Wolkenbildung und wie Regentropfen entstehen, sind noch nicht so toll verstandene Prozesse (fein sagt man übrigens “Hydrometeore”, aber wir sind ja hier unter uns). Da gibt es aber auch eine unverschämte Zahl an Zwischenschritte und Übergangsmöglichkeiten zwischen Eis, Wassertropfen, kollidierenden Tropfen, aufbrechenden Tropfen, anfrierenden Tropfen, Aufwärts- und Abwärtsströmungen etc. Die Massenspektren und Größenspektren, also wieviele Tropfen es von einer Größenordnung gibt, erstrecken sich über viele Ordnungen – und die ganzen Größensprünge muss man erstmal erklären.
Folglich ist Niederschlag noch eine der am schlechtesten verstandenen Komponenten von Wettervorhersage, aber gerade auch bei Messungen (z.B. durch Regenradar) stecken Annahmen aus den Größenspektren drin. Aber dennoch habe ich mich ein bißchen gewundert über die folgende Sache – dass die erst jetzt so bestimmt wurde, wo doch die Schlussfolgerung die drin steckt eigentlich einfach ist.


Es geht um die Geschwindigkeit, die ein Regentropfen erreichen kann. Diese ist stark von der Größe des Tropfens abhängig. Denn wir sind ja nicht im Vakuum, wo alles gleich schnell fällt – vielmehr löst sich das Problem als Kräftegleichgewicht zwischen Gravitationskraft und Reibungskraft. Dabei geht der Radius des Tropfens (bis ~1 mm Durchmesser) als dritte Potenz ein – sodass ein großer Tropfen um viele Ordnungen schneller fallen kann. Das, wie gesagt, die Größenverteilung sehr weit ist, kann man sich also vorstellen dass so ein großer Tropfen die kleineren beim Fallen überholt – oder manchmal trifft. Dabei kann es zum Aufbrechen eines großen Tropfens kommen, oder ein großer Tropfen kann auch einfach hydrodynamisch instabil werden.

In einer aktuellen Veröffentlichung in den Geophysical Research Letters lösen die Autoren aus Houghton und Mexico City jetzt ein Problem, das bislang entweder als Mess- oder Instrumentenfehler erklärt wurde: Nämlich dass es Tropfen gibt, die schneller fallen als sie nach dem Kräftegleichgewicht eigentlich dürften. Die Lösung liegt in den aufbrechenden großen Tropfen – wenn sich dort ein kleiner Tropfen abspaltet dann bewegt er sich natürlich zunächst mit der gleichen Geschwindigkeit weiter wie der große Tropfen – so kommen diese “superterminal drops” (also Tropfen die schneller sind als die eigentliche Endgeschwindigkeit im Fall) zustande.

Die Forscher konnten jetzt zwei DInge zeigen – einmal ergab der Einsatz spezieller Sensoren, dass diese Tropfen wirklich existieren. So kann ein Tropfen mit 100 µm Durchmesser, der normalerweise mit 30 cm/s fallen würde, mit 3 bis 4 m/s auf den Boden treffen. Und noch etwas konnte gezeigt werden – dass bei stärkerem Regen die Anzahl großer Tropfen ab- und die an überschnellen kleinen Tropfen zunimmt. Eine Beobachtung, die konsistent mit der Annahme ist, dass große Tropfen durch Kollisionen mit kleineren aufgebrochen werden.

(via ScienceNOW)

Referenz: Montero-Martínez, G., A. B. Kostinski, R. A. Shaw, and F. García-García (2009),

Do all raindrops fall at terminal speed?,

Geophys. Res. Lett., 36, L11818, doi:10.1029/2008GL037111

Kommentare (7)

  1. #1 rolak
    06/15/2009

    Man sollte meinen, daß gewisse Dinge schon längst weitgehend untersucht sind, aber wie man sieht…

  2. #2 Odysseus
    06/15/2009

    Denn wir sind ja nicht im Vakuum wo alles gleich schnell viele

    Wenn der Spellcheck versagt…. 🙂

    Und man sagt echt “Hydrometeor”? Wissen die Astronomen, wie ihre Terminologie da missbraucht wird?

  3. #3 JörgR
    06/15/2009

    @Odysseus: Danke, ich korrigiere dem Grammatik und des Satzbaus 😉
    Ja, man sagt Hydrometeore. Meteore sind alle Dinger die aus dem Himmel zu Boden fallen. Schnee und Hagel sind Cryometeore…

  4. #4 Saidiph ex omnes
    06/15/2009

    nach Überlichtgeschwindigkeit und Überschallgeschwindigkeit nun:
    *trommelwirbel*
    Übertropfgeschwindigkeit!

  5. #5 beka
    06/15/2009

    Vielleicht spielt bei der Fallgeschwindigkeit auch das “Windschattenfallen” eine Rolle: vorne bauen die kräftigen den Staudruck auf, hinterher rauschen die etwas schmächtigeren im Windschatten.

    Über eine Fallhöhe von ein paar hundert Metern wird es dann eine Mischung aus zerplatzenden und sich neu bildenden größeren Tropfen geben.

    Das ist dann wie beim Radsport das Pulkfahren im Windschatten.

    Wenn der Regen stärker wird, werden die kleinen Tropfen stärker mitgerissen.

  6. #6 Marc
    06/16/2009

    Ausgesprochen interessant. Wer hätte auch gedacht, daß Tropfen schneller fallen, als es die Physik erlaubt… Und ich warte unbedingt darauf, daß nun endlich mal ein Lehrstuhl für Tropfenforschung eingerichtet wird. Da gibt es ja allerhand ungeklärte Phänomene, wie ja etwa die Hypothese, daß Tropfen strenggenommen gar nicht richtig auf dem Boden aufprallen (wie ich selbst hier mal skizziert hatte.

  7. #7 JörgR
    06/16/2009

    @beka: Die Tropfen sind sehr unterschiedlich groß und fallen mit um Größenordnungen verschiedenen Geschwindigkeiten. Ein kleiner Tropfen kann nicht hinter einem großen herfliegen, abgesehen davon dass er erstmal dorthin gewirbelt werden müsste. Daher glaube ich nicht, dass ein kleiner Tropfen auf diese Art einen Faktor 10 an Geschwindigkeit gewinnen könnte.

    @Marc: Oh, selbstverständlich gibt es Professoren und Gruppen die nur Wolkenphysik machen und sich angucken wie Tropfen entstehen und auf den Boden kommen. Das schwierige dabei sind einfach die zahlreichen Prozesse der Phasenumwandlungen, wie z.B. hier:
    https://www.imk.uni-karlsruhe.de/download/schema_pic_mithagel400px.jpg