Das wichtigste Detail in meinem Aufruf habe ich vorgestern unterschlagen. Plattwürmer können viel mehr, als zur Klärung der Verwandschaftsverhältnisse innerhalb der Lochotrochozoa beitragen.

Das wurde gezeigt, als sich herausstellte, dass sich innerhalb der Plattwürmer zwei kleine Gruppen von Würmchen verstecken, die da gar nicht hineingehören, sondern die Bilateralia sind welche sich schon sehr frühzeitig von allen anderen höheren Tieren abgespaltet hatten [1].

Man nennt diese falschen Plattwürmer, die Acoela und Nemertodermatida und sie werfen auf unser Verständnis von der Evolution der Tiere ein ziemlich neues Licht. Wie Baguñà et al und Hejnol & Martindale jetzt zeigen ergibt sich durch diese neuen Erkenntnisse ein neues Bild von dem, was man als das erste Tier bezeichnen kann, dem Urbilateralia.

Es gibt schon lange zwei Hypothesen, wie das erste Tier ausgehen haben könnte. Die einen haben gesagt die primitivsten Tiere entwickelten sich aus sexuell reproduzierenden, einfach organisierten, pelagischen Organismen, die ähnlich aussahen wie die Planula-Larven der Cnidaria (Nesseltiere, u. A. Korallen, Quallen). Die ersten Tiere wären demnach einfache, wurmähnliche unsegmentierte Tiere [zB. 2].Die anderen meinten, die primitivsten Tiere waren segmentiert, wurmähnlich, bereits komplex organisiert und entwickelten sich aus radial organisierten Cnidarien [3] Die erste Theorie nennt man Archicoelomaten oder Komplexe Urbilateralia Theorie, die zweite Planulid-Acoelid, oder Einfache Urbilaterialia Theorie.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die scheinbaren Plattwürmer, die nun an die Basis des Tierstammbaumes gerutscht sind einige Bewegung in diese Theorien gebracht hat und das derzeit die Einfache Urbilateralia Theorie von vielen favorisiert wird, die annimmt, dass die ersten Tiere als kleine wurmähnliche Kreaturen auf dem Meeresboden herumkrochen.

Warum ist das nun alles so furchtbar wichtig? Weil es die Kambrische Explosion gab. Weil die Tiere plötzlich in den Sedimenten auftauchen und sich die Welt mit dem erscheinen der Tiere radikal verändert hat. Man möchte wissen ob die Tiere in einem kurzem Zeitraum erschienen, was die Ursache war, dass sie auftauchten, und woher sie kamen. Das ist eine große Frage. Warum wurde die Erde, so wie wir sie heute kennen mit all den Insekten, Schnecken und uns Menschen..?

War es das Klima, das den Tieren die Türen geöffnet hatte, oder der Sauerstoff in der Atmosphäre? Waren es einzigartige, kontingente Kaskaden auf molekularbiologischer Ebene, die die Phantasie der Evolution beflügelten? Waren es die morphologische Innovationen der Urbilateralia? Waren es vielleicht ölokogische Veränderungen in der Zusammensetzung des Planktons?

Hier kommen die Paläontologen ins Spiel.Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten, die zeitliche Abfolge der Ereignisse die zum Erscheinen der Tiere führten zu rekonstruieren. Die Eine ist die Berechnung der molekularen Veränderungen in der Zeit, die Andere das horizontierte gezielte neue Sammeln von Fossilien. Zu beidem benötigt man Paläontologen, weil auch die molekularen Uhren anhand von Fossilien geeicht werden müssen

Es gibt daher in dem Sonderband der Philosophical Transactions zwei Aufsätze, die sich explizit mit der fossilen Überlieferung des Ursprungs der Tiere befassen.

Peterson et al. liefern einen up-to-date Vergleich molekularbiologischer und paläontologischer Daten zum zeitlichen Ablauf des Erscheinens der Tiere. Der Vergleich macht wahrscheinlich, dass die Urbilateralia und die ersten Protostomier und Deuterostomier in dem Zeitraum vor 700-620 Mill. Jahren enstanden, also im Ediacarium.Die Kambrische Explosion, das auftreten des Großteils aller heutigen Tierstämme fand etwa hundert Millionen Jahre später statt.

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Diese Daten werdem im wesentlichen von Budd bestätigt, der den aktuellen Fossilbericht bespricht. Demnach gibt es erste Hinweise auf planktonische metazoen-artige Lebewesen seit etwa 635 Mill Jahren.Erste Spurenfossilien, die auf mobile kriechende Tiere hinweisen und erste fossile Tiere mit mögliche Organen (triploblastische Tiere) seit 555 Mill. Jahren. Das Kambrium beginnt vor 542 Mill Jahren und erst im Kambrium begann die große Radiation der Tiere.

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Nichtsdestotrotz ist ein Zeitraum von Hundert Millionen Jahren für die Enstehung all der großen Tiergruppen Atemberaubend schnell wenn man sich vorstellt das in den 3.5 Milliarden Jahren vorher und den 500 Millionen Jahren nachher nichts, bzw. sehr wenig passiert ist was die Entstehung neuer Organismenstämme betrifft.

Im Vergleich mit vor zehn jahren sind wir also ein ganzes Stück weiter, wir wissen nun, dass die Entstehung der Tiere tatsächlich sehr rasch vonstatten ging. Diese Entstehung verlief kaskadenartig wie gerade von Bing Shen et al gezeigt wurde. Die Welt des Ediakarium war eine zwei dimensionale Welt mit kleinen platten Organismen die auf dem Meeresboden umher krochen (eine Plattwurm Welt?) die im krassen Kontrast mit der Welt des Kambrium steht in dem es aktive Tiere gab die schwammen, gruben und krochen.

Die Entwicklung der Vielfalt der Arten scheint dabei oftmals nicht einfach an die Entwicklung der morphologischen Vielfalt gekoppelt. Das wird als Hinweis darauf gesehen, dass die Entwicklungen die zum Erfolg der Tiere führten nicht eine einfache Konsequenz verbesserter physischer Umgebungsparameter (Stichwort Sauerstoff, biochemischer Kaskaden auf molekularbiologischer Ebene, oder eine simple Konsequenz morphologische Innovationen der Urbilateralia waren. Vielmehr muss angenommen werden, dass das komplexe Zusammenwirken physischer Veränderungen auf der Erde, molekulabiologischer Prozesse und ökologische Veränderungen einmalige Voraussetzungen boten damit ie Geschichte der Tiere ins Rollen kam.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir eines Tages verstehen können, welches diese Wechselwirkungen im Konkreten waren. Ein bisschen haben wir schon damit angefangen. Zumindest wissen wir nun beinah schon sicher, wie das erste Tier ausgesehen haben mag und wann es gelebt hat, so jedenfalls stellen es sich Hejnol & Martindale vor:

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