Ich wäre ja beinahe auch bei den Scienceblogs gelandet. Vor 2008 war ich ja auch einer dieser ganz neuen und im deutschsprachigen Internet sehr raren Wissenschaftsblogger – als Beatrice Lugger begann, für einen deutschen Ableger der englischsprachigen Scienceblogs.com die Wissenschaft im Netz unter einem gemeinsamen Dach zu versammeln. Das sorgte für Aufbruchsstimmung in der Szene. Aber mein Weg führte dann doch in eine etwas andere Richtung. In den Räumen von Spektrum der Wissenschaft brach eine gewisse Hektik aus: Dort schmiedete eine Gruppe um Carsten Könneker auch schon Pläne für ein Blogprojekt, brauchte aber plötzlich ganz dringend noch einen Community Manager. Deswegen heute also nur als Gastautor.

Dass also unsere SciLogs ihr zehnjähriges Jubiläum vor den Scienceblogs feierten, mag man angesichts dieser Entstehungsgeschichte als dichterische Freiheit werten. Das Jubiläum jedenfalls markiert einen Wendepunkt in dem, was wir heute als Wissenschaftskommunikation bezeichnen. Blogs gaben schon vorher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern – aber erst Plattformen wie die Scienceblogs haben Blogs eine Aura des Professionalismus verliehen, und nicht zuletzt Zugang zu einem größeren Publikum, das ihren Kram auch liest.

Blogs allein reichen nicht

Die Erfahrung der letzten zehn Jahre lehrt, dass Wissenschaftsblogs in Deutschland ohne den Plattform-Effekt wohl bei weitem nicht ihre heutige Bekanntheit hätten. Nicht zuletzt, weil auch zehn Jahre später noch Hürden und Vorbehalte in der Forschungslandschaft existieren. Zeitverschwendung und allgemeiner Mangel an Niveau sind nur die zwei häufigsten Vorwürfe, die über Wissenschaftsblogs im Raum stehen. Und natürlich ist es schon mal gar nicht egal, ob man als einsamer Rufer in der Wüste die Flagge der Forschung hoch hält oder eben gemeinsam mit anderen unter einem feschen Logo.

Wissenschaftler sind bekanntlich Herdentiere und suchen Schutz in der Gruppe. Und sie mögen fesche Logos, die zumindest danach aussehen, als wenn man da bei was Seriösem mitmacht. Außerdem, machen wir uns nichts vor, ist es eben doch nicht egal, ob nun drei oder dreihundert Leute einen Blogbeitrag lesen. Einen Blog startet man aus Idealismus, aber für die Zeit und Mühe, die so ein Blogbeitrag über Bitcoin oder Biogas kostet, sollte schon die eine oder andere Rückmeldung kommen. Ein Großteil der Wissenschaftsblogs – schon gar nicht aus der Forschung selbst – wäre ohne solche psychologischen Plattform-Effekte längst wieder tot oder nie ins Leben gerufen worden.

In den Kommentaren der Scienceblogs ging es von Anfang an hoch her. (Bild: Hans Sebald Beham, ca 1546

Die offene Diskussion untereinander und in den Kommentaren ist ein wichtiges Merkmal von Blogs (Symbolbild). Bild: Hans Sebald Beham, ca 1546

Denn das Leben in der wissenschaftlichen Blogosphäre ist immer noch hart, besonders für jene, die tatsächlich eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Gemessen daran hat sich die Szene gut gehalten – es gibt inzwischen sogar eine eigene Blogplattform für die notorisch öffentlichkeitsscheuen Geisteswissenschaften. Diese Entwicklung ist um so bemerkenswerter, weil Wissenschaftsblogs bis heute nahezu ausschließlich non-profit sind. Reich ist dabei (fast) niemand geworden, und schon gar nicht jene Verlage, unter deren Dächern die Scienceblogs über die Jahre zu Gast waren.

Brotlose Kunst mit Zukunftsperspektive

Andere, namentlich die Mutterplattform Scienceblogs.com, hat es allemal schlimmer erwischt. Der einst so renommierten US-Mutterplattform ging sogar im September 2017 final die Puste aus, während der deutsche Ableger unbeirrt weiter macht. Das war so nicht unbedingt zu erwarten. Früher hieß es, die deutschen Scienceblogs würden es ungleich schwerer haben als ihr englisches Gegenstück – zu klein sei der Sprachraum und damit auch das potenzielle Nerdpublikum, in einem Internet, das immer mehr die Masse belohnt.

Und noch eine Vorhersage beim Start der Scienceblogs hat sich nicht bewahrheitet: Binnen eines Jahres werde ich doch noch zu der Plattform wechseln, schon wegen des bekannteren Namens. Soviel also zum Thema Zukunftsprognosen. Deswegen verkneife ich mir hier auch den eigentlich fälligen Ausblick (Krebs heilen, Musikblog von Elvis, Weltherrschaft dann 2050); aber ich werde weiterhin mitlesen, schon aus professionellem Interesse. Auf jeden Fall herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag der Scienceblogs – nicht nur von mir, sondern auch auf diesem Wege ausdrücklich auch von SciLogs-Blogvater Carsten Könneker. Wir wünschen noch viele weitere Jahre erfolgreiches Bloggen rund um die Forschung.

Kommentare (3)

  1. #1 Jürgen Schönstein
    12. Januar 2018

    Danke! Ich hatte ja immer schon das Gefühl, dass ScienceBlogs.de und Scilogs.de zwar Konkurrenten, aber keine bitteren Rivalen sind. Im Gegenteil: Das ist wie beim Fußball, wo es ja auch (mindestens) zwei Mannschaften braucht, die gegeneinander antreten können – ansonsten findet das Spiel gar nicht statt. Ich selbst habe noch besonders gut den “Ballwechsel” mit Anatol Stefanowitsch in Erinnerung (ich sage nur: Walderdbeeren), der dann sogar Teil eines gedruckten Buches wurde, mit dem ich geschätzte Zweifuffzich an Tantiemen verdient habe. Da sag’ einer noch, mit Bloggen wird man nicht reich…

  2. #2 ajki
    12. Januar 2018

    “…gibt inzwischen sogar eine eigene Blogplattform für die notorisch öffentlichkeitsscheuen Geisteswissenschaften…”

    Hm. Ist damit “hypothesis.de” gemeint?

  3. #3 rolak
    12. Januar 2018

    Welch seltener Gast^^ Die beiden Plattformen unterscheiden sich bei mir durch die feed-Wahl. ‘Bei euch’ Artikel, hier Artikel und Kommentare. Und das Schreibpensum – hier mehr, dort weniger (aka sehr selten).

    Doch missen möchte ich keine der beiden Plattformen.