linnaeus 300 Geburtstag, dem Begründer der Systema Naturae.
Alle, die die Evolution der Tiere Lehren haben jetzt ein paar schöne neue Stammbäume zum zeigen in der Vorlesung und Forschende haben eine Steilvorlage sich in die Diskussionen einzumischen. Sechzehn Artikel zur Evolution der Tiere versammelt die Ausgabe. Ich bespreche hier in einem Zweiteiler nur ein paar wenige der Arbeiten. Im ersten Teil wird es um die Stammbaumrekonstruktion, im zweiten Teil um den zeitlichen Ablauf der Phylogenie gehen.
Fangen wir also an: Es ist nun mittlerweile schon zehn Jahre her, als durch molekularbiologische Arbeiten und die neue Kunst der evo-devo eine radikale Veränderung in dem Blick auf die Evolution der Tiere einsetzte und mit der ‘new animal phylogeny’ begonnen wurde neu zu schreiben. Damals tauchten bis dahin unbekannte Tiergroßgruppen mit solch unausprechlichen Namen wie Ecdysozoa und Lophotrochozoa auf (zB. Adoutte et al. 1999, Aguinaldo et al. 1997).
Telford et al. geben nun eine up-to-date review der Ecdysozoa, der sich häutenden Tiere (Insekten, Spinnen, Krebse, Nematoden und Priapuliden gehören u. A. dazu) und tragen eine überwältigende Zahl von Argumenten zusammen, die zeigen, dass die Ecdysozoa von einer gemeinsamen Urform abstammen, einem vermutlich segmentierten wurmartigen Tier.Die Ecdysozoa sind mit Abstand die artenreichste Gruppe der Tiere, trotzdem ist die morphologische Vielfalt recht begrenzt. Warum das so ist bleibt ein spannendes Forschungsfeld.
Giribet liefert den Überblick über den Stand der Forschung bei den Lophotrochozoa zu denen die Anneliden, die Brachiopoden, Bryozoen und Mollusken gehören. Auch wenn die Mollusken zu den artenreichsten Tierstämmen gehören ist doch das Besondere an ihnen, wie an vielen anderen Lophotrochozoa, ihre enorme morphologische Vielfalt. Trotz dieser morphologische Vielfalt ist eine Stammbaumrekonstruktion nicht einfach und die Dinge liegen komplizierter als bei den Ecdysozoa
Ecdysozoa und Lophotrochozoa sind Protostomier (zur Schwestergruppe, der Deuterostomier siehe unten) und man könnte sagen, es gibt bei den Protostomiern die Ecdysozoa und alle anderen sind Lophotrochozoa.Es gibt bei den Lophotrochozoa zwei große Gruppen, die Trochozoa zu denen alle Tiere mit einer Trochophora-Larve gehören (also zB. die Anneliden und Mollusken) und wiederum alle anderen. Letzteren gibt man den Namen Platyzoa, die Plattwürmer gehören dazu. Ob nun die Gruppen in denen sich die hier mit “alle anderen” bezeichneten Tiere befinden tatsächlich jeweils von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, ob sie also monophyletisch sind, ist umstritten. Interessant ist, dass beinah alle wichtigen Vertreter der Trochozoa fossil bis hinein ins Kambrium gefunden wurden, Vertreter aus der Gruppe mit den Plattwürmern jedoch bisher fehlen.
Schade eigentlich, weil gerade diese Tiergruppe gerade ins Flutlicht der jüngsten Untersuchungen gerückt ist da sie zur Klärung der Verwandschaftsverältnisse innnerhalb der Lophotrochozoa beitragen könnte. In der statistisch-molekularbiologischen Untersuchung von Lartillot und Philippe zeigt sich das auf eindrucksvolle Weise. Dort sind Giribets Trochozoa und Platyzoa nur schwach gestützt und die Plattwürmer clustern in einem Fall zusammen mit den Annelida. Man kann also nur sagen: Paläontologen, sammelt Plattwürmer!
Swalla & Smith nehmen sich den Deuterostomen an. Wir sind Deuterostomer, zusammen mit den Seegurken und Seeigeln, Hemichordaten und Tunikaten. Es sieht so aus, dass die Deuterostomen als eine monophyletische Gruppe akzeptiert sind. Zwei große Deuterostomen-Gruppen werden von Swalla & Smith anhand der Larvalmorphologie unterschieden: die Xenambulacraria (mit u. A. den Echinodermen und Hemichordaten) und die Chordata (mit u. A. den Tunikaten und Vertebraten). Smith ist Paläontologe und Daten aus der fossilen Überlieferung haben daher in dieser Arbeit ein schweres Gewicht, zumal viele Deuterostomier recht gut überliefert sind. Die kambrischen Deuterosotmier tragen allerdings eher dazu bei die basalen Verästelungen und phylogenetischen Erklärungsmöglichkeiten zu verwirren. Trotzdem, oder gerade deshalb favorisieren die Autoren vorsichtig einen filtrierenden, bodenbewohnenden Wurmartigen mit Kiemenschlitzen, ähnlich einem modernen Eichelwurm als letzten gemeinsamen Vorfahren der Deuterostomen. Diese Interpretation schein durch die Daten von Lartillot und Philippe gestützt.
Die Arbeiten in ihrer Gesamtheit zeigen ein eindruckvoll detailliertes, wenngleich in Details noch widersprüchliches, Panorama der Evolution der Tiere. Unser Ort in diesem wildverzweigten Baum kann zunehmend genauer bestimmt werden.
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