Bergbau auf dem Mond und Asteroiden soll in Zukunft alles besser machen und alle Energieprobleme mit Kernfusion von Helium 3 lösen. Was ist dran?
Am 25. November wurde in den USA der Space Act erlassen. Er bildet nicht nur die Grundlage für private Weltraummissionen, sondern sorgt auch für die Nutzung von Ressourcen im Weltraum. Schon wird an von einem interplantaren Goldrausch gesprochen. Firmen wie Moon Express versprechen auf dem Mond oder Asteroiden seltene Rohstoffe wie Helium-3 abzubauen. Damit sollen alle Energieprobleme der Menschheit gelöst werden. Solche Szenarien werden heute schon in Computerspielen wie Anno 2205 durchgespielt.
Dieser Artikel ist auch auf Golem.de erschienen. Titelbild: Wendelstein 7-X via Wikicommons.
Wenn Firmen gegründet werden um Bergbau im Weltraum zu betreiben, dann muss es ihnen wohl ernst sein. Aber ist das was sie sagen realistisch? Kann die Welt wirklich Grund genug sich einmal tiefer mit den Grundlagen solcher Behauptungen zu beschäftigen.
Bringt Helium-3 unbegrenzt viel Energie?
Bevor Helium-3 alle Energieprobleme der Menschheit lösen kann, sollte die Menschheit erst einmal die Probleme mit dem Helium-3 lösen.Es wird als möglicher Brennstoff für die Kernfusion gehandelt. Bei der Fusion von Helium-3 und Deuterium entsteht genauso viel Energie wie bei der “konventionellen” Fusion von Tritium und Deuterium. Es ist aber keineswegs leichter Helium-3 anstatt von Tritium zu benutzen, sondern erheblich viel schwerer. Die “konventionelle” Kernfusion von Deuterium und Tritium erreicht etwa die 100-fache Leistungsdichte der Kernfusion von Helium-3 mit Deuterium und braucht dabei nur ein Viertel der Temperatur. (Das und vieeel mehr findet sich hier. Ich beziehe mir vorallem auf Seite 45ff.)
Derzeit stellt aber schon die Kernfusion von Deuterium und Tritium eine große Herausforderung dar. Nicht umsonst werden Plasmaexperimente wie der Wendelstein 7-X Stellerator unternommen.
Die Fusion von Helium-3 mit Deuterium wird noch wesentlich schwieriger sein. Aber stellen wir diese Probleme zur Seite. Sie sind eine reine Frage der Technik und prinzipiell lösbar. Es gibt keinerlei physikalische Probleme, die den Bau eines Fusionsreaktors unmöglich machen würden. Ganz anders sieht es mit den damit verbundenen Versprechen aus.
Helium-3 soll Kernfusion ohne Neutronen bringen …
Warum wird also über Kernfusion mit Helium-3 gesprochen? Die Energie aus der Fusion von Deuterium und Tritium findet sich in einem Neutron wieder. Diese Neutronen müssen abgebremst werden und richten dabei gewisse Schäden an den Materialien der Reaktorwände an. Je nach Material der Reaktorwände werden diese noch dazu Radioaktiv. Die Wahl der Materialen in denen die Neutronen letztlich enden, ist dabei sehr frei. Es gibt auch Materialien in denen nur radioaktive Isotope mit kurzer Halbwertszeit entstehen.
Bei der Fusion von Helium-3 und Deuterium entsteht dagegen ein Proton. Protonen sind geladene Teilchen, die mit dem Plasma interagieren und ihre Energie dort abgeben. Die gesamte Energie dieser Kernfusion könnte also direkt durch elektromagnetische Felder aus dem Plasma entnommen werden. Das Neutronen-Problem ist damit aber nur reduziert und nicht verschwunden.
… tut sie aber nicht
Bei der Fusion von Deuterium und Helium-3 ist immer Deuterium anwesend. Bei den Bedingungen im Reaktor kommt es aber auch zur direkten Fusion von Deuterium mit anderem Deuterium. Das lässt sich nicht vermeiden. Atomkernen kann nicht gesagt werden: Alles Deuterium bitte links aufstellen, alles Helium-3 bitte rechts. Jedes Helium-3 bitte nur einen Deuterium-Kern! Es ist alles wild gemischt und sobald zwei Atomkerne mit ausreichend Energie zusammen stoßen, kommt es zur Fusion. Bei der Fusion von Deuterium mit Deuterium entsteht entweder ein Helium-3 Atom und ein Neutron oder ein Tritium Atom und ein Proton. Das Tritium fusioniert kurz darauf mit Deuterium zu Helium und einem Neutron. Helium-3 kann die Entstehung von Neutronen im Reaktor also nur reduzieren, aber nicht verhindern. Die Probleme der Materialwahl bleiben genauso bestehen wie zuvor.
Nebenbei gesagt: Jeder Reaktor der effektiv Helium-3 mit Deuterium fusionieren kann, kann genauso gut auch Deuterium mit Deuterium fusionieren, ganz ohne Helium-3. Dann ist kein Helium-3 vom Mond notwendig und Deuterium von der Erde wird sowieso gebraucht. In einer Million Tonnen Wasser auf der Erde gibt es etwa 17 Tonnen Deuterium. In den Ozeanen gibt es damit 23 Billionen Tonnen Deuterium.
In den Bodenproben von Apollo 11 fand sich im besten Fall eine Konzentration von 100 ppb. Und zwar nur in Staubkörnern unter 10 Mikrometer Größe. Das sind also bestenfalls 100 Kilogramm Helium-3 in einer Million Tonnen feinstem Mondstaub. Schlimmer noch, Helium-3 entsteht bei der Kollision von Sonnenwind mit der Oberfläche. Nur in den obersten Schichten der Mondoberfläche finden sich überhaupt so hohe Konzentrationen.
Wieviel Energie entsteht bei der Helium-3 Fusion?
Natürlich kann mit Helium-3 Fusion sehr viel Energie frei werden. Aber wieviel genau? Bei der Fusion von einem Helium-3 Atom mit Deuterium werden etwa 18,6 MeV Energie frei. Zum Vergleich: Bei der Spaltung von U-235 sind es 200MeV, davon werden 185MeV unmittelbar im Reaktor nutzbar. Aus einem etwa 80mal so schweren Atom wird die 10fache Menge Energie frei. Das natürlich auch nur, weil das Deuterium hier auf der Erde ist und nicht vom Mond hergebracht werden muss.
Zur groben Abschätzung gilt, dass ein Kernkraftwerk mit einer Leistung von 1GW etwa eine Tonne Uran pro Jahr spaltet. (Bei einer Effizienz von etwa 40%. In der Praxis liegt sie meistens niedriger.) Jedes Fusionskraftwerk mit der gleichen Leistung bräuchte etwa 125kg He-3 pro Jahr. Allein um die etwa 400 GW Leistung der Kernkraftwerke auf der Welt zu ersetzen, müssten jedes Jahr 50 Tonnen Helium-3 vom Mond zur Erde gebracht werden. Um die 5000 GW der gesamten Stromversorgung der Welt sicher zu stellen müssten es 600 Tonnen He-3 pro Jahr sein.
Um 600 Tonnen Helium-3 zu produzieren, müssten jedes Jahr wenigstens 5 Milliarden Tonnen Mondstaub verarbeitet werden. Natürlich nur, wenn der Staub die äußerst hohe Konzentration von 100ppb He-3 hat. Wieviel sind 5 Milliarden Tonnen? Die weltweite Produktion von Kohle auf der Erde beträgt derzeit etwa 8 Milliarden Tonnen.
Und das ist das Ende der Helium-3 Utopie. Sie scheitert am Fehlen jeder Größenvorstellung dessen, was dort vorgeschlagen wird. Mit diesem Problem ist diese Utopie bei der Energieerzeugung allerdings in bester Gesellschaft. Für die Kernfusion als ganzes gilt das hingegen nicht. Mit der ohnehin nötigen Reaktortechnik könnten die 5000GW des weltweiten Stromverbrauchs auch mit 1100 Tonnen reinem Deuterium pro Jahr erzeugt werden, ganze ohne Bergbau auf dem Mond. Die vorhandenen Mengen in den Ozeanen wären dann noch genug für die nächsten 20 Milliarden Jahre.
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