Irgendwann vor etwa 10.000 Jahren ließen sich die Menschen nieder. Sie fingen an Ackerbau zu betreiben und Tiere zu domestizieren. Das war eine so wichtige Entwicklung, dass man ab dieser Zeit von der Jungsteinzeit spricht. Aber sie lies schon immer einige Fragen offen. Wie kam es dazu und was haben die Menschen davor gemacht? Dabei fiel den Archeologen im Mittelmeerraum immer wieder auf, dass in den Hinterlassenschaften der Zeit vor der Jungsteinzeit teilweise große Mengen an Schneckenhäusern herum lagen. 25000 Schneckengehäuse pro Kubikmeter sind jedenfalls kein Zufall.

Zuerst gehört habe ich davon hier, in der ersten Ausgabe vom Crash Course World History (bei 9:00 – übrigens gibt es dort auch deutsche Untertitel!):

Erwähnt wird dort konkret die Franchthi Höhle in Griechenland. Daher kam dann die Vermutung, dass die Schnecken die ersten domestizierten Tiere waren. Anstatt Auerochsen oder Ebern im Wald hinterher zu jagen, sie einzufangen und zu halten, ist es immerhin viel einfacher Schnecken einzufangen. Die können auch so schnell nicht weglaufen. Das war zumindest die Vorstellung von Felipe Fernández-Armesto in seinem Buch “Near a thousand tables – A History of Food”.

Grund genug einmal nachzuschauen, was sich dazu in der Forschung finden lässt. Tatsächlich hat sich David Lubell damit etwas eingehender auseinander gesetzt und zitiert auch reihenweise andere Autoren. Dort sieht die Sache dann schon etwas anders aus. Auch wenn die Zahl der Schnecken recht groß war, konnten sie nicht dauerhaft einen größeren Anteil der Fleischversorgung gestellt haben. Wie genau die großen Mengen Schneckenhäuser zusammen kamen, kann nur vermutet werden. Abgesehen von den Schneckenhäusern selbst blieben nur die kleinen Steinwerkzeuge übrig, mit denen die Schnecken aus ihren Gehäusen geschnitten wurden – natürlich gekocht. Davon blieben Holzkohle und Kochsteine übrig, wie ich es schonmal beschrieben habe.

Der Autor der Geschichte des Essens sagte, dass sich Schnecken sehr einfach halten lassen – man muss nur einen Graben um eine Fläche ziehen, die Schnecken einsammeln und hin bringen und der Rest passiert schon von allein. Ganz so einfach war es wohl doch nicht, wie Lubell dann herausgefunden hat. Schnecken werden in Frankreich und anderswo bekanntlich auch heute noch als Delikatesse gegessen und natürlich auch gezüchtet. Die Züchter sehen die Schneckenzucht jedenfalls doch etwas komplexer und so dicht wie man will kann man die Schnecken nicht halten.

Die Schnecken kamen wohl hauptsächlich aus der Wildnis. Man kann allerdings kaum sagen, bei welcher Gelegenheit sie gegessen wurden. Vielleicht wurden sie nur in der Not gegessen, wenn kein anderes Fleisch mehr aufzutreiben war. Oder sie wurden zu einer bestimmten Jahreszeit bei einem Fest gegessen. Dann kann es auch gewesen sein, dass die gesammelten Schnecken vor Ort erst einmal einige Zeit gehalten wurden, damit man für das Fest auch genug Schnecken hatte. Dafür braucht man auch nicht mehr so viel Platz wie bei der Schneckenzucht. Zumal Schnecken vor dem gegessen werden zunächst einige Tage hungern sollten. Dann kann man sicher sein, dass sich im Darm keine Pflanzen mehr befinden die für  Menschen giftig sind.

Man kann sich nun vorstellen, dass sich aus den Schneckengehegen der furchtlosen Schneckenjäger der Steinzeit vielleicht die Idee des Haltens von Tieren entwickelte. Vielleicht gingen danach die furchtlosesten der Schneckenjäger auf die Jagd nach schnelleren und größeren Tieren, wie Wildschweinen, -schafen oder -ziegen um auch sie lebendig einzusperren und später frisches Fleisch zu haben. Wie auch immer es genau passierte, eines steht fest: Es geschah alles ungefähr zur gleichen Zeit. Auf ein paar Jahrhunderte mehr oder weniger kommt es da kaum an.

Kommentare (1)

  1. #1 Dr. Webbaer
    22. August 2015

    furchtlose[] Schneckenjäger der Steinzeit

    Netter Ansatz, danke für diese journalistische Leistung, der Übergang zur sogenannten Jungsteinzeit soll vor ca. 10.000 Jahren stattgefunden haben, ganz interessant vielleicht auch die Frage, wie lange genau der Primat mit ähnlichem kognitiven Vermögen ausgestattet war wie jetzig der Fall, welches Leid es gegeben haben muss bis sich die Zivilisation (das Bürgertum) und die Verstädterung (“Politik”, Verstädterung führt zu bestimmter komplexer Organisation der Stadtbürger) ergab.

    MFG
    Dr. W