Als ich irgendwann im Herbst 2007 von Beatrice Lugger – die ich bis dahin nur als FOCUS-Wissenschaftsredakteurin kannte – darauf angesprochen wurde, ob ich Lust hätte, ein Blog für ein neues Projekt zu schreiben, das sie entwickele, war meine erste Reaktion: Was ist ein Blog? Natürlich hatte ich als Korrespondent in New York (das war damals mein Job) von Blogs gehört und gelesen, und ahnungsloser Weise zehn Jahre zuvor sogar selbst schon mal eines geschrieben hatte (wir nannten das damals noch “Online-Kolumne”, und meine und erschien im Rahmen eines kurzlebigen lokalen Abo-Onlinedienstes, den ich für den Axel Springer Verlag entwickelt hatte) – aber was ich in ein Blog schreiben würde, und warum ich das für eine sinnvolle Tätigkeit halten könnte, war mir erst mal nicht klar. Ich war (und bin immer noch) ein echter Journalist – Bloggen, das war doch was für Dilettanten und Möchtegern-Journalisten! Aber andererseits: unredigiert schreiben können? Schreiben, über was immer ich wollte? Wer weiß, wie nervig es ist, eine Redaktion von den eigenen Themen zu überzeugen, versteht, warum das eine Verlockung war…

Alle meine Beiträge sind selbstverständlich archiviert; der erste erschien am 4. Dezember 2007 und befasste sich mit der sperrigen Haltung der US-Regierung beim Klimaschutz. Ich lese ihn heute und kann kaum fassen, dass wir – was die aktuelle US-Regierungsposition angeht – nicht nur nicht weitergekommen sind, sondern sogar noch hinter den millimeterlangsam schleichenden Forschritt vor zehn Jahren zurückgefallen sind. ***Facepalm***

Nö, auf das zurückzublicken ist zu frustrierend und deprimierend. Lassen wir’s, und versuchen was anderes…

Versuchen wir’s mit Statistik? Naja, auch frustrierend: Ohne zu viele Zahlen zu verraten, weiß ich aber, dass selbst der meistgelesene unter meinen Beiträgen kaum an die Reichweiten rankommen kann, die ich mit einer gut platzierten Zeitungsstory (ich habe im Lauf meiner Karriere für ein paar Dutzend Tageszeitungen und Wochenzeitungen und -Zeitschriften geschrieben, alle typischer Weise mit sechs- bis siebenstelligen Verkaufsauflagen) erreichen konnte. Mit meiner Blog-Reichweite kann ich also auch niemanden beeindrucken. Also versuchen wir’s mal anders herum: Welcher meiner Beiträge hatte die wenigsten Leserinnen und Leser?

Hmmm. Das ist schwerer festzustellen, als ich dachte: Für den hier, beispielsweise, will Google Analytics auf Anhieb nur 17 Leserinnen/Leser gefunden haben – was aber Quatsch sein muss, denn der Beitrag hat allein schon 21 Kommentare (eine andere Suchmethode findet letzlich ehr als 400 Klicks). Aber der hier, der ist rekordverdächtig: Für diesen kleinen Beitrag über Amusie findet Google Analytics gerade mal acht (!) Zugriffe, seit seinem ersten Erscheinen am 21. Dezember 2007 bis heute! Aber moment mal: Mein Blog wird erst seit Februar 2008 von der Google-Analyseseite erfasst. Vielleicht waren’s ja doch ein paar mehr…

Noch ein paar Versuche, dann gebe ich auf – für solche Mindestrekorde ist die Software einfach nicht ausgelegt. Aber eines kann ich zumindest behaupten: Es gibt keinen Beitrag, der nicht gelesen wurde…

Aber es gibt – leider – viele, die nicht kommentiert wurden. Was schade ist: Was mich hier umtreibt ist ja nicht, ein paar digitale Zeichen auf einem Server zu speichern, die dann dank einer vermittelnden Software (man nennt sie “Browser”) an irgendwelchen Bildschirmen als Text angezeigt werden. Sondern eine Diskussion anzuregen (meinetwegen auch anzuzetteln)! Den ersten “echten” – wenn auch recht kurzen – Diskussionsstrang gab’s hier. Bis zum nächsten Strang dauerte es fast ein halbes Jahr, und der war immerhin schon doppelt so lang – aber immer noch eher im “kleinen Kreis”. Bis zur ersten Kommentarschlacht, die diesen (Spitz)Namen verdient, musste ich mehr als ein ganzes Jahr vor mich hin bloggen – und wie in meinem ersten Beitrag, ging es um den Klimawandel.

Und weil’s so ein schöner Zufall ist: Der erste Kommentar in dieser Schlacht stammt von Lars Fischer (wer nicht weiß, wer das ist, hat sich noch nicht in der deutschen Wissenschaftsblog-Landschaft umgeschaut). Und Lars war auch derjenige, der überhaupt den allerersten Kommentar in meinem Blog geschrieben hat, und zwar hier. Ich fühle mich noch heute geehrt!

* weil auch die kleinen Dinge wichtig sind

Kommentare (12)

  1. #1 MartinB
    10. Januar 2018

    “alle typischer Weise mit sechs- bis siebenstelligen Verkaufsauflagen”
    Das ist ein untauglicher Vergleich – nicht jeder liest jeden Zeitungsartikel. Du müsstest also schon berücksichtigen, wie groß der Prozentsatz der jeweiligen LeserInnen ist, der den Zeitungsartikel auch tatsächlich liest, und der mag je nach Artikel ja schon verschwindend klein sein.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    10. Januar 2018

    @MartinB
    Wenn ich eine detaillierte Leseranalyse eines einzelnen Beitrags machen wollte – sicher. Aber wenn ich (was in der Tat geschehen ist) bei Zeitungen mit sechs- und siebenstelligen Auflagen eine Titelseiten-Story mit großer Schlagzeile “über dem Bruch” habe, dann müssten schon sehr viele LeserInnen angestrengt weggeschaut haben, um die Story nicht zu sehen. Aber mir ging es ja mit dem Vergleich genau ums Gegenteil: dass Reichweite allein nicht als Maßstab taugt, um mich als Schreiber zu motivieren.

  3. #3 Alderamin
    10. Januar 2018

    @Jürgen

    Ich lese ihn heute und kann kaum fassen, dass wir – was die aktuelle US-Regierungsposition angeht – nicht nur nicht weitergekommen sind, sondern sogar noch hinter den millimeterlangsam schleichenden Forschritt vor zehn Jahren zurückgefallen sind.
    […]
    für solche Mindestrekorde ist die Software einfach nicht ausgelegt.

    Ähm, *hüstel*, bist Du gerade in einer Maso-Depri-Phase? Wer sucht denn nach Negativrekorden? 😉

    Also, Geograffitico ist auf meiner Scienceblogs-Shortlist (und die ist wirklich short), aber ich fühle mich meist nicht kompetent, irgendwas zu den Themen beitragen zu können. Das heißt nicht, dass ich sie nicht lese. Nur verlinkte lange Videos schaue ich meist nicht mangels Zeit. Aber auch nicht in anderen Blogs.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    10. Januar 2018

    @Alderamin
    Nein, ich war einfach nur neugierig, über die lange Distanz hinweg zu sehen, was Leserinnen und Leser NICHT interessiert. Genauer gesagt, was von dem, das ich interessant fand, keine Leserin oder keinen Leser interessiert hat. Pure Neugier!

  5. #5 Alderamin
    10. Januar 2018

    @Jürgen

    Meine Vermutung: sind halt überwiegend Wissenschaftsinteressierte hier. Die haben zwar auch eine politische Meinung, aber das schränkt schon einmal die typische Leserschaft von politischen oder gesellschaftskritischen Artikeln im Vergleich zu großen Magazinen und Tageszeitungen deutlich ein.

  6. #6 rolak
    10. Januar 2018

    Für den hier, beispielsweise,

    Für we(lche)n, Jürgen?

    will Google Analytics

    ach die können auch nur, wenn man sie läßt, also die eigentliche url mit reichlich “utm_”-Fragmenten verziert ist. WP müßte eigentlich irgendwo einen grundlegenderen AnzeigeZähler haben (jaja, ihr seid öfters umgezogen, jaja).

    Diese Durststrecken sind wohl unvermeidlich, Respekt jedem Menschen, der sie übersteht!

  7. #7 Jürgen Schönstein
    10. Januar 2018

    @rolak
    Für den hier: Bildung verpflichtet! Hab den Link im Text nachgereicht.

    Was die Zugriffsstatistik und die Umzüge angeht: Mindestens einmal wurden nicht nur der Server und die Softwareplattform gewechselt, sondern auch die gesamte Dateistruktur (also auch die Syntax der URL) neu geordnet. Dateinamen wurden dafür von einem Dienstprogramm automatisch umgeschrieben, was Google Analytics gelegentlich sehr verwirrt haben dürfte… Und die Analyse-Möglichkeiten von WordPress gab’s zu Anfang noch nicht, da wir die ersten fünf oder so Jahre mit MovableType (r.i.p.) gerabeitet hatten.

  8. #8 stone1
    11. Januar 2018

    Ich schließe mich dem Kommentar #3 von Alderamin an, gilt für mich genauso. Ich mag die nicht so häufig erscheinenden und auch meist eher knapp gehaltenen Artikel, nur fällt mir meist nix dazu ein, was einen Kommentar rechtfertigen würde.

  9. #9 rolak
    11. Januar 2018

    nur fällt mir meist nix dazu ein

    Hey stone1, das ist mein Satz!. Uns fehlt wohl der Zugang zu sinnvollem Smalltalk. Zumindest ich fühl mich dabei auch im RL äußerst ungelenk…

  10. #10 Lars Fischer
    11. Januar 2018

    Ich bin ja tatsächlich gerade ein bisschen erleichtert, dass mein erster Kommentar einigermaßen gut gealtert ist. ^^
    Glückwunsch dir und deinen Mitbloglingen.

  11. #11 stone1
    11. Januar 2018

    @rolak

    mein Satz!

    Um es im Originalwortlaut einer gewissen SPDlerin zu sagen: Bätschi!
    Ich frag mich, ob’s sinnvollen Smalltalk überhaupt gibt, dementsprechend schwer tue ich mir auch selbst damit, Wetter geht allerdings immer. Schreibenderweise fällt das etwas leichter, eine amüsante Assoziation ist schnell gefunden, auch ein Link zu einem witzigen Filmchen (mein Favorit: Shocked) oder Musikstück (hab mir grad den A.S.-Prototyp angeschaut und festgestellt, dass Schispringerlieder damals sehr beliebt waren) ist nur ein paar Zeichen entfernt.

  12. #12 tomtoo
    11. Januar 2018

    Wie klein die Welt für selbst nur Wissenschaftsinterresierte ist.

    Wie geil ! : )