Die Verbindung der Engländer zu einer Tasse Tee ist in unseren Zeiten so sprichwörtlich, wie fast schon symbiotisch. Das war nicht immer so. Erst im 19. Jahrhundert war Tee kein reines Luxusgut mehr. Er wurde in China billig gekauft und mit Schiffen nach Europa gebracht. In Europa erzielte man mit dem Tee so hohe Preise, dass der Handel äußerst profitabel war. Die Differenz war so groß, dass der Teepreis in China im englischen sogar sprichwörtlich für etwas gänzlich irrelevantes benutzt wurde.

Bis 1834 wurde der Teehandel noch vollständig von der British East India Company abgewickelt, danach verlor sie ihr Monopol. Fortan gab es einen Wettbewerb der Händler um den größten Profit. Dabei erzielte vor allem die erste Ladung der jeweiligen Saison einen besonders hohen Preis. Die Teehändler in Europa versprachen entsprechende Prämien für das Schiff, das die erste Landung aus China nach Europa brachte.

Die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Hochzeit der Segelschiffe. Man fing an die Holzrümpfe der vergangenen Jahrhunderte durch Eisen zu verstärken. Die Verstrebungen und die Masten bestanden aus Eisen, nur noch die Beplankung was aus Holz, teilweise mit Kupfer beschichtet um den Bewuchs zu verhindern.

Diese Schiffe waren in der Lage, die Strecke von China durch den indischen Ozean um das Kap der Guten Hoffnung herum nach England in unter 100 Tagen zu absolvieren. Sie waren aber vollständig dem Wetter ausliefert. Wenn der Wind nicht so bläst, wie es die Schiffe brauchen, dann nützen auch regelmäßige Höchstgeschwindigkeiten von 16kt (30km/h) und mehr ziemlich wenig. Entsprechend schwankten auch die Zeiten der Passage von Jahr zu Jahr.

Das berühmteste dieser Rennen fand im Jahr 1866 statt und auch das letzte. Zumindest war es das letzte Rennen in dem noch eine Prämie von 10 Shilling pro Tonne ausgezahlt wurde. Wobei die schnellen Klipper etwa 500 Tonnen Tee transportierten. Diese Prämie war schon niedriger als in vergangenen Jahren, als sie noch ein Pfund pro Tonne betrug – also das doppelte. (Zur allgemeinen Erheiterung: 1 Pfund = 2 Crowns = 20 Shilling; 1 Shilling = 12 Pence; 1 Pence = 4 Farthing. Alles andere ist neumodischer Kram!)

Das hielt die Eigner der Klipper nicht davon ab, auch im Jahr 1866 das Rennen mit aller Ernsthaftigkeit zu führen. Es ging nicht etwa um die reine Segelzeit. Nein, es ging um die gesamte Aktion. Vom Aufladen des Tees, über das finden des besten Navigators aus dem Hafen heraus und so weiter, bis letztlich zur Ankunft des Schiffs. Das Rennen von 1866 wurde vor allem deswegen so berühmt, weil die ersten beiden Schiffe nach 99 Tagen innerhalb von Minuten in London eintrafen, nur wenige Stunden gefolgt von Nummer drei.

Nun gab es aber ein Problem bei der Vergabe der Prämie. Man könnte nun annehmen, dass die Ankunft von drei Schiffen zur gleichen Zeit wegen des hohen Angebots die Preise ruinieren würde. Aber das war nicht das Problem. Nein, man musste sich aus einem anderen Grund darauf einigen, die Prämie unter den Schiffen aufzuteilen.

Das Problem war, dass keines der am Rennen beteiligten Schiffe die erste Ladung Tee nach England brachte. Die erste Ladung brachte ein Schiff, dessen Namen man sich nicht besser ausdenken könnte. Es war die “SS Erl King“. Sie verließ China eine Woche nach den anderen Schiffen und kam in London nach 77 Tagen an, also eine Woche vor ihnen. Die SS Erl King hatte eine Dampfmaschine an Bord, zusammen mit ihren Segeln. Es war eine kleine Dampfmaschine, die dem Schiff nicht einmal erlaubte, ohne Segel in den Wind hinein zu fahren. Aber die Fähigkeit ohne Wind vorwärts zu kommen, machte sie schlicht zu einem besseren Schiff. Zur gleichen Zeit hatte ein reines Dampfschiff den Weg nach China in 65 Tagen geschafft.

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Kommentare (6)

  1. #1 Turi
    23. August 2015

    Als großer Fan der Horatio Hornblower Serie habe ich eine Schwäche für Segelschiffahrt. Und die Tee Klipper waren wirklich beeindruckend.

    • #2 wasgeht
      23. August 2015

      Ja, so beeindruckend und ausgefeilt wie jede Technologie, kurz bevor sie durch etwas fundamental besseres ersetzt wird.

  2. #3 Turi
    23. August 2015

    Genau. Mich begeistert an so etwas immer die Fähigkeit der Menschen, eine gegebenen Technologie bis aufs aller letzte auszureizen.
    Wobei natürlich immer noch mehr geht. Die Segelrekorde, die damals aufgestellt wurden sind inzwischen alle eingestellt. Neue Technologie und Meteorologie machen es möglich.
    Das dann neue Technologien auftreten welche wiederum ausgereizt werden hält die ganze Sache spannend.
    Zum Beispiel der Mikrochip. Die aktuelle Vorgehensweise der Leistungssteigerung ist fast ausgeschöpft. Inzwischen sind wir bei 7 nm Technologie angekommen. Viel kleiner kann man die Transistorbahnen nicht mehr gestalten, bevor sie ihre Funktion verlieren.
    Ich bin sehr gespannt was dann versucht wird, mehr Leistung aus den Chips zu kitzeln.

  3. #4 Nele
    23. August 2015

    Ich habe als Kind genau so die Hornblower Romane geliebt (und tue es immer noch) und finde das Thema als Segler unglaublich spannend. Das letzte mal, als ich in London war, habe ich die Cutty Sark, einen Woll und Teeklipper aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. besucht, die da als Museumsschiff ausgestellt wird. Das kann ich jedem Segelinteressierten nur empfehlen, der sich für die Schiffstechnik dieser Zeit interessiert – der Rumpf ist z.B. eine Eisenkonstruktion mit Holzbeplankung; es gibt keinerlei Maschinenkraft auf dem Schiff, alles ist mit geschickten mechanischen Instrumenten auf Menschenkraft ausgelegt. Die Ruderanlage, die das Ruder über ein Schiebegestenge bewegt, das über das Rad mittels einer Gewindestange betrieben wird, fand ich besonders spannend!

    https://en.wikipedia.org/wiki/Cutty_Sark

  4. #5 DAD
    23. August 2015

    Der Link zum englischen Sprichwort ist bei mir falsch (geht nach ” what “).
    Schöner Text und schöne Mischung in deinem Blog. Auch die Podcasts gefallen mir sehr. Eine echte Bereicherung auf ScienceBlogs.

  5. […] mit einem Skysail schon in zwei Beziehungen von einem Segelfrachter, wie ich sie im letzten Artikel vorgestellt habe. Die Frachter haben keine ernsthafte Möglichkeit ihre Route am Wind auszurichten, weil die […]